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Ausgabe:

1906 Nr. 7

Spalte:

201-203

Autor/Hrsg.:

Heussi, Karl

Titel/Untertitel:

Atlas zur Kirchengeschichte 1906

Rezensent:

Köhler, Walther

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Theologifche Literaturzeitung 1906 Nr. 7.

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können, ,welche aus irgend einem inneren Drange (ich
für immer oder auf Zeit ganz dem Serapis und feiner
Verehrung geweiht haben') — ferner: über die ägyptifchen
Kultvereine (S. 125—133), über die griechifchen Kultvereine
(S. 165—170), und über die Befchneidungs-Urkun-
den aus nachhadrianifcher Zeit (S. 213—223). Letztere
zeigen uns nicht nur, daß feit dem hadrianilchen Verbot
der Befchneidung die Befchneidung der Priefter in jedem
einzelnen Falle der behördlichen Genehmigung bedurfte,
fondern auch, daß zum priefterlichen Dienft nurjolche
zugelaffen wurden, welche körperlich fehlerfrei (aörjfioi)
waren. Auch in diefer Hinficht fteht das ägyptifche
Prieftertum auf gleicher Linie mit dem jüdifchen (Lev.
2116-23, meine Gefch. des jüd. Volkes 3. Aufl. II, 230f.).
Göttingen. E- Schürer.

Heulfi, Dr. Karl, und Hermann Mulert, Atlas zur Kirchen-
gelchichte. 66 Karten auf 12 Blättern. Tübingen, J.
C. B. Mohr 1905. (18 S. Text.) Lex. 8° Kart. M. 4
Ein vielfach, auch in diefer Zeitfchrift geäußerter
Wunich ift in Erfüllung gegangen: wir haben einen modernen
Anfprüchen genügenden Atlas zurKirchengefchichte
dabei fo billig, daß dem Studenten die Anfchaffung ohne
Schwierigkeit möglich ift! 12 Blätter mit 66 Karten
(Kärtchen wohl manchmal eher) führen durch das Ge-
famtgebiet der Kirchengefchichte hindurch. 4 Blätter mit
22 Karten find der Entwicklung im Orient gewidmet.
Begonnen wird mit einer ,das Chriftentum im römifchen
Reich und in den örtlichen Grenzländern um 390' ver-
anfchaulichenden Karte (die einzelnen Diözefen in ver-
fchiedenfarbigem Druck), es folgen ,die Exarchien des
Oftens nach den Verordnungen von Konftantinopel 381
und Chalcedon 451'. Blatt 2 bringt ,Einzelkarten zur Ge-
fchichte der alten Kirche' (Syrien, Paläftina, Ägypten,
Alexandria im 3. und 4. Jahrhundert, Kleinafien um 451,
Südoft-Gallien, Mittel- und Unteritalien und Sizilien),
Blatt 3 ift vorwiegend den altorientalifchen Sekten gewidmet
(5 Karten: Zur Verbreitung der Neftorianer vom
5. bis 14. Jahrhundert, die kirchliche Lage in Weftafien am
Anfang des 7jhts., zur Gefchichte der Neftorianer inVorder-
afien, Syrien mit Mefopotamien im Mittelalter, Lateinifche
Bistümer weltlich vom Kafpifchen Meer im 14. Jht.), Blatt
4 den flavifchen Völkern (7 Karten: Miffion unter den
Slaven 867, die kirchliche Lage in Ofteuropa um 1090,
Kirchliche Einteilung der Balkanhalbinfel nach den Verordnungen
Juftinians, Untere Donauländer Anfang des
14. Jhts., das Vordringen der lateinifchen Kirche in
Rußland und am fchwarzen Meer im 14. Jht, die Grenze
der örtlichen und der werblichen Kirche vor 1386, die
Kirchen des Orients um 1900). Das erfte Blatt zur
abendländifchen Kirchengefchichte ermöglicht in Karte A
und B einen fehr inftruktiven Vergleich zwifchen der
kirchlichen Lage von 485 und 590, es folgen (C—G) die
kirchliche Lage 715, Britifche Infein 627—633, um 660,
um 715, das Gebiet des fränkifchen Reiches 814. Blatt
6 gehört den ,romaniIchen Ländern im Mittelalter' und
enthält u. a. eine Karte zur Gefchichte der Kluniazenfer-
reform. Blatt 7 ift betitelt: Germanifche Länder im
Mittelalter, behandelnd ,die Ausbreitung des Chriftentums
in Mittel- und Nordeuropa feit dem 9. Jahrhundert',
.Skandinavien und die Oftfeeprovinzen nach ihrer kirchlichen
Einteilung vom 12. Jahrhundert bis zur Reformation
', .Kirchliche Einteilung der britifchen Infein von
ca. 1100—1543'. Blatt 8 bietet Mitteleuropa vom Ende
des 12. Jahrhunderts bis zur Reformation, dazu u. a. eine
Sonderkarte für die m. a. Univetfitäten. Blatt 9 gehört
dem Papfttum (die Patrimonien der Kirche von Rom um
600, die Entftehung des Kirchenftaates, das Gebiet der
Markgräfin Mathildis von Tuscien, Rom im Mittelalter,
die fuburbikarifchen Bistümer, Avignon und die Graf-
fchaft Venaiffin, das Schisma von 1378, der Kirchenftaat

1S13—1797, 1797—1809, 1814/15—1870). Mit demeio.
Blatte wird Heulfi, der die bisherigen Karten bearbeitet
hatte, von Mulert abgelöft; es führt den Titel: ,Zur Gefchichte
der deutfehen Reformation und Gegenreformation'
und veranfehaulicht den Konfeffionsftand (Lutheraner,
Reformierte, Katholiken, Waldenfer, Schwarmgeifter) in
den Jahren 1529, 1541, 1555, 1566. Blatt 11 gibt 2 Karten
zur K.-G. des 17. und 18. Jahrhunderts, dazu 3, die den
allgemeinen europäi fchen Konfeffionsftand 1530, 1560,
1600 veranfehaulichen. Das Schlußblatt gilt der Gegenwart
und gibt eine Karte .Verbreitung der Religionen
um 1900', .Profteftantismus und Katholizismus im deutfehen
Reiche um 1900', .Organifation der kath. Kirche in Mitteleuropa
', ,Organifation und konfcfftoneller Sondercharakter
des Proteftantismus in Mitteleuropa'.

Die Reichhaltigkeit des Inhaltes diefes Atlas leuchtet
ein, ebenfo der ungemeine Fleiß der Bearbeiter. Man
bekommt faft einen Schrecken, wenn man fich vorhält:
,das hätteft du felbft einmal alles machen follen!' Des
aufrichtigften Dankes feien, wenn es deffen noch bedarf,
die Bearbeiter ausdrücklich verfichert.

Der Herr Verleger hat in liebenswürdigem Entgegenkommen
den Kirchenhiftorikern ein Exemplar zur Verfügung
geftellt mit der Bitte um Äußerung etwaiger
Wünfche für eine zweite Auflage. Es fei mir daher
geftattet, folche vorzubringen — immer natürlich unter
dem Gefichtspunkte, daß der Preis des Atlas nicht mehr
gefteigert werden darf. An der Spitze des Atlas muß
m. E. unbedingt eine Karte flehen, die die Ausbreitung
des Chriftentums in den 3 erften Jahrhunderten veranfehaulicht
. Heuffi hat diefen Gedanken felbft gehabt
(S. 7), ihn aber preisgegeben mit den Worten: ,wie will
man entfeheiden, ob das Chriftentum um 390 im Verhältnis
zur Einwohnerzahl z. B. in Phönizien ftärker oder
fchwächer gewefen ift, als in Paläftina?' Aber auf diefe
Intenfität der Ausbreitung kommt es gar nicht an
zunächft, fondern auf die Ausbreitung als folche, man
will fehen, wo damals überhaupt Chriften waren. Es
müßte eine Karte gefchaffen werden, der Hintergrund
weiß, die einzelnen Orte in verfchiedenen Farben unter-
ftrichen je nach dem Jahrhundert, in dem fie zuerft nachweisbar
find, wo Zahlen bez. Entftehung oder Stärke der
Gemeinden angegeben werden können, diefelben darunter
gefetzt, außer den .chriftlichen' Orten keine angegeben'.
Ferner hätte ich gerne eine Karte gefehen, die die grandiofe
Umwälzung der Säkularifationen des ig.Jahrh.s veranfehau-
lichtc. Der Student muß die Maffen fehen, die Napoleon
umgefchmolzen hat. Gut wäre es, wenn die .Bemerkungen
zu den einzelnen Kartenj, die jetzt zufammengefaßt am
Anfang flehen, jeweilig zu den betr. Blättern gefetzt
würden, vielleicht am bellen an den Rand gedruckt.
Ohne die Bemerkungen find die Karten nicht zu verliehen,
das Hin- und Her- Blättern ift aber läftig. Die gelehrten
Anmerkungen zu den Bemerkungen könnten entweder
fortfallen oder im Vorwort untergebracht weiden (S 9
lies VI F ftatt VI J). Zu Karte VII C habe ich eine
Farbenerklärung vermißt, offenbar follen die verfchiedenen
Farben die verfchiedenen erzbifchöflichen Gebiete angeben
. Verfchiedentlich würde fich empfehlen, die alpha-
betifche Bezeichnung der Karten nach der chronologi-
fchen Folge, nicht nach der Größe der Karten eines
Blattes vorzunehmen; z. B. Blatt 8 müßte Karte B mit
A figniert werden, vgl. Blatt Ii, wo Karte B—D überhaupt
nicht unter die Blattüberfchrift paffen. Übrigens
habe ich in Karte A diefes Blattes trotz des oben angegebenen
roten Zeichens keine Täufer entdecken
können, die doch als Mennoniten in den Niederlanden
u. a. anzugeben waren. Die Kleinheit der Karten läßt
das viele Gebotene oft quälend auf die Augen wirken
vgl. z. B. Karte VI C, aber das wird fich wohl nicht

) Die 2. Aufl. von Harnack's .Miffion' bietet Karten diefer Art

D. Red.

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