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Ausgabe:

1906 Nr. 9

Spalte:

259-262

Autor/Hrsg.:

Wright, W. A. (Ed.)

Titel/Untertitel:

A commentary on the Book of Job, from the Hebrew Manuscript in the University Library, Cambridge 1906

Rezensent:

Bacher, Wilhelm

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259

Theologifche Literaturzeitung 1906 Nr. 9.

260

reichen Stellen der paulinifchen Briefe, an welchen vom
Kreuz und der Kreuzigung Jefu Chrifti die Rede, fich
abfindet, bleibt ein Geheimnis.

XXXV. Le sabbat hebratque, p. 443—446 (aus L'Anthropologie
1900). Im Anfchluß an eine Abhandlung
von Jaftrow im American Journal of Theology II, 2 wird
ausgeführt, daß der Sabbat urfprünglich ein dies nefastus
war, an welchem man nichts unternahm, weil die Götter
in übler Stimmung waren (parce qiie les dieux etaient de
mauvaise humeur ce jour-la). Jaftrow fucht dies aus dem
babylonifchen Kalender zu beweifen, nach welchem der
7., 14., 21. und 28. Tag eines jeden Monats (immer vom
Neumond an gerechnet) ,böfe Tage' waren. Der Zu-
fammenhang des jüdifchen Sabbat hiermit ift allerdings
wahrfcheinlich, aber immer noch nicht ficher. Vgl. meine
Bemerkungen in der Zeitfchr. für die Neuteftamentl.
Wiffenfchaft 1905, S. 14, auf welche Reinach S. 445
Anm. 2 verweift.

Göttingen. E. Schürer.

[Hiob.] A commentary on the Book of Job, from a Hebrew
Manuscript in the University Library, Cambridge. Ed.
by W. A. Wright. Transl. by S. A. Hirsch, S. A.,
Ph. D. London, Williams & Norgate 1905. (VIII, 130
and 264 p.) gr. 8°

Der Anonymus, deffen Hiobkommentar hier aus einer
Handfchrift der Üniverfitätsbibliothek von Cambridge
herausgegeben wird, gehört der berühmten jüdifchen
Exegetenfchule Nordfrankreichs an, die im II. und 12.
Jahrhunderte der Bibelerklärung neue Bahnen wies und
eine reiche Literatur hervorbrachte. Über den Autor
des Kommentares erfahren wir aus diefem felbft nur,
daß er auch andere biblifche Bücher erklärt hat, fo Jefaja
(S. 88, zu 319) und Hofea (S. 95, zu 3331). Er zitiert
Erklärungen feines Vaters (zu 10 7; 12 0; 2013; 297) und
eine Erklärung feines Oheims R. Benjamin (zu 1327).
Einer der im Namen feines Vaters zitierten Erklärungen
(zu 12«, S. 36) fügt er die Bemerkung hinzu: ,es fagte
mir dies R. Simeon aus dem Munde des Vaters ihres
Vaters, Friede über fie'. Das ift nur fo zu verftehen,
daß die betreffende Erklärung, die der Verfaffer von
feinem Vater vernahm, ihm durch einen Vetter des letzteren,
namens Simeon, im Namen ihres Großvaters mitgeteilt
wurde (die Emendation diefer Stelle, S. V, Anm. 1 der
Vorrede undS. 82 der englifchen Überfetzung ift unnötig).
Diefe Angaben genügen nicht, um zur Identifizierung
des Verfaffers beizutragen; daß er R. Berechja hieß, kann
man zur Not dem Cod. hebr. 102 der Leipziger Univerfitätsbibliothek
entnehmen, einem Gloffarium zur Bibel,
das fich für das Buch Hiob zu einem auf dem vorliegenden
Kommentare beruhenden Kommentare erweitert (f. Vorwort
, S. Vf.). Von perfönlichen Beziehungen des Verfaffers
vernehmen wir nur von feiner Bekanntfchaft mit
einem chriftlichen Geiftlichen (nba), der in mohammedani-
fchen Ländern gewefen war und ihm mitteilte, daß der
Mohammedaner, wenn er etwas, was er hört oder fieht,
anerkennen will, fich die Hand küßt und ausruft: Die
Sache ift wahr! Damit foll Hiob 3127 erklärt werden.
(In der Überfetzung, S. 210, wird durch ein Mißverftändnis
aus dem chriftlichen Geiftlichen ,a Mahomedan priest1.)
Viel beffer orientiert uns der Verfaffer über die lite-
rarifchen Grundlagen feines Kommentares. In erfter Reihe
war es der Hiobkommentar Rafchis (R. Salomo Jizchakis),
den er benutzt hat. Nur einmal nennt er ihn mit der
Abbreviatur to"~ (S. 65, zu 229), zweimal bloß mit der
Bezeichnung ,unfer großer Lehrer; (zu 34 23 und 33). Weder
in der Vorrede (p. V), noch in der Überfetzung (S. 228, 231)
ift angegeben, daß unter dem ,großen Lehrer' Rafchi zu
verftehen fei. Sonft wird vom Anonymus Rafchis Kommentar
ftillfchweigend benutzt (z. B. zu 361), außerdem
aber eine ganze Partie desfelben, zu 3632 bis 40 27, mit
einigen Auslaffungen einfach übernommen und vom Verfaffer
zum integrierenden Beftandteil feines eigenen Kommentares
gemacht. Er zitiert ferner den Hiobkommentar
R. Samuels (zu 11; 415; 5 7; 1920), d. i. Samuel b. Meirs,
des Enkels Rafchis, fowie Erklärungen R. Jakobs (des
Bruders Samuels), die nicht einem Kommentare zu Hiob,
fondern biblifchen Gloffen (,Perufchiml) desfelben entnommen
find (zu Im; 524; 1420; 1920; 222). Auch das
| Werk R. Jakobs (,Machbereth'), in dem er Menachem b.
j Saruk gegen die Kritik Dunafch b. Labrats in Schutz
1 nahm, erwähnt er (zu 1615; 3017). Befonders oft ift der
Hiobkommentar eines fruchtbaren Exegeten der nord-
! franzöfifchen Schule, R. Eliezer aus Beaugency (12. Jhdt.)
j angeführt; nur zweimal (zu 1221; 281s) der des älteren
[ und bedeutenderen Jofeph Karo. Am häufigften zitiert
| wird Abraham Ibn Esra (mehr als fünfzigmal), aus deffen
i Kommentar auch die zu 415 zitierte Bemerkung des Gaon
Hai flammt. Hier muß nämlich nach an der Name iixn
ergänzt werden. Der Überfetzer hat das nicht erkannt
(S. 28) und überfetzt: ,But Rab explains', als ob eine
— natürlich nirgends zu findende — Erklärung des alten
Amora Rab gemeint wäre. Zweimal wird Jofeph Kimchi
zitiert (ifiüp pX, zu 27s; 3430), aber man kann den Einfluß
feines Hiobkommentars ohne Mühe bei unferem
Anonymus nachweifen (f. zu 105; 173; 1812; 193; 1925;
2134; 2410; 255). Wahrfcheinlich kannte er auch fchon
das Wörterbuch David Kimchis; denn was er zu 32 als
Anficht des ,erften Grammatikers', d. i. Ilajjügs bringt,
flammt wohl aus dem Artikel mn jenes Wörterbuches.
Das Wörterbuch Salomon Ibn Parchons zitiert er zweimal
(zu 126, aus Art. niöi>; zu 2230, aus Art. IX). Im Namen
Hajjügs (! annn bSP) zitiert er zu 410 eine Erklärung des
I Verbums iJflrß, die Abulwalid Ibn Ganäh angehört. Ganz
I unverftändlich ift die Nennung des Sli'n neben Ibn Esra,
zu 67. Die einzige Stelle, an der Abulwalid (nDS pX)
genannt wird (über n:2>X, 3217), fcheint aus einer fekun-
dären Quelle gefchöpft zu fein; ebenfo die einzige Erwähnung
Saadjas (zu 1220) und die Ibn Gajjäts (zu 1410, über
| Koheleth 2 24). Die anderen Autoritäten, mit deren Auf-
Zählung der Herausgeber (p. VI) die aus Schiller-Szineffys
) Katalog — und zwar leider mit bloßer Angabe der
Seiten des Cambridger Manufkriptes — übernommene
Lifte ergänzt, gehören der Traditionsliteratur an, aus der
unfer Autor natürlich auch anderes gefchöpft hat. Der
R. Simeon, der bei diefer Gelegenheit aus dem Kommentare
zu 272 (S. 76) angeführt wird, ift dort 1130 p JiSra© '"l
genannt (ftatt "j3 hat die Hfchr. p, und nt» emendiert
der Herausgeber in den Corrigenda, S. 119, zu ins, und
der Überfetzer, S. 179, adoptiert das), der kein anderer ift,
als Ben Paturi (i-fiUB p), M. Sota V, 5 (f. Die Agada
der Tannaiten I2, 61); unfer Kommentator aber zitiert
den Satz nicht aus der Mifchna, fondern aus einer anderen
Quelle (,Agadal), wo dem Namen Ben P. der Name R.
Simeon vorgefetzt war.

Obwohl der Anonymus eine große Anzahl von Autoritäten
nennt und auch, wo er fie nicht nennt, vieles
aus feinen Quellen in feinen Kommentar ftillfchweigend
aufgenommen hat, fo kann ihm dennoch Selbftändigkeit
nicht abgefprochen werden. Er übt oft genug Kritik an
den Meinungen anderer. Zu 281 bemerkt er: ,die Kommentatoren
haben den wahren Sinn hier nicht erkannt';
zu 1529: ,Ich habe viele Erklärungen gefehen, die keinen
Sinn haben'; zu 2025: ,So habe ich diefen Vers erklärt,
und ich habe keine andere Erklärung gefunden, die ich
an die Stelle der meinigen fetzen würde'. Sehr beachtenswert
ift die Art, wie er — darin das Beifpiel der
anderen jüdifchen Bibelerklärer befolgend — feine Erläuterung
in Form einer Paraphrafe vorträgt, der die Textworte
eingewoben find. Ferner verdient hervorgehoben
zu werden, daß er am Schluffe der einzelnen Reden Hiobs
und feiner Freunde die gegenfeitigen Beziehungen zwifchen
Rede und Gegenrede erkennen zu laffen bemüht ift. In
feinem Kommentare tritt die grammatifche Seite fehr
j zurück; hingegen weift er vielfach auf den Parallelismus