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Ausgabe:

1906

Spalte:

205-207

Autor/Hrsg.:

Werminghoff, Albert

Titel/Untertitel:

Geschichte der Kirchenverfassung Deutschlands im Mittelalter. 1. Bd 1906

Rezensent:

Keller, Siegmund

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20S

Theologifche Literaturzeitung 1906 Nr. 7.

206

[Severus.] Vie de Severe par Jean superieur du monastere
de Beith-Aphthonia, texte syriaque publik, traduit et
annote par Mr. A. Kugener, suivi d'un recueil de
fragments historiques syriaques, grecs, latins et arabes
relatifs ä Severe. [Patrologia orientalis tomell, fasc. 3.]
Paris, Firmin-Didot 1905. (p. 205—40x5) gr. 8° fr. 11.90
Die Vita des antiochenifchen Patriarchen Severus
(512—518 a. D.) aus der Feder des Zacharias Scholafticus
ift fchon früher von Kugener (in derfelben Sammlung
tom. II fasc. 1) p. i —115 ediert und an diefer Stelle
befprochen worden. In dem vorliegenden kürzlich er-
fchienenen Hefte erhalten wir eine zweite Biographie
(S. 207—264), und eine Sammlung der auf Severus bezüglichen
Abfchnitte aus anderen fyrifchen Schriftftellern,
wie Zacharias Rhetor (S. 267—298), Johannes von Afien,
der Chronik von Edeffa, dem Uber Chalipharitm, Jaqob
von Edeffa, Elia von Nifibis, Michael Syrus (S. 298—315),
famt einer Reihe von Exzerpten aus Parifer und be-
fonders Londoner Manufkripten (S. 316—331). Hierauf
folgen griechifche und lateinifche Texte (S. 335—396),
fchließlich arabifche (S. 397—400). Ganz gelefen habe
ich nur das Syrifche und Arabifche (S. 207—331. 397
bis 400) und die beigegebene Überfetzung hier und da
verglichen. Wie von der früheren Publikation Kugeners
muß auch von diefer gefagt werden, daß die Ausgabe
durchaus zuverläffig ift, und daß er auch fchwierige
Stellen richtig verftanden hat. Die cruces auf S. 223. 279
zu heilen ift auch mir nicht gelungen. Darum habe ich
nur weniges zu bemerken. S. 214 1. 8 ift für ,bourbier'
zu lefen ,tbtebres (sbsny); S. 220 für nbyn« 1. pbyn«;
S. 225 für ,tris-affiige par cette demande' überf. ,als er
fich weigerte, feinem Wunfche zu willfahren'; S. 234, lin.
3 v. u. 1. jnisa oder yrTrö; S. 235, 2 1. pM, vgl. P. Smith
1756; S. 244, 4 v. u. für «ni3Dp3 ift die gewöhnliche Form
«ni3p3 oder «ni3r"Qp3; S. 252, 4 an Stelle von ,des coups
d'epees donnes dans teau' bietet der Syrer eigentlich
.Schriftzüge ins Waffer gefchrieben'; S. 262, 2 DB"! heißt
nicht lediglich ,sc rejouir', fondern ,vor Freude trampeln';
276, 8 für XrVDDCD 1. «rrDOD«; S. 282, 2 «nibiro ift Wiedergabe
einer byzantinifchen Würdebezeichnung, etwa
serenitas, 312 u. 1. «131*31, 317, 3 «i31Tpb3. Das oben
zitierte jJber Chalipharum' ift jetzt am leichterten zugänglich
in der Ausgabe von Brooks und Chabot im
Corpus Script. Christian. Oriental. Ser. III. Tom. IV, Paris
1904. Die arabifchen Texte find ftark vom Vulgär beeinflußt
(vgl. z. B. das Fehlen oder mißbräuchliche Setzen
der Kafusendungen, das Fragewort ufw.) und durchweg
aus dem Syrifchen überfetzt, zum Teil mit fklavifcher Nachahmung
der fyrifchen Phrafeologie, z. B. jjjt vorübergehen
'. Lj^äj fterben (= fyr. ni3fifi«), ^.jJvJ! ^

«m-ID byb ya u. a. m. Was den Inhalt betrifft, fo enthält
diefes Heft zwar auch intereffante Einzelheiten —
ich hebe hervor S. 215. 217. 238. 254. 259. 287 — es ift
aber in diefer Beziehung mit dem erften Teile nicht im
entfernteften zu vergleichen. Der Herausgeber hat die
Abficht, uns auch noch mit Einleitung, Kommentar und
Indices zu befchenken.

Gießen. Fr. Schwally.

Werminghoff, Priv.-Doz. Dr. Albert, Gefchichteder Kirchen-
verfaffung Deutfchlands im Mittelalter. Erfter Band. Hannover
, Hahnfche Buchhandlung 1905. (VII, 301 S.)
gr. 80 M. 7 —

Jeder Kirchenhiftoriker weiß, wie in den letzten
drei Dezennien die wiffenfchaftliche Spezialforfchung
die Kirchenverfaffung Deutfchlands im Mittelalter in
vielen wichtigen Punkten auf ganz neue Grundlagen ge-
ftellt hat; eine Arbeitsleiftung, die naturgemäß nicht bloß

diefes oder jenes Einzelinftitut, unabhängig von feinen
Beziehungen zur allgemeingefchichtlichen Entwicklung
der Kirche, in ein völlig neues Licht rückte, fondern das
wiffenfchaftliche Gebäude in feiner Gefamtheit von Grund
aus änderte. Es möge genügen, hier an die Schriften
von Ulr. Stutz zu erinnern, in welchen die bis dahin
nur von wenigen gekannte und gewürdigte Eigenkirche
zu einem Pfeiler der deutfchen Kirchenverfaffung erhoben
wurde. Bisher hatte fich aber niemand gefunden, der
die mühfelige, wenn auch dankbare Aufgabe auf fich zu
nehmen gewillt war, diefe neuen Grundlagen famt ihren
Neufchöpfungen — manchmal hatte es natürlich auch
mit Flickwerk oder bloß Verputz am alten Gebäude
fein Bewenden — in kurzer, zufammenfaffender und
überfichtlicher Weife zur Darfteilung zu bringen, fo daß
fich auch der Nicht-Fachmann im gegebenen Falle rafch
zu orientieren vermag und um weniger allgemeiner Züge
willen nicht erft das gefamte Chaos der weitzerftreuten
Literatur durcharbeiten muß.

Diefem bedauerlichen Mißftande ift jetzt abgeholfen.
Ein auch als Mitarbeiter der Monumenta fchon rühm-
lichft bekannter junger Gelehrter, Alb. Werminghoff in
Greifswald, hat neueftens einen Grundriß herausgegeben,
der die bezeichnete Aufgabe in der glücklichften Weife
löft. W.s Vorbilder find, feinen eigenen Worten zufolge,
Brunners Grundzüge der deutfchen Rechtsgefchichte und
K. Müllers Kirchengefchichte gewefen, und ich glaube,
die Meifter brauchen fich ihres Schülers nicht zu fchämen.
Klarheit, Überfichtlichkeit und eine vorzügliche Literaturauswahl
(.Auswahl' infofern, als die ältere Literatur fehr
zurückgedrängt ift zugunften der neueren und neueften,
die mit großer Vollftändigkeit gegeben wird), find in die
Augen fpringende Vorzüge des fleißigen Buches. Bei
der großen Mannigfaltigkeit des verarbeiteten Stoffes ift
natürlich nicht zu verlangen, daß fich alle Kapitel auf
ebenmäßiger Höhe halten. Faft will es mir fcheinen, als
ob mit der Schwierigkeit des Stoffes, mit der fteigenden

1 Fülle der Literatur, je tiefer wir im Mittelalter fort-
fchreiten, auch die geiftige Kraft des Verfaffers gewachfen
wäre: die Hauptpunkte zu erfaffen, das Nebenfächliche
zurückzudrängen und die gefchichtliche und dogmatifche
Entwicklung einerfeits üfjerfichtlich geordnet, anderer-
feits zu einer höheren Einheit verbunden, zum Ausdrucke
zu bringen. Kleinere Kapitel mit verhältnismäßig be-
fchränkter Literatur, wie z. B. § 28 Die Anfänge des Kar-
dinalats S. 129 ff. laffen manches zu wünfchen übrig;
trotz ftarker Anlehnung an Sägmüller kann man fich
nur fchwer darin zurechtfinden, und es wären manche
Details, die man nach dem heutigen Stande der Forfchung
doch nur mit einem angehängten Fragezeichen zu geben
vermag, beffer weggeblieben (hier auch zwei finnftörende
Druckfehler: S. 126 foll es doch wohl Ostiensis ftatt
Ortiensis heißen; S. 132 fino ftatt Eino).

Größere Abfchnitte hingegen — ich verweife bei-
fpielsweife auf § 35: Die geiftlichen Reichsfürften und
ihre Territorien; § 36: Die Landeshoheit der geiftlichen
Reichsfürften — find inhaltlich und ftiliftifch in eminent
gefchickter Weife gefchrieben, fo daß man bei flüchtigerem
Durchlefen höchftens durch die Fülle der vor-
ausgeftellten Literaturverweifungen daran erinnert wird,
was für eine umfaffende geiftige Spannkraft dazugehört,
folche in die Einzelheiten gehende Gefamtüberfichten
zu geben. Ganz befonders gilt dies vom letzten, zugleich
umfangreichften Paragraphen, ,die Städte und die
Geiftlichkeit', worin trotz einer endlofen Fülle von Ein-
zelbeifpielen, und trotzdem auf die Hervorhebung von

; lokalen Differenzen nicht Verzicht geleiftet worden ift,
dennoch die Überfichtlichkeit über den allgemeinen Gang
der Entwicklung der Kirchenverfaffung in den Städten
keineswegs gelitten hat, oder gar da oder dort verloren

j gegangen ift. Dielen fchwierigen Partus möchte ich geradezu
als muftergiltig bezeichnen.

Wir wollen es dem Verfaffer auch zum Lobe an-