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Ausgabe:

1906 Nr. 9

Spalte:

276-277

Autor/Hrsg.:

Buchwald, Georg (Hrsg.)

Titel/Untertitel:

Luther’s Ungedruckte Predigten aus den Jahren 1537 bis 1540 1906

Rezensent:

Bossert, Gustav

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Theologifche Literaturzeitung 1906 Nr. 9.

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monachi und das kleine deutfche Schriftchen Van goeden
Woerden to hören ende die to fpreken. Die (16) Orationes
de passione Domini et beata virgine et aliis sanetis, die
diefer Band außerdem enthält, werden auf Grund der
dritten Ausgabe des Jefuiten Henricus Sommalius (Antwerpen
1615) geboten, da fich keine Handfchriften haben
finden laffen.

Endlich enthält der fechfte Band nach der Löwener
Handfchrift die Sermoues ad novicios und die vita Lide-
zvigis virginis. Möchten die noch ausftehenden vier Bände
nicht zu lange auf fich warten laffen.

Halle a. S. G. Kicker.

Lindner, Prof. Theodor, Weltgelchichte feit der Völkerwanderung
. In neun Bänden. Vierter Band. Der
Stillftand des Orients und das Aufzeigen Europas.
Die deutfche Reformation. Stuttgart, J. G. Cotta-
fche Buchhandlung Nachfolger 1905. (X, 473 S.)
gr. 8°. M. 5.50

Der neue Band von Lindners Weltgefchichte fuhrt
uns bis etwa in die Mitte des 16. Jahrhunderts. Er zeigt 1
uns, wie und warum die alten Kulturen zurückbleiben j
und die europäifche fich mächtig emporarbeitet. Gemäß ,
den Grundfätzen, die der Verfaffer in feiner Gefchichts-
philofophie niedergelegt hat, bringt er uns nur die für
die Entwickelung der heutigen Kulturwelt wichtigen Ge-
fchehniffe; fo viel auch einzelne Gefchehniffe berichtet
werden, fo werden fie doch nur als Glieder des großen |
hiftorifchen Prozeffes gewürdigt. Und wir erhalten fo
ein anfehauliches Bild der Verhältniffe, die für die moderne
Welt grundlegend geworden find. Dies wird
gerade durch den vorliegenden Band fehr deutlich, wenn
der Verfaffer auch glaubt eine andere Teilung als die j
bisher übliche vornehmen zu muffen. Er fagt: ,Bereits
im dritten Bande (feilte ich im Gegenfatz zu der üblichen
Einteilung der Gefchichte eine große einheitliche
Periode vom dreizehnten Jahrhundert bis zur Mitte des |
fiebzehnten feft. Wohl differenzierten und zerfetzten fich
die Zuftände, aber der Grundton blieb derfelbe, fo daß j
wir in der langen Zeit nur mit Übergängen zu tun haben.
Noch herrfchte die mittelalterliche transzendente Lofung
von Religion und Kirche, und fie wurde in den Kämpfen
der Konfeffionen nur in anderer Geftalt erneuert. Erft
im fiebzehnten Jahrhundert kam der Niederfchlag aller
diefer Umwälzungen zur Ruhe und aus ihm erwuchs die
moderne Zeit, in deren Wehen und Wallungen wir noch
flehen. Auch auf politifchem Boden bereitete erft das
fiebzehnte Jahrhundert das europäifche Staatenfyftem vor,
das fich bis in die neuefte Zeit erhalten hat'. Es ift erfreulich
zu fehen, welchen bedeutfamen Anteil der Verfaffer
auch bei diefer Dispofition der deutfehen Reformation
glaubt zuweifen zu müffen, und wie fie auch bei
folcher welthiftorifchen Betrachtung nichts verliert. Und
ich glaube, das iTt das bleibend Wertvolle an diefem Bande,
daß er uns zeigt, wie auch bei einer Darftellung der
Gefchichte, die mehr auf die materiellen Kräfte der Entwickelung
Wert legt, die überragende Bedeutung der
deutfehen Reformation erkannt werden muß. Auf die
Periodifierung kommt es dann nicht fo fehr an. Der
Verfaffer führt uns zuerft nach dem Orient und fchildert
hier vornehmlich den Untergang von Byzanz und das
türkifche Reich in feiner Entftehung und Verfaffung, in
Größe und Verfall. Im zweiten Buche wendet er fich j
den ftaatlich-politifchen Verhältniffen der europäifchen
Völker zu, wobei Deutfchland befonders berückfichtigt
wird. Am wertvollften find für uns Theologen das dritte j
Buch, das von der Zerfetzung des Mittelalters, und das
vierte Buch, das von der deutfehen Reformation handelt.
Das fünfte Buch endlich befchreibt die Entdeckung Amerikas
und des Seeweges nach Indien. Das Beflreben des
Vcrfaffers, fo objektiv wie möglich zu urteilen, ift überall

erfichtlich; allzu enthufiaftifche Urteile z. B. über die Bedeutung
der Renaiffance für die moderne Zeit werden
auf ein richtiges Maß zurückgeführt. Die Schilderung
Luthers genügt mir nicht; fo fehr ich es billige, daß das
Mittelalterliche an diefem Manne ftark hervorgehoben
wird, fo wenig kann ich finden, daß bei diefer Schilderung
das ,Zeitlofe' in das richtige Licht gerückt worden fei.
Aber trotz allem möchte ich auch auf den vorliegenden
Band die Worte anwenden, die der Verfaffer am Schluß
der Einleitung fchreibt: ,Stetig fteigert fich das Intereffe
an den großen Dingen. Die Entwickelung wird vielfeitiger
und feffelnder, weil neben den alten Zuftänden, die in
unferer Zeit noch nicht völlig überwunden find, neue
Probleme auftauchen und an Zahl wie an Stärke zunehmen
'. Und es ift auch ganz prächtig gefchildert, wie
in der Zeit, als die alten Kulturen zurückweichen und
die neue Kultur mächtig emporfleigt, der Blick des denkenden
Menfchen die ganze Erde zu umfpannen beginnt.

Halle a. S. Gerhard Ficker.

Luthers, D. Martin, Ungedruckte Predigten aus den Jahren
1537—1540. Zum erden Mal veröffentlicht von Pfr.
D. Georg Buchwald. Leipzig, G. Strübigs Verlag
1905. (XII, 696 S.) gr. 8° M. 8.40

Was Buchwald hier bietet, find im wefentlichen
Joh. Aurifabers Bearbeitungen von Rörers Originalnach-
fchriften der Predigten Luthers aus den Jahren 1537—40,
welche D. Enders auf der Heidelberger Univerfitätsbiblio-
thek zuerft entdeckt hat. Streng genommen fagt der Titel
zuviel, wie Buchwald felbft im Vorwort anerkennt. Denn
Nr. 95—105 hat er fchon 1888 (2. Aufl. 1890) veröffentlicht
. Mehrere andere find in anderer Bearbeitung gedruckt
z. B. 13. 14. E.A. 92, 1. Nr. 25 E.A. 142, 178 ff.,
Nr. 39 E.A. 14, 385. Nr. 34 ift 1572 von Poach veröffentlicht
. Der Schluß von Nr. 114 S. 691 ff. findet fich
auch E.A. 11, 382—385. Buchwald aber hat ein Recht,
fie hier mit der ganzen Arbeit Aurifabers wiederzugeben,
zumal diefe das gefprochene Wort Luthers noch treuer
wiedergibt als die andern Bearbeitungen, vollends die
von Poach 1572.

Aber überrafchend ift, daß Buchwald fich nicht über
das Verhältnis der jetzigen Publikation zu den von ihm
im dritten Band der ungedruckten Predigten Luthers 1885
veröffentlichten aus den Jahren 1537—40 ausfpricht. Denn
im wefentlichen fleckt in jenem Band derfelbe Kern,
wie in den jetzt dargebotenen Predigten. Dort gab Buchwald
Poachs Abfchrift von Georg Rörers Nachfchriften,
jetzt bietet er diefe in Joh. Aurifabers Bearbeitung. Allerdings
kann Rörers Arbeit für eine wiffenfchaftliche Ausgabe
, wie die Weimarer, allein in Betracht kommen, fie
bleibt völlig ungenießbar für andere Lefer, nicht bloß
für Laien, fondern auch für Theologen. Denn fie gibt
Luthers Worte ftets in Abkürzungen, oft von einem
ganzen Satz nur wenige Worte, deren Sinn für Rörer
wohl verftändlich fein mochte, für andere Lefer oft die
fchwerften Rätfei bot. Vollends unerträglich ift das ftete
Gemifch von deutfeher und lateinifcher Sprache. Sollten
Predigten aus den Jahren 1537—40 dem heutigen Ge-
fchlecht dargeboten werden, fo konnte das nur in der
Bearbeitung Aurifabers gefchehen ,in moderner Schreibweife
' und unter vorfichtiger Anpaffung an die Sprache
unferer Zeit, aber unter Wahrung des urfprünglichen
Charakters', wie dies Buchwald getan hat, der zugleich
die bei Aurifaber fehlenden Stücke S. 334, 368 anderweitig
ergänzte. Jetzt wird auch der 1885 aus Poachs
Sammlung gegebene Text vielfach berichtigt und verftändlich
. Hier nur zwei Beifpiele. 1885 S. 9 Z. 7 las
Buchwald .blick', jetzt S. 10 Z. 26 klick (Klecks, Flecken).
1885 S. 31 Z. 4 v. u. ,kinderthenig und narrenwart', jetzt
S. 40 Z. 8 v. u. kinderteiding und narrenwort, was alk in
einen Sinn gibt. Mit Recht ift der 1885 S. 41 Z. 31 ge-