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Ausgabe:

1906 Nr. 9

Spalte:

266-267

Autor/Hrsg.:

Archambault, Georges

Titel/Untertitel:

Le témoignage de l‘ancienne littérature chrétienne sur l‘authenticité d‘un Peri anastaseos attribué à Justin l‘Apologiste 1906

Rezensent:

Knopf, Rudolf

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Theologifche Literaturzeitung 1906 Nr. 9.

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der durch fein Tun kein Menfch war, durch Beftechung
dem Tode auslieferten. Und von andern vielen fchreck-
lichen Zeichen wird man erzählen können, die damals
gefchahen. Und man fagte, daß jener, nachdem er getötet
war, nach der Beftattung im Grabe nicht gefunden
wurde. Die einen nun geben vor, er fei auferftanden,
die andern aber, daß er geftohlen fei von feinen
Freunden. Ich weiß aber nicht, welche richtiger fprechen.
Denn auferftehen kann ein Toter von fich felbft nicht,
wohl aber . . . wenn . . . oder (wenn) Gott felbft er-
fcheint wie ein Menfch und vollbringt, was er will,
und wandelt mit den Menfchen und fällt und fich
legt und auferfteht, wie es feinem Willen gemäß
ift. Andere aber fagten, daß es nicht möglich war, ihn
zu ftehlen, weil man rund um fein Grab Wächter gefetzt
hatte, 30 Römer, aber 1000 Juden . . . .'

8) Bei Erwähnung des .zweideutigen Orakelfpruches',
der die Juden zum Kriege trieb (d. h. der meffianifchen
Hoffnung), Bell. Jiid. VI, 5, 4- -Die einen nämlich ver-
ftanden darunter Herodes, die andern aber den gekreuzigten
Wundertäter Jefus, andere aber Vefpafian1.

Durch Mitteilung diefer intereffanten Texte hat fich
Berendts auf alle Fälle den Dank der wiffenfchaftlichen
Welt verdient. Hätte er fich doch auf Mitteilung der-
felben befchränkt und die Befprechung Anderem über-
laffen! Nun aber bietet er uns einen Kommentar, deffen
Ziel kein anderes ift als zu zeigen, daß alle diefe
Stücke von Jofephus felbft herrühren! Es ift wirklich
fchwer, darüber zu fprechen, ohne fatirifch zu werden
. Der Fälfcher war jedenfalls fchlauer, als fein
moderner Kommentator, denn es ift ihm gelungen, diefen
hinter's Licht zu führen. Der Refrain aller umftändlichen
Erwägungen von Berendts ift immer der (wie es S. 66
formuliert wird) ,Für einen Chriften ift das alles zu
wenig, für einen Juden aus wenig fpäterer Zeit
als 70 oder 73 nach Chrifto zu viel'. Alfo weil das
Chriftliche nicht gar zu dick aufgetragen ift und anderer-
feits die Anerkennung Jefu doch größer als es von einem
fpäteren Juden zu erwarten ift, darum müffen die Texte
von Jofephus herrühren!! Und durch diefe Weisheit
werden alle erdrückenden Gegengründe, welche Berendts
nicht unbekannt find, zum Schweigen gebracht. Ich will
nur einige Hauptpunkte hervorheben. Nach Nr. 1 ift
Johannes der Täufer fchon unter Archelaus (abgefetzt
im J. 6 n. Chr.) aufgetreten; nach Nr. 2 hat er den
Tetrarchen Philippus (f 34 n. Chr.) überlebt. Seine
Wirkfamkeit müßte fich alfo auf reichlich 30 Jahre er-
ftreckt haben. Das wird niemand als hiftorifch annehmen.
Soll Jofephus es wirklich berichtet haben? Nach Nr. 3
war der Tetrarch Philippus der erfte Gemahl der Herodias
; das flammt augenfcheinlich aus den Evangelien und
fleht im Widerfpruch mit Jofephus, nach welchem vielmehr
ein anderer Sohn Herodes' des Gr. der erfte Gemahl
der Herodias war. Auffallend ift auch, daß die
Heirat des Herodes Antipas mit Herodias erft nach dem
Tod des Philippus gefetzt wird (nach Jofephus fand die
Heirat augenfcheinlich noch bei Lebzeiten des erften
Gemahls der Herodias ftatt) und daß aus der erften Ehe
der Herodias 4 Kinder entfproffen fein follen (Jofephus
erwähnt nur die Salome). In der Gefchichte Jefu Nr. 4
finden fich mannigfache, wenn auch nicht allzu handgreifliche
Berührungen mit den Evangelien. Den chriftlichen
Verfaffer verrät namentlich der Nachdruck, mit welchem
betont wird, daß Pilatus Jefum für unfchuldig hielt. Deutlich
find auch die Berührungen mit der Apoftelgefchichte
in Nr. 5 (vgl. namentlich den Rat Gamaliels Apgefch.
5 •>—*•)• Mit Händen zu greifen ift die Bekanntfchaft mit
den Evangelien in Nr. 7 (Zerreißen des Vorhangs
und Ausfprengung des Gerüchtes, daß Jefu Leichnam
geftohlen fei!). Hier könnte Berendts auch zufrieden
fein mit dem hinreichend kräftigen Hervortreten
des chriftlichen Standpunktes, der ganz patripaffianifch ift.

Die Widerfprüche mit Jofephus find Berendts nicht

unbekannt geblieben. Er beruhigt fich dabei, daß die
abweichenden Angaben des Jofephus fich in den viel
fpäter gefchriebenen Antiquitäten finden, bei deren Ab-
faffung Jofephus beffer orientiert gewefen fei als früher.
Auch die Berührungen mit Evangelien und Apoftelgefchichte
werden eingehend erwogen, müffen aber, foweit
fie anerkannt werden, fchließlich dazu dienen, die Glaubwürdigkeit
der biblifchen Darftellung zu bekräftigen (z. B.
S. 62, 69).

Wie erklärt fich aber nach Berendts der doch recht
auffällige Umftand, daß die ganze übrige Textüberlieferung
nichts von diefen Stücken weiß? Zunächft beftreitet er
letzteres, indem er Bekanntfchaft mit unferen Stücken
beim lateinifchen Hegefippus nachzuweifen fucht (S. 21 —
28). Die Beweisführung wird nur denjenigen einleuchten,
die eine große Geneigtheit, fich überzeugen zu laffen,
mitbringen. Die Haupt-Auskunft von Berendts befteht
aber in der Annahme, daß der flavifche Text auf
die erftein aramäifcherSprache gefchriebene Darftellung
des jüdifchen Krieges zurückgehe, welche
Jofephus felbft im Vorwort zu feinem griechffchen Werke
erwähnt. Er fagt fich aber felbft, daß die Slaven nicht
aramäifch gelefen haben, daß man alfo ein griechifches
Mittelglied annehmen muß. Wenn nur diefes griechifche
Mittelglied überhaupt möglich wäre! Die griechifche
Bearbeitung, welche Jofephus felbft vorgenommen hat,
ift ja eben das uns erhaltene griechifche Werk. Daß
man daneben wegen etwaiger Abweichungen auch das
aramäifche Werk noch ins Griechifche übertragen haben
follte, ift doch mehr als unwahrfcheinlich. Überdies folgt
ja der Slave, foweit fich aus Berendts' Angaben erfehen
läßt, eben unferm griechifchen Werk, nur daß dasfelbe
teils verkürzt, teils durch die fremden Zutaten bereichert
ift. Diefe freie Bearbeitung ift wahrfcheinlich nicht das
Werk des Slaven, fondern eines byzantinifchen Vorgängers
(denn die Zutaten find nach Berendts aus dem
Griechifchen überfetzt). Der angebliche Ur-Jofephus ift
aber eines der fchlimmften Phantome, welches die Freude
über einen neuen Fund dem glücklichen Entdecker je
vorgegaukelt hat.

Göttingen. E. Schürer.

Archambault, G., Le temoignage de l'ancienne litterature
chretienne sur l'authenticite d'un in o< dvaaxdaeutq attri-
bue ä Justin l'Apologiste. (Extrait de la Revue de Philologie
de Litterature et d'HistoireAnciennes, Avril 1905,
P- 73—93-) Paris, C. Klinksieck 1905. (21 S.) gr. 8°

Nicht im Handel.

Die fehr vorfichtigen und methodifch einwandfreien
Darlegungen Archambaults bewegen fich in Anlehnungen
an Zahn (Zeitfchr. für Kirchengefch. Bd. 8, 1886, Studien
zu Juftin) und in Auseinanderfetzungen mit ihm. Die
Unterfuchung befchäftigt fich mit den vier Fragmenten,
die die Sacra parallela aus einer juftinifchen Schrift:
Über die Auferftehung bringen, weiter mit dem Teftimo-
nium des Prokop von Gaza im Kommentar zum Okta-
teuch und dem Fragmente bei Methodius: Über die
Auferftehung. Auf die Frage nach der Benutzung der
Schrift bei Irenäus und Tertullian geht A. nicht ein.
Die Zitate in den Sacr. par. würden bei der Ungenauig-
keit der Zitationsweife, die das Buch fonft an den Tag
legt, nicht erhärten, daß fein Verfaffer tatfächlich eine
Juftinfchrift über die Auferftehung kannte. Aber das
Zeugnis Prokops, der in feinen Anführungen fehr genau
ift, zeigt, daß die alte Kirche wirklich um 500 eine Juftinfchrift
über die Auferftehung las. Diefe Schrift ift in
den Fragmenten der Sacr. par. ohne große Lücken erhalten
(gegen Zahn), Prokop hat in der Auslegung von
Gen. 3, 21 nicht eine verlorene Stelle zwifchen dem 1.
und 2._ Fragmente im Auge (Zahn, Semifch), fondern wohl
das Ende des 1. Fragments. Methodius zitiert als ju-