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Ausgabe:

1905 Nr. 6

Spalte:

172-174

Autor/Hrsg.:

Raeder , Ioa. (Hrsg.)

Titel/Untertitel:

Theodoreti graecum affectionum curatio 1905

Rezensent:

Jülicher, Adolf

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171 Theologifche Literaturzeitung 1905 Nr. 6. 172

Vorlage wird doch wohl verkannt, wenn S. 18 domns als
Vermögen in Mtth. 23 u (ihr frel.lt die Häufer der Witwen
auf) erklärt wird, weil olxoq im Griechifchen ,ganz gewöhnlich
' fo ftehe, oder S. 25 panis Jef. 282s = Brotfrucht,
wo Hieron. nur cnb genau wiederzugeben gedachte. Und
wer wird daraus, daß ip 43 is und Sap. 5 3 similitudo das
griechifche jiaQaßoli) = Gefpött erfetzen muß, mit K.
S. 28 fchließen, daß die Itala von einem des Lateinifchen
nicht vollkommen kundigen Ausländer herrührt? Minde-
ftens fo gut dürfte man auf mangelhafte Kenntnis des
Septuaginta-Griechifchenbei demÜberfetzer (nicht gleich
bei der Itala) fchließen, wahrfcheinlicher auf keins von
beiden, fondern nur auf den Vorfatz, möglichft wörtlich
zu überfetzen.

Als Handwerkszeug — ähnlich Bruders Konkordanz —
mag Kaulens Handbuch behufs Einführung in das Latein
der offiziellen kirchlichen Bücher empfohlen werden; daß
aber nur kein Philologe das Maß von Erkenntnis des
,Sprachcharakters' der Vulgara in den Kreifen der deut-
fchen Theologen, die befferen katholifchen mit einge-
fchloffen, nach diefer Publikation einfchätze: fie hätte im
wefentlichen ebenfo wie heute fchon 1804 ausfeilen können.

Marburg. Ad. Jülicher.

Sancti Hieronymi Presbyteri tractatus sive homiliae in Psalmos
quattuordecim. Detexit, adiectisque commentariis cri-
ticis primus edidit D, Germanus Morin. Accedunt
eiusdem Sancti Hieronymi in Esaiam tractatus duo
et graeca in Psalmos fragmenta. Item Arnobii junioris
expositiunculae in Evangelium nunc primum ex inte-
gro editae. Una cum praefatione et indicibus ad vol.
III part. II et III. (Analecta Maredsolana seu monu-
menta ecclesiasticae antiquitatis ex mss. codicibus nunc
primum edita aut denuo illustrata. Vol. III pars III.)
Maredsoli 1903. Oxoniae, apud J. Parker & Filium.
(XXI, 203 p.) 4"

In dem 3. Teil des 3. Bandes der Anecdota Maredsolana
legt der glückliche Finder, der Benediktiner Morin,
abermals eine Reihe von Hieronymushomilien vor, die
er bereits im 2. Band angekündigt hatte. Der jetzt vorliegende
dritte Band holt auch die dem zweiten Bande
fehlenden Prolegomena nach. Er enthält 14 Pfalmen-
homilien, 2 Jefaiahomihen und einige griechifche Fragmente
zu den Pfalmen, die den Namen des Hieronymus
tragen. Daß wir es bei den Pfalmenhomilien mit ficher
dem Hieronymus zuzuweifenden Werken zu tun haben,
beweift einmal ein Hinweis in der Homilie zu Pfalm 15
(S. 31), in der er feine hebräifchen Quäftionen zitiert,
dann aber auch die Sprache, die keinen Zweifel an der
Echtheit der Homilien aufkommen läßt. Während Morin
für die Homilien des 2. Bandes 8 Codices benutzen konnte,
hat er für die 14 Pfalmenhomilien diefes Bandes, die
bisher noch nicht veröffentlicht find, 4 Codices benutzt:
V. Cod. Vatic. Latin. 317 aus dem Jahre 1554, der 9 von
den 14 Pfalmenhomilien enthält, 0. Cod. Vatican. Ottobon
. Lat. 478 auch aus dem 16. Jahrhundert, der ebenfalls
die 9 Pfalmenhomilien enthält, aber nach Morin nicht fo
gut wie der Codex Vaticamis 317 ift, M. Cod. S. Marci
Venetiis Latin. 1. 94 foll. 139, der dem 12. Jahrhundert
angehört und diefelben 9 Homilien hat, aber deffen Text
beffer als der der beiden Vatikanifchen Codices ift, und
endlich L. Cod. Laurent. Medic. Florentin. Plut. XVIII.
XX. aus dem 11. Jahrhundert, der 6 von den 9 Homilien
enthält, die fich in den 3 Codices O. V. und M. finden, und
außerdem noch 5 Homilien, die fonft nirgends erhalten
find. Für die Homilien zu Pfalm 83. 90. 91. 93 und 95
find wir alfo auf diefe einzige Handfchrift angewiefen.
Die beiden Traktate zu Jefaia find bereits gedruckt, nur
hat Morin für die parvula adbrevatio in Esaiam noch
einen unbekannten Codex Bruxell. II, 1636 aus dem 10.

Jahrhundert aufgefunden. Den zweiten Traktat, den
Amellii90i herausgegeben hatte (f. meine Anzeige Theol.
Literaturzeitg. 1901 Sp. 50°fF), ediert er noch einmal und

| kommt betreff feines Urfprungs unabhängig zu demfelben
Refultat, das ich in obiger Anzeige als wahrfcheinlich

j bezeichnet hatte, daß diefer Traktat nicht mit dem brevzs

J et subitus tractatus des Hieronymus vom Jahre 381 iden-
tifch ift, fondern etwa aus dem Jahre 402 flammt, in dem
Hieronymus bereits gegen Origenes in der heftigften
Weife polemifierte. Auch bei den beiden Jefaiatraktaten
ift der Hieronymianifche Urfprung nicht zu bezweifeln.
Von den in diefem Bande herausgegebenen Predigten des
Hieronymus gilt dasfelbe, das wir bereits über die im
2. Bande vorliegenden Predigten bemerkt haben (f. Theol.
Literaturzeitg. 1898 Sp. 49). Man ift enttäufcht über die
Form bei dem fonft fo gewandten Stühlen, auch inhaltlich
find fie ohne Originalität. Vielleicht hat Hieronymus ab-
fichtlich in diefen vor der Mönchsgemeinde in Bethlehem
gehaltenen Anfprachen (f. Homilie zu Pf. 83 S. 39) alle
Rhetorik vermieden. Dadurch, daß er die Lesarten der
verfchiedenen' Überfetzungen der Pfalmen des öfteren
heranzieht, erweifen fie fich auch als für ein gelehrtes
Publikum gehaltene Anfprachen. Jedenfalls hat fich Hieronymus
nicht auf die Predigten vorbereitet. Und wenn
er fchon bei feinen Kommentaren vielfach dem Schreiber

| diktierte, was ihm in den Mund kam, fo wird er, der

j vielbefchäftigte. in dem intimften Kreife feiner Mönche
feine Predigten in der Regel extemporiert haben. Mönche

! haben dann die Homilien des angeflaunten Gelehrten
nachgefchrieben und, ohne daß er es wollte, in Abfchrif-

1 ten verbreitet. Auf diefe Nachfchrift gehen vermutlich

| manche Fehler befonders in hebräifchen Worten zurück,
während z. B. die falfche Zitation in der Predigt über
Pfalm 96 (S. 88), wo er 1 Joh. 1 2 als im Evangelium
Johannis flehend zitiert, als Gedächtnisfehler des Hieronymus
zu beurteilen ift. Wenn auch die Homilien für

| die Biographie des Hieronymus wenig enthalten, fo bedeutet
doch ihre Auffindung eine wertvolle Bereicherung
unfere Kenntniffe in mancher Hinficht. In den trefflichen
Anmerkungen hat Morin auf eine Reihe von Punkten hin-

i gewiefen. Scharf unterfcheidet z. B. Hieronymus mit
Ambrofius und Primafius die Wirkung der Taufe von der

[ Wirkung der Buße. Die Taufe tilgt unfere Sünden, die
Buße bedeckt fie durch gute Werke. Für die Textkritik

j ift es wichtig, daß Hieronymus Joh. 1 is in dem Traktat
zu Jefaia 6 (S. 108) die fonft bei den Lateinern nur bei

j Irenäus bezeugte Lesart hat: unigenitus dcus, qui est in
sinu patris, ipsc narravit. Weiter hat Morin griechifche

: Fragmente zu den Pfalmen aus dem Codex Taurinensis

gr. B. VII. 30 aus dem 11. Jahrhundert abgedruckt, die
die Überfchrift des Hieronymus, Presbyters von Jerufalem,
tragen. Ob fie wirklich auf den bekannten Hieronymus
zurückgehen, erfcheint mir doch zweifelhaft. Endlich fügt
Morin in einem Appendix die zum erften Male vollftändig
herausgegebenen Expositiunculae in Evangelium des Bi-
fchofs Arnobius des Jüngeren bei. Den Schluß machen
2 ebenfalls dem Hieronymus zugefchriebene Stücke de
monogramma Christi und ein Symbol, das eine merkwürdige
Ähnlichkeit mit drientalifchen und occidenta-
lifchen Glaubensbekenntniffen zeigt. Es würde im Rahmen

! diefer Anzeige zu weit gehen, auf die letzten beiden in-

[ tereffanten und viele Probleme bietenden Publikationen
des Näheren einzugehen.

Heidelberg. Grützmacher.

Theodoreti graecarum affectionum curatio. Ad Codices

optimos denuo collatos recensuit loa. Raeder. Leipzig,
B. G. Teubner 1904. (X, 340 p.) kl. 8"

M. 6—; geb. M. 6.60

Es ift zwar nicht das für den Theologen und Hiftori-
ker wichtigfte Werk des berühmten Antiocheners, das