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Ausgabe:

1906

Spalte:

4-5

Autor/Hrsg.:

Robertson, James

Titel/Untertitel:

Die Alte Religion Israels vor dem achten Jahrhundert v. Chr. nach der Bibel und nach den modernen Kritikern. 2. Aufl., hrsg. v. Conrad v. Orelli 1906

Rezensent:

Steuernagel, Carl

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Theologifche Literaturzeitung 1906 Nr. r.

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find einzeln genommen vielfach heterogen oder von einer
wenigfagenden Kleinheit. Diefes Kleine an feinen Platz
und zur Geltung zu bringen, ohne es innerhalb des großen
Baues der Gefamtdarftellung aufdringlich werden zu
laffen, das ift m. E. dem Verfaffer gut gelungen. Er hat
mehr als bloß Kärrnerarbeit getan, er hat verfucht in
Verbindung zu bringen, was ihm der Verbindung fähig
fchien. Er mag dabei hin und wieder feiner Kombinationsgabe
zu freien Spielraum gewährt haben, zumal wo
er in Kap. I von den Beziehungen der Philifter in der
Pentapolis zu Ägypten in der Zeit vor Ramfes III fpricht,
— im ganzen ift er mit großer Umficht und gutem Blick
zu Werk gegangen, ich will nur z. B. hervorgehoben
haben, wie fein er den Einfluß der Handelsintereffen
auf die Politik Philiftäas und feiner Beherrfcher in der
Abwickelung des Gefchichtsverlaufes zur verdienten Geltung
kommen läßt.

Seinen Stoff verteilt Noordtzij auf 6 Kapitel: Name
und Abftammung (S. 13—60), das durch die Philifter
befetzte Gebiet (S. 61—77), inre Sprache und ihre Religion
(S. 78—101), ihr bürgerliches und gefellfchaftliches
Leben (S. 102—120), ihre Gefchichte von ihrem erften
Auftreten bis auf Alexander (S. 121—179) und von
Alexander bis zum Kommen des Islam (S. 180—244). —
Ich muß mich im Folgenden mit einigen Andeutungen
begnügen.

DTllöbS, fagt Noordtzij (S. 17), muß der Name fein,
den fich das Volk felbft gab, da ihn alle andern Völker,
die mit ihm in Berührung kamen, gebraucht haben. Er
hält ihn aber, da er auf eine Wurzel von 4 Konfonanten
weife, für nichtfemitifchen Urfprungs. Überhaupt ift —
das fucht Kap. III zu zeigen, — die Phihfterfprache von
Haufe aus nicht femitifch; fie verrät nur, wie eine Unter-
fuchung der in den Keilinfchriften vorkommenden Eigennamen
im Gegenfatz zu den im A. T. enthaltenen (vgl.
auch )~Ü — xvQuvvoq) ergibt, einen zunehmenden Semi-
tifierungsprozeß. Das heißt aber, daß mit den Philiftern
ein urfprünglich nichtfemitifches Volk allmählich in femi-
tifche Kultur hineingewachfen ift. Urfprünglich nämlich
waren fie ein durch gemeinfchaftliche Intereffen getriebener
Komplex von Stämmen indogermanifcher Abftammung
, das Hauptvolk, das dem Ganzen den Namen
verlieh, die Purafati, die einft auf Kreta (= Kaphtor =
ägypt. Kefto) wohnten, Stammverwandte der Etcocretes
Homers. Schon frühe zog ein kleiner Teil von ihnen
aus uns unbekannten Gründen nach der paläftinenfifchen
Külte, wo fie fich der Umgegend Gerars bemächtigten.
Durch Nachfchübe brachten fie es dazu, ftatt felber in
kanaanitifchen Elementen aufzugehen, diefe vielmehr in
fich aufzunehmen, und dehnten fich nordwärts aus, wiederholt
unter ägyptifcher Botmäßigkeit.

Einen entfprechenden Semitifierungsprozeß wie ihre
Sprache machte ihre Religion durch. Hier intereffiert
namentlich die Ausführung über Dagon bezw. fein Verhältnis
zum affyrifchen Dagan, diefer, iemitifchen Urfprungs
, u. a. in Harran verehrt, ein Himmelsgott, jener
ein Fifchgott. ,Wie und wo der Himmelsgott zum Fifch-
gott wurde, läßt fich nicht mehr feftftellen. Als nicht
unwahrfcheinlich kommt mir vor, daß diefer Himmelsgott,
der als Regenfpender dann auch Symbol der Fruchtbarkeit
war, langfamer Hand mit den Korngöttern in Verbindung
gebracht wurde, wie man auch den Himmelsherrn
der Hethiter in Tarfus mit der Ähre in der Hand
findet, und mit unter dem Einfluß babylonifcher Vor-
ftellungen durch die Philifter zum Fifchgott umgebildet
wird' (S. 94). Ebenfo ift vielleicht erft als Paredros
Dagons Derketo Fifchgöttin geworden, was fie urfprünglich
nicht war (S. 97). — Wie die Philifter die in ihrer
Mitte wohnenden Äutochthonen in fich aufgenommen
hatten, fo ,wurden fie ihrerfeits durch die aus dem Süden
nachdrängenden Araber überwunden. Daraus bildete
fich allmählich ein neues Volk, das inzwifchen ftark den
Einfluß der in feiner Mitte wohnenden Griechen erfuhr.

Dadurch wurde die alte Triebkraft, die urfprünglich auf
die Erlangung der Hegemonie gerichtet war, auf ein
anderes, erhabeneres Ziel gelenkt. Die Philifterftädte
wurden die Vorpoften des Hellenismus, und nirgends hat
diefer mehr Eingang gefunden und länger ftandgehalten
als eben in der Pentapolis' (S. 180).

Groß, m. E. viel zu groß ift des Verfaffers Vertrauen
in die Angaben der Chronik (vgl. z. B. S. 125 A. 150.
154. 170. 180); der gleichen Wurzel entfpringt, was er
S. 132 von der Stiftshütte in Gibeon fagt. Auch in der
Verwendung von Stellen aus Joel (S. 156. 182 A. 184)
oder Sach. 9 (S. 163) vermag ihm nur zu folgen, wer mit
ihm an ihren vorexilifchen Urfprung glaubt. Dagegen
will ich gegen feine Datierung von Jer. 2520 (fo ift S. 168
ftatt 25 21 zu lefen) keinen Widerfpruch erheben. — S. 163
läßt er König Jamani von Asdod bei Ägypten Hülfe
fuchen; wenn aber irgendwo, fo ift in diefem Falle unter
Musri, welches, wie es in Sargons Prunkinfchrift heißt, ,an
der Seite von Meluha liegt', nicht Ägypten fondern der
arabifche Handelsftaat diefes Namens zu verliehen. Es
ift mir nicht bekannt, woher Noordtzij von einem fünfmonatlichen
Widerftand Gazas gegen Alexander weiß
(S. 71). DiodorXVII, 48 und Jofeph. Ant. XI, 8, 4 fpre-
chen ausdrücklich von einer zweimonatlichen Belagerung.
Ob die Beftimmung der Mitgift Cleopatras, der Gattin
des Ptolemäus V, richtig verstanden ift (S. 196T.), ift mir
zweifelhaft. — Merkwürdiger Weife lieft Noordtzij Am-
gar-ru-na ftatt Am-kar-ru-na = J1Sp9 (S. 70. 76). S. 65
A. 2 wundert er fich, daß die Ägypter 'Äskelna = jlbplöl?
ftets mit s ausgefprochen, während Israeliten und übrige
Semiten ein sj (= s) gehabf hätten. Letzteres trifft aber
für das keilinfchriftliche Material keineswegs ganz zu. In
den Sargon-Annalen wird die Zahl der mit Hanno von
Gaza Deportierten auf 9033, nicht 9633 (S. 161) angegeben.
S. 18 Z. 8 v. u. muß es ft. Kafthorim heißen: Kasloechim.
Sonft ift mir an Druckfehlern aufgefallen: S. 75 A. 3
Jozefus, Antt. XVII, II 3 ft. II 5; S. 181 Z. 15. v. o. Neh. 47
ft. 41; S. 200 Z. 15 v. o. 1 Makk. m ft. 3«. — Nicht
erwähnt hat Noordtzij, daß unfere als ,Schalotten' bekannten
kleinen Zwiebeln durch ihren Namen noch ihre
urfprüngliche Herkunft aus Askalon verraten! — Ungern
vermißt man am Schluffe eines Buches, in welchem fo
viel heterogener Stoff verarbeitet ift, das übliche Regifter.

Bafel. Alfred Bert hol et

RoberHon, Prof. D. James, Die Alte Religion Israels vor dem
achten Jahrhundert v. Chr. nach der Bibel und nach den
modernen Kritikern. Deutfche Ueberfetzung. Zweite
Auflage, mit Erlaubnis des Verfaffers revidiert und
herausgegeben von Prof. D. Conrad v. Orelli. Stuttgart
, J. F. Steinkopf 1905. (VII, 367 S.) gr. 8° M. 4.20

Der Text der erften Auflage (1896) ift in der vorliegenden
zweiten im ganzen unverändert geblieben. Hier
und da ift der Stil geglättet, einige unwesentliche Stücke
find geftrichen. Von Änderungen im Text find zu erwähnen
: S. 194L" die Umarbeitung des Abfchnittes über
die Herleitung des Jahwaenamens aus der affyrifch-baby-
lonifchen Religion, von v. Orelli ergänzt durch eine
auf Delitzfch, Babel und Bibel, 1902, Bezug nehmende
Anmerkung, und S. 361 f., wo der Verfaffer jetzt ver-
fpricht, aus den neueren archäologifchen Entdeckungen,
befonders den Amarnabriefen und dem Codex Hammu-
rabi, eine Stütze für die Anficht zu liefern, daß die Vorfahren
Israels in Chaldäa wohnten und mit den Aramäern
und Arabern verwandt waren, daß für ihre Auswanderung
aus Chaldäa auch religiöfe Gründe maßgebend waren,
und wo er behauptet, dies fei der Thefe günftig, daß die
reinere femitifche Urreligion fich bei Israels Vorfahren
am unverfalfchteften erhalten habe. Zahlreicher find die
neuen Zutaten des Überfetzers in den Anmerkungen
(S. 55- 91- 93- 132. 135- l&7- 188. 194. 224. 247. 273. 299).