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Ausgabe:

1906 Nr. 7

Spalte:

214

Autor/Hrsg.:

Bohatec, Josef

Titel/Untertitel:

Zur neuesten Geschichte des ontologischen Gottesbeweises 1906

Rezensent:

Mayer, Emil Walter

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213

Theologifche Literaturzeitung 1906 Nr. 7.

214

Unterfchätzung der Sünde (bloß Mangel, Störung), der
religiöfen Vorfiellungen und Begriffe und des objektiven
Wahrheitsgehaltes der rel. Bilder.

III. befpricht das Verhältnis von Religion und
Gefchichte. Mit frommer Kühnheit gliedert Herder
das Chrifientum, an dem er wie bei allen Religionen notwendige
zeitliche Schale und bleibenden ewigen Kern

Bohatec, Lic. Dr. Jofef, Zur neuelten Gefchichte des onto-
logifchen Gottesbeweifes. Leipzig, A. Deichert Nachf.
1906. (63 S.) gr. 8° M. 1.20

Wie der Titel befagt, will die kleine Brofchüre einen
Beitrag liefern ,zur neuefien Gefchichte des ontologifchen
Gottesbeweifes'. Allerdings werden nur zwei moderne

unterfcheidet, in den Gang der Religionsgefchichte ein. j Verfuche befprochen, der von A. Dorner und der des
Aus diefen r'.-g. Grundfätzen, die er bei der idealifierten Philofophen Claß. Der Verf. iß fich dabei durchaus be-
Urgefchichte, dem Urchrifientum und dem Mittelalter ! wüßt, daß die Argumentation des letzteren wefentlich
glücklich durchführt, ergibt fich feine Stellung zu den I dem ,Bereiche des ethifchen und hiftorifchen Beweifes'
hiß. Normen des Chr'ißentums. Er kennt keinen ,Kanon', angehört; wenn er fie trotzdem als eine Modifikation des
keinen atomißifchen Schriftbeweis, fondern freut^fich der | ontologifchen Beweifes auffaßt und kennzeichnet, fo ,ge-

fchieht das darum, weil die Eruierung der Gottesidee
den Ausgangspunkt und die Grundlage des ganzen Verfahrens
Claß' bildet, und weil diefe auf dem Wege des
reinen Denkens gewonnene Idee für ihn die Norm iß,
nach welcher die in der Erfahrung gegebenen, die Realität
Gottes bezeugenden Merkmale auf ihre Richtigkeit
unterfucht werden'.

Die Schrift iß fo disponiert, daß zuerß die Gedanken
A. Dorners dargelegt und kritifiert werden, dann ebenfo
diejenigen Claß', wobei dem Verhältnis des Erlanger
Philofophen zu Kant und Hegel befondere Aufmerkfam-
keit gewidmet wird.

Das Ergebnis faßt der Autor felbß dahin zufammen:
,die befprochenen Beweife Dorners und Claß' haben uns ...
gezeigt, wie unfer diskurfives Denken mit feinem unermüdlichen
Trieb zur Einheit doch zur letzten Einheit
und höchflen Subßanz führt. Allerdings nur fo weit.
Wenn wir zu beßimmen fuchen, wie diefe befchaffen
iß, fo redet entweder unfer wertendes Gemüt mit, oder
wir tragen endliche Elemente in das Wefen des Unbedingten
hinein, hypoßafieren und beleben die Kategorien
nach unferen menfchlichen Analogien'. Um einen Akt
des Vertrauens, fpeziell um gläubige Aufnahme der in
Jefus dargebotenen Offenbarung kommt man alfo im
Chrißentum nicht herum.

Wenn damit bei aller Anerkennung der dem Intellekt
zufallenden Bedeutung die Thefe verfochten wird, daß
die religiöfe Überzeugung in letzter Infianz im Gemütsund
Willensleben wurzelt, fo kann dem Ref. nur zußim-
men. Das iß ja heute nahezu Gemeinplatz geworden.
Zu bedauern iß allerdings, daß die Sprunghaftigkeit und
Inkohärenz der mit Zitaten überreich gefpickten Dar-
flellung den Gedankengang oft nicht klar genug zutage
treten läßt. Welche pofitive Auffaffung von dem Werte
des Todes Jefu beifpielsweife der_ Claßfchen gegenüber-
geßellt wird, dürfte aus den an Äußerungen Feines anknüpfenden
Ausführungen des Verf.s nicht leicht zu erkennen
fein. Ob fie dem Worte Jefu, auf das fie anfpielt,
gerecht wird, bleibt mindeßens fraglich.

Straßburg i. E. E. W. Mayer.

Fülle biblifcher Individualitäten, und es iß fein Charisma,
mit dichterifcher Intuitionskraft die Vergangenheit lebendig
zu machen (Beifpiele Gen. I. 3. Cant). Den Ertrag
feiner genialen Exegefe des AT. hat Eichhorns Einleitung
der Theologie vermittelt. Fürs NT., wo er, mit glücklichem
Griff den Parfismus heranziehend, Begriffs- und
Bilderwelt der orientalifchen R.-G. einordnet, fehlt noch
ein folcher Dolmetfch. — Bleibend bedeutungsvoll iß
die Bibel als Galerie religiöfer Perfönlichkeiten, gefchart
um Chrißus, die unfern Glauben wecken und nähren.
Nicht Wunder- und Weisfagung ßellt ihren Wert und
ihre Wahrheit feß, fondern unfre Empfindung, der die
Offenbarung in ihr ,Tatfache' wird, nur eine deutlichere,
wie die in der Natur. Die fymb. Schriften find bedeutungsvoll
als Urkunden geißiger Kämpfe. Ideal der Ge-
fchichtsfchreibung iß, ,den Gang Gottes über den Nationen
zu zeigen'. H. ahnt eine wirkliche Entwicklung, Erziehung
des Menfchengefchlechts (Leffing fcheint anzuknüpfen),
obwohl er zuweilen jeden Fortfehritt der Religion leugnen
möchte.

IV. weiß die gelegentlichen Umprägungen der
ehr. Glaubensgedanken nach (die Dogmatik blieb H.
ziemlich gleichgültig). Unter Ablehnung jeder inner-
trinitarifchen Spekulation werden Sohn, Wort ufw. als
Bilder behandelt. Trotz pantheißifcher Anklänge und bei
aller Immanenz behalten Gott und Seele ihre Selbßändig-
keit. Die Vorfehung iß gefühlsmäßig gewiß und die
individuelle ßets auf der allgemeinen bafiert. Ein religiös
gedeuteter Determinismus, der flarke fpinozißifche Ein-
flüffe kundgibt, nimmt dem Gottesbegriff dennoch nicht
Individualität und Lebendigkeit, freilich nicht ohne peinliches
Schwanken, das fich auch in den Äußerungen über
das individuelle Fortleben zeigt. Die Gewißheit der Un-
ßerblichkeit wird wefentlich fubjektiv begründet auf einer
Art Wertgefühl und ahnendem Verfländnis; fie bleibt
Frucht fittlich-religiöfer Entwicklung. Neben der Betonung
des fließenden Charakters der neuteßamentlichen Bilderwelt
, die er geiflig verflehen will, behauptet H. die Gottheit
Chrifli im Sinn eines gewiffen Modalismus. Den
Höhepunkt religiöfer Ergriffenheit aber erlebt er ßets vor
dem Charakterbild Jefu, der nicht bloß Vorbild, fondern
vermittelnder Träger der Offenbarung iß (/Vorbildung',
auch ,Urbild'). Doch fehlen auch hier die naturhaften
Kategorien nicht.

Das Buch fchließt mit einer wiederholten Anglie-
derung H.s an Aufklärung und Pietismus, an Hamann
und Lavater, und einem Ausblick auf Schleiermachers
Weiterbau auf den H.fchen Grundlagen, wie auf den
Ertrag der Arbeit H.s für die neuere deutfehe Bildung. —

Romundt, Dr. Heinrich, Kirchen und Kirche nach Kants
philofophilcher Religionslehre. Gotha, E. F. Thienemann
1903. (V, 199 S.) gr. 8° M. 4 —

Der Verf. hat bereits früher eine Reihe von Auffätzen
und Abhandlungen veröffentlicht über Kants Philofophie
und Religionslehre. Insbefondere hat er die beiden erßen
Die fchöne, auf ausgebreitetßen Studien beruhende Schrift j Stücke der ,Religion innerhalb der Grenzen der bloßen

wird Herder, den Theologen, noch anders als bisher für , Vernunft' einer Erörterung unterzogen in feiner Schrift
die Arbeit der Theologie an Vergangenheit und Gegen- /Kants philofophifche Religionslehre eine Frucht der

wart fruchtbar machen. Wünfchenswert wäre ein Namen-
regißer gewefen, und auch die Frage fei erlaubt, ob die
fympathifch glatt fließende ßoffreiche Darßellung nicht
durch ßärkere Schattierung und Kontraßierung der Ge-
dankenmaffen an Deutlichkeit und Eindruck gewonnen
hätte.

Lobberich. Alfred Zilleffen.

gefamten Vernunftkritik. Gotha, 1902'. Eine Art Fort-
fetzung diefer Publikation bildet nun das vorliegende
Buch. Es erweiß fich als ein ausführliches Referat über
die beiden letzten Stücke der ,Religion innerhalb der
Grenzen der bloßen Vernunft' und als eine begeißerte
Apologie ihres Inhalts. Dem entfprechend zerfällt das
Ganze in zwei Teile. Wie genau fich der Autor aber
auch fonß an den Gang des von ihm befprochenen