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Ausgabe:

1906 Nr. 8

Spalte:

243

Autor/Hrsg.:

Maier, Friedrich

Titel/Untertitel:

Der Judasbrief. Seine Echtheit, Abfassungszeit und Leser. Ein Beitrag zur Einleitung in die katholischen Briefe 1906

Rezensent:

Harnack, Adolf

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243 Theologifche Literaturzeitung 1906 Nr. 8. 244

des Wortes tlöcoXod-vxa den jakobeifchen Ausdruck
dXiOyy/iaxu xmv ddcöXcov oder döcoXoXuxgda, ftatt des
dxcexsG&cu das paulinifche (pevyeiv (I Kor. 1014 . . . .),
ftatt des cäfia: tpovog gebraucht, fo wäre ein Mißver-
ftändnis ausgefchloffen gewefen'. Der Wert des Buches
beftcht darin, daß es die bisher ausführlichfte und ge-
diegenfte Begründung des D-textes bietet, weiter darin,
daß es, wie fchon angedeutet, umfangreiche Materialien-
fammlungen enthält, endlich darin, daß es wertvolle Ausblicke
auf die Gefchichte der alten Kirche (Sittenzucht,
Speifeobfervanzen) tut.

Marburg i/H. Rudolf Knopf.

Maier, Friedrich, Der Judasbrief. Seine Echtheit, Ab-
faffungszeit und Lefer. Ein Beitrag zur Einleitung in
die katholifchen Briefe. (Biblifche Studien. Herausgegeben
von O. Bardenhewer. Elfter Band, erftes
und zweites Heft.) Freiburg i. B., Herder 1906. (XVI,
188 S.) gr. 8° M. 4.40

An Umficht und exegetifcher Genauigkeit hat es der
Verfaffer nicht fehlen laffen; die Auseinanderfetzung mit
den Hypothefen anderer ift umfaffend und gründlich;
die Polemik häufig zutreffend und fördernd (fo gegen
Zahn und Spitta fowie gegen die Vertreter der Pfeudo-
nymitätshypothefe). Aber von der Richtigkeit der Thefe,
welche Maier verteidigt, habe ich mich leider nicht zu
überzeugen vermocht. Alles kommt darauf an, ob man
mit Maier die konkreten Züge der im Briefe bekämpften
Irrlehrer wefentlich auf v. 4 befchränken, in allen übrigen
aber lediglich rhetorifche bez. biblifch-apokalyptifche
Ausmalungen ohne tatfächliche Unterlagen fehen darf.
In diefem Falle find die Irrlehrer ohne Schwierigkeit in
jedem Jahrzehnt des apoftolifchen Zeitalters unterzubringen
. Mir fcheint aber die Annahme einer lediglich
,idealen' Zeichnung der Irrlehrer ganz unmöglich — die
Wucht und damit letztlich der ganze Zweck des kleinen
Briefs wird zum Rätfei —, und fo vermag ich bereits
den Ausgangspunkt der Kritik des Verfaffers nicht anzuerkennen
, ebenfo wenig aber auch feine Deutung von
v. 3. 17. 20. Dagegen ift ihm in manchen, nicht unbedeutenden
Einzelheiten recht zu geben, vor allem in
der Verhältnisbeftimmung zwifchen Judas und 2. Petrus.
Stil und Gedankenfolge des Verfaffers find nicht überall
fo klar wie es wünfchenswert.

Berlin. A. Harnack.

Rendtorff, Klofterpred. Studienrekt. Prof. Lic. theol. F. M.,
DieTaufe imllrchriftentum im Lichte der neueren Forlchungen.

Ein kritifcher Bericht. Leipzig, J. C. Hinrichs'fche Buchhandlung
1905. (III, 55 S.) 8° M. 1.20

Der hier vorliegende Vortrag, im Druck mit vielen,
z. T. ausführlichen Anmerkungen verfehen, gibt einen
Bericht über die neuen Forfchungen zur urchriftlichen
Taufe, der von guter Kenntnis der einfchlägigen Literatur
zeugt. Aber nicht nur einen Bericht. Als .kritifcher
' Bericht läßt er des Verfaffers eigene Pofition erkennen
und liefert fomit einen pofitiven Beitrag zu der
Frage, den man freudig begrüßen wird, auch wenn man
ihm in wichtigen Punkten nicht zuftimmen kann. Rendtorff
behandelt I. den .urfprünglichen Sinn der Taufe'
(S. 5—37), 2. ,die Entftehung der T. in der chriftlichen
Gemeinde' (S. 37—47), 3. den .Vollzug der T. in der Ur-
chriftenheit' (S. 47—55).

Der erlfe Abfchmtt ift zweifellos der intereffantefte.
Ganz mit Recht will der Verf. nicht von Matth. 28 fy,
fondern von den Paulusbriefen ausgehen. Nur mit
Freude kann ich es begrüßen, daß er die Formeln
ßajtxi^eO&ai kv, em xä> ovofiaxi und elg ro dvo/ia nach
der von mir gegebenen Erklärung verlieht und diefe

j auch gegenüber den Einwendungen von Brandt und
Böhmer aufrecht erhält. Noch erfreulicher und wichtiger
aber ift es,.daß er mit mir ganz energifch die ex-
hibitive Bedeutung der paulinifchen Taufe betont: die
Taufe, wie Paulus fie verfteht, veranfchaulicht nicht nur,
fondern ,bewirkt realiter' und bedingt die Wirkungen,
die mit ihr verbunden erfcheinen. Während R. fomit
in der Fcftftellung des .exegetifchen Befundes' fich an
die neuefte, fpeziell von .religionsgefchichtlicher' Seite
kommende Forfchung anlehnt, wendet er fich nun mit
aller Energie gegen die ,religiöfe Deutung' diefes Befundes
und ,feine Eingliederung in einen größeren reli-
gionsgefchichtlichen Zufammenhang', wie fie von diefer
religionsgefchichtlichen Seite verfucht find (S. 16 ff.). Er
gibt zunächft einen Bericht fpeziell über meine diesbezüglichen
Anfchauungen, aus dem man trotz mancher
Entgleifungen das Beftreben merkt, dem hart bekämpften
Gegner gerecht zu werden. Ich erfcheine allerdings noch
,religionsgefchichtlicher', als meine Ausführungen es verraten
dürften, ich habe nicht behauptet, daß die urchrift-
liche, nun gar die paulinifche Taufe fich reftlos aus internationalem
Namen- und Wafferglauben erkläre und jeder
Originalität entbehre ufw., aber darauf kommt es hier
nicht an, fondern auf die eigene Ausführung des Verfaffers
. Und fie verfpricht viel. R. will nämlich, im
Gegenfatz zu mir, nachweifen, daß es .religiös-fittliche
Vermittlungen' find, ,in welchen (bei Paulus) die Taufwirkung
erlebt und vorgeftellt wird', und weiter, mit
v. Dobfchütz (Sakrament und Symbol im Urchriften-
tum, Stud. u. Krit. 1905, 1 ff.), daß die Taufe ,eine völlig
eigenartige, in ihrem innerften Wefen aller religionsgefchichtlichen
Analogie entbehrende, weil auf dem
Boden der chriftlichen Offenbarungsreligion original er-
wachfene Größe' ift. Und zwar meint er das erreichen
zu können durch eine Darfteilung der paulin. Taufaus-
fagen ,nach den Gefetzen einer religiöfen Pfychologie',

| durch eine Analyfe der ,pfychologifchen Bedeutung des
Tauferlebniffes': es gilt .unmittelbar nachzuerleben, was

i nach unfern Quellen in einer paulin. Gemeinde ein Chrift
in feiner Taufe erlebte'. Diefe pfychologifche Darfteilung
des Tauferlebniffes eines paulinifchen Chriften, die R.
in engem, allzu engem Anfchluß an Joh. Müller, Das
perfönl. Leben in den paulin. Gemeinden S. 242 ff. verfucht
, ergibt nun in der Hauptfache folgendes — ich
bitte dabei zu beachten, daß die paulinifchen Briefe als
Quelle gedacht find —: Für den Heiden, der von Chriftus
ergriffen worden ift, war die Taufe in erfter Linie eine
.Bekenntnishandlung'; ,im Prozeß feines Chriftwerdens'
ftand er bei dem Taufakt vor der .fundamentalen Lebens-
entfcheidung'. Und zwar bezog fich diefe Selbftentfchei-
dung ,zunächft (Sic) auf die xaivoxyg xyg C,ojyg, die neue
ethifche Lebensverfaffung, die nun an die Stelle der
jcaXaiöxyg feines früheren Lebens treten follte'. Es beruhte
hier .alles auf dem fittlichen Gedanken der Selbft-
entfcheidung'; im Unterfchied von den äußerlich .ähnlichen
Einführungsakten in den Myfterienkulten' vollzog fich das,
.wasdortals einwirkungskräftigesRitual auf dem Boden der
Zauberei fich abfpielte, hier durchaus als eine fittliche
Tat im Gebiet des perfönlichenWillenlebens'. Und dann:
.indem nun fo der Taufakt die ftärkften fittlichen Motive
auslöfte, wurde er eben damit zu einem religiöfen Erlebnis
erften Ranges. Der Getaufte erfuhr fich nämlich
. . . mit einem Schlage als von Sünde und Schuld
gereinigt' ufw.— Ich will hier nicht über den Wert folcher
pfychologifchen Analyfen für die hiftorifche Forfchung
ftreiten: jedenfalls ift klar, daß fie die allergrößten Gefahren
haben, befonders wenn es fich um fo weit zurückliegende
Zeiten handelt und wenn relativ fo wenige Andeutungen
in den Quellen vorliegen wie hier. Daß der
hier gemachte Verfuch jedenfalls mißlungen ift, ergibt
fich m. E. ohne weiteres aus dem Bericht. Wenn ein
derartiger Verfuch überhaupt wiffenfchaftlichen Wert be-
anfpruchen will, muß er fich in erfter Linie auf das aller-