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Ausgabe:

1906 Nr. 10

Spalte:

296-297

Autor/Hrsg.:

Dalman, Gustaf (Hrsg.)

Titel/Untertitel:

Palästinajahrbuch des Deutschen evangelischen Instituts für Altertumswissenschaft des heiligen Landes zu Jerusalem. Erster Jahrgang 1906

Rezensent:

Schürer, Emil

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Theologifche Literaturzeitung 1906 Nr. 10.

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überall nach bisauf den Grund. Keilinfchriften werden feiten
und heutiger Volksglaube, wenn ich nichts überfehen habe,
gar nicht verwertet. Der Verf. will das nicht, will nicht
einmal fpeziell den ganzen fyrifchen Sonnendienft, auch
nicht den der römifchen Periode darftellen, fondern nur
Einzelheiten daraus, und ift auf dem Spezialgebiet der
bildlichen Darftellung in jedem einzelnen Falle voll-
ftändig, foweit das möglich. Aber bei der mit Bewußtfein
feilgehaltenen Befchränkung hätte er jene Rück-
fchlüffe beffer unterlaffen. Dies Urteil gilt dem Buch
als ganzem, nicht allen feinen einzelnen Abhandlungen,
finnige darunter, die von den Bildwerken ausgehen, und
zwei unter den dreien, die es nicht tun, beanfpruchen
nicht, anderes zu fein als losgelöfle Fragmente, und
geben keine gefchichtlichen Konftruktionen.

Nur mit Bezug auf das, was den Hauptinhalt des
Buches bildet, den Sonnendienft, kann ich hier mein
Urteil an wenigen Punkten andeutungsweife begründen.
Über das Alter des ,fyrifchen' Sonnendienftes läßt fich
nichts ausfagen, wenn man nicht auch z. B. alle darauf
hinweifenden Perfonennamen berückfichtigt. Ich habe
für eine andere Stelle darüber gefammelt, was mir bis-
jetzt erreichbar gewefen ift, und glaube daraus mit einiger
Deutlichkeit erkennen zu können, daß der Sonnenkult,
fo wie er uns in der fpäten Zeit entgegentritt, von Baby-
lonien aus zuerft nach Aram und dann auch nach Phö-
nizien vorgedrungen war, in Phönizien aber niemals in
dem Maße heimifch geworden ift, wie bei den Aramäern.
Hier und da mag in dem fyro-phönizifchen Sonnendienft
auch ein Reit vorliegen fchon ganz alten ägyptifchen Ein-
fluffes. Wenn ich dem Verf. richtig gefolgt bin, knüpft
er dagegen den phönizifchen Sonnendienft der griechifch-
römifchen Periode direkt an den alten tyrifchen Melkart
als Sonnengott an. Ich ftelle nicht in Abrede, daß diefer
eine folare Bedeutung gehabt haben kann; aber einen
Beweis dafür erbringt der Verf. nicht. Er beruft fich
einfach S. 146 f. auf Berard und fein Material, Berard
feinerfeits verweift auf den alten Raoul-Rochette und
diefer hat keinen andern Beweis als den, daß nach
Menander bei Jofephus das Auferftehungsfeft des tyrifchen
Herakles in den Monat Peritios fiel und daß der
2. Peritios dem 25. Dezember, dem Anfangstag des auf-
fteigenden Sonnenlaufes, entfpreche. Soweit ich unterrichtet
bin, ift die Vorausfetzung über das Verhältnis
des Peritios zum römifchen Jahr irrig nach der Stellung,
die er im Kalender von Tyrus hatte. Das tyrifche
Auferftehungsfeft, in den Februar-März fallend, ift eher
ein Fett des beginnenden Frühlings. Gewiß laffen fich
die Vorftellungen vom Erwachen, Gedeihen und Erfterben
der Vegetation nicht trennen von den Beobachtungen des
Sonnenlaufes, der jene Erfcheinungen bedingt; aber nur
deshalb find die Gottheiten der Vegetation noch keine
Sonnengötter. Das ift auch Duffauds Meinung nicht, der
Vegetationsgott und Sonnengott nur zu benimmt unter-
fcheidet (S. 149 ff., befonders S. 155).

Noch auf zwei fcheinbare Beweife, die doch keine
find, erlaube ich mir hinzuweifen. Der Verf. hat es
vahrfcheinlich gemacht, daß Bei (im Unterfchied von
Baal) auf fyro-phönizifchem Boden überall ein Sonnengott
ift. Aber woher kennt er S. 75 den ,grand dieu
solaire local' zu Apamea? Die angeführten Belege für
den Gott von Apamea (und mehr haben wir zur Zeit
wohl nicht; lies Dio Caffius 78, 8), reden nur von einem
Bei oder Zeus Belos, und es ift lediglich die eben erft
zu beweifende Vorausfetzung des Verf.s, daß dies ein
Sonnengott war. Ebenfowenig gibt fich die Infchrift
aus der Trachonitis S. 110 (Waddington 2442) als ,invo-
cation au Soleil'. Die Sonne wird darin gar nicht genannt
; der Verf., der nur die Anfangsworte wiedergibt,
hätte erft zeigen müffen, daß fie gemeint ift, woran ich
allerdings nicht zweifle: ich finde darin ein Abbild des
Bel-Marduk. und mache namentlich auf die für diefen
charakteriftifche und für die Herkunft femitifcher Heil-

Götter intereflante Anrufung aufmerkfam: Öidov jcäöiv
rjuetv vyirjv xaß-agav.

Neben den veffchiedenen Beiträgen zur Gefchichte
des Sonnendienftes handelt der Verf. in Heft II noch von
folgendem: Symboles et simulacres de la deesse paredre
S. 81 ff., Main votive au type de Jupiter Heliopolitain
S. 117 ff. (befonders lehrreich), Le Pantheon phenicien
S. 131 ff, Milk S. I56ff., Brathy S. 162 ff, Dusares d'apres
les monnaies d'Adraa etc. S. 167 ff

Auf die einzelnen Abfchnitte, die in keinem nähern
Zufammenhange flehen, kann ich an diefer Stelle nicht
eingehen. Schon die Titel zeigen, daß bis auf den einen
Auffatz über das phönizifche Pantheon feinftes Detail geboten
wird. Es ift Filigranarbeit, um mit fyrifchem zu
vergleichen, etwa von der Akkurateffe und Sauberkeit
der Skulpturen an der Faffade von Mefchetta. Solche
Arbeit läßt fich auch nur in minutiöfem Verfahren be-
fprechen, wozu hier nicht der Platz ift. Auch die allgemeiner
gehaltene Darfteilung über das .Pantheon' läßt
fich in anderer Weife nicht beurteilen. Ich hoffe in
fpätern Veröffentlichungen dem Verf. bekunden zu können,
wieviel an Material und Beobachtungen ich bei ihm neu
gefunden habe. Ich erlaube mir freilich bisjetzt in den
Punkten, wo er meiner Auffaffung direkt widerfpricht,
im wefentlichen daran feftzuhalten. Nur zwei Detailbemerkungen
feien mir hier noch geftattet, ein pro domo
und eine Retraktation. Es beruht auf einem Mißver-
ftändnis, daß ich das Menfchenopfer bei Phöniziern und
Hebräern aus urfprünglichem Kannibalismus abgeleitet
haben foll (S. 161). Ich habe, wie mir jeder gerne
glauben wird, der meine Auffaffungsweife einigermaßen
näher kennt, diefe Annahme vielmehr abgelehnt. Sie ift
mir aus Briefen bekannt als die eines hochverehrten
Fachmannes. — Bei Befprechung des Gedankens von O.
Gruppe, daß die Zuweifung der Erfindung des Gebrauches
des Salzes an MiOcbp und 2vdvx .Billigkeit' und .Gerechtigkeit
', in denSanchuniathonfchenFYagmenten auf einerKom-
bination von ftl^a ,Bund' und fiiSä ,Salz' beruhe, bemerkt
der Verf. S. 137 vörfichtig, daß man dann bei Philo Byblius
eine Verwechfelung von ,la soude et le sei' annehmen
müffe. Ich habe erft kürzlich in dem Artikel ,Sanchunia-
thon' in Herzogs Realencykl. 3 jene Deutung akzeptiert,
ohne diefe Referve. Da aber t"|i"ia nach den beiden einzigen
Stellen, wo es vorkommt, eben nicht das bei Bund-
fchließungen verwertete nbx? ,Salz' ift, fondern wie Sä
ein Reinigungsmittel, vielleicht Laugenfalz, allerdings
nach Jer. 2, 22 von -inj .Natron' verfchieden, fo ift die
Annahme einer Kombination von ni-ä und tTnä bei
Philo aufzugeben und aus feiner Ausfage nichts zu entnehmen
für eine Vorlage in phönizifcher Sprache.

Berlin. Wolf Baudiffin.

Palärtinajahrbuch des Deutfchen evangelifchen Inftituts für
AltertumswiKenfchaft des heiligen Landes zu Jerufalem.

Im Auftrage des Stiftungsvorftandes herausgegeben
von Prof. D. Dr. Guftaf Dal man. Erfter Jahrgang.
Berlin, E. S. Mittler & Sohn 1905. (V, 125 S. m.
4 Tafeln.) gr. 8° M. 2.40; geb. M. 3.25

Das ,Deutfche evangelifche Inftitut für Altertums-
wiffenfchaft des heiligen Landes' zu Jerufalem ift eine
Schöpfung fämtlicher evangelifchen Kirchen-Regierungen
Deutfchlands, deren Vertreter in der fogenannten Eife-
nacher Konferenz vereinigt find. Am 19. Juni 1900 wurde
von denfelben in Eifenach die Urkunde unterzeichnet,
durch welche das Inftitut errichtet wurde. Der Zweck
desfelben ift ,auf dem Gebiete der biblifchen und kirchlichen
Altertumswiffenfchaft die Beziehungen zwifchen
den Stätten der heiligen Gefchichte und zwifchen der
gelehrten Forfchung und dem Intereffe der chriftlichen
Frömmigkeit in der evangelifchen Kirche zu pflegen, zu
! beleben und zu regeln'. An der Spitze fteht ein Vor-