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Ausgabe:

1905

Spalte:

153-154

Autor/Hrsg.:

Brown, William Adams

Titel/Untertitel:

The essence of Christianity 1905

Rezensent:

Harnack, Adolf

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wohl kaum im Stande gewelen wäre, die Gefchichte der
Jefuiten fo klar und lichtvoll und doch fo gründlich dar-
zuftellen.

Sehr eingehend behandelt Böhmer die Entflehung
des Jefuitenordens und veranfchaulicht hierbei dem Lefer
in fehr glücklicher Weife, wie fich ,der Orden innerhalb
20 Jahren aus einer kleinen Studentenverbindung für
Mohammedanermiffion zu einer Prieftergefellfchaft für
innere Miffion und aus diefer wieder zu einem Schul- und
antiproteftantifchen Kampforden entwickelt habe' (S. 24—
44). Befonders dankenswert find im weiteren feine reichen
ftatiftifchen Notizen und die aus zeitgenöffifchen Quellen
entnommenen Berichte über einzelne jefuitifche Unternehmungen
, fo z. B. der Bericht des Pater Anton Sepp
über die Jefuitenreduktionen in Paraguay (S. iioff.). Dagegen
vermiffe ich in der Schrift, die feither erfreulicherweife
eine zweite Auflage erlebt hat, eine eingehendere
Würdigung der neueren Gefchichte des Ordens feit dem
21. VII. 1773, die hoffentlich in der dritten Auflage nachgeholt
wird.

Bremgarten. Lic. A. Bruckner.

Brown, Prof. William Adams, Ph. D„ D. D., The essence
of Christianity. A study in the history of definition.
New York, Charles Scribners Sone's 1902. (XI, 332
P-) 8°

Unter den theologifchen Büchern, die in den letzten
Jahren aus Amerika zu uns herübergekommen find, kommt
dem vorftehenden eine besondere Bedeutung zu, und es
ift daher noch nicht zu fpät, in diefer Zeitung auf das-
felbe aufmerkfam zu machen. Die Frage nach dem
,Wefen des Chriftentums' wirft der Verf. auf, die auch
bei uns jüngft viel verhandelt worden ift (in bezug auf
die methodifche Behandlung und den Sinn der Frage
vgl. die trefflichen Unterfuchungen von Tröltfch in der
,Chriftl. Welt' 1903). Mit dem Unterzeichneten ift Brown
der Meinung, daß die Antwort nicht einfach aus irgend
einer authentifchen Urkunde, fondern daß fie aus der Ge-
famtgefchichte des Chriftentums gewonnen werden muß.
Im Unterfchied von ihm aber fucht er lediglich die Antwort
, welche die Theologie gegeben hat; denn abficht-
lich befchränkt er das Problem auf die gedankenmäßigen
und wiffenfchaftlichen Verfuche, das Wefen des Chriftentums
zu definieren. Diefe Befchränkung ift nicht nur
geftattet, fondern fie ift neben und innerhalb der weiter-
geftellten Aufgabe notwendig. Denn obfchon das Wefen,
die Eigenart und die Kraft der chriftlichen Religion nur
in feiner Gefamterfcheinung zu vollem Ausdruck kommt,
muß innerhalb derfelben auf die Faffung feines Wefens
in dem Gedanken der höchfte Nachdruck gelegt
werden. Es ergibt fich das notwendig aus dem Anfpruch
des Chriftentums auf Wirklichkeit und Wahrheit, ja
auf die Wahrheit. Hierin liegt der Anfpruch auf Ab-
folutheit befchloffen. Der Verf. ift überzeugt, daß diefes
Prädikat nicht zu miffen ift, aber er weiß auch, wie um-
fichtig es zu behandeln ift.

Nach einer orientierenden Einleitung über den Wert
einer wiffenfchaftlichen Definition des Chriftentums, über
den Inhalt, den fie einfchließen muß, und über die Bedeutung
der Begriffsbeftimmungen des Abfoluten für jene
Definition beginnt der Verfaffer feinen Gang durch die
Gefchichte. Im erften Kapitel erörtert er die Auffaffung
des Paulus, des Verfaffers des Hebräerbriefes, des Barnabas
und desalten Katholizismus vom Wefen des Chriftentums
und fchließt daran einige Bemerkungen über mittelalterliche
Anfätze zu einer mehr gefchichtlichen Betrachtung
(Abälard, Wilhelm v. Auvergne). Im zweiten Kapitel
unterfucht er die Stellung der Reformatoren und
der altproteftantifchen Theologen und legt mit Recht
behenderen Nachdruck auf Zwingiis Traktat De vera
et falsa religionc. Diefe beiden Kapitel find im Grunde

nur einleitende: eine wirklich wiffenfehaftliche Erfaffung
gab es noch nicht. Was der Verf. in ihnen ausführt,
ift daher ziemlich aphoriftifch. Erl! in den folgenden
vier Kapiteln (Entftehung der kritifchen Philofophie und
die Auffaffung vom Wefen des Chriftentums bei den
Schriftstellern des 18. Jahrhunderts — Schleiermacher —
Hegel und feine Schüler — Ritfehl und feine Schule)
liegt der Schwerpunkt des Werkes. Die kritifchen Referate
find zuverläffig und lichtvoll; die eigene Auffaffung
des Verfaffers, wie fie fich aus der Auseinanderfetzung
mit jenen Theologen entwickelt, kommt der von Tröltfch
nahe, jedoch mit einer konfervativeren Wendung. In
dem Schlußkapitel hat der Verfaffer eine gute Überficht
über den gegenwärtigen Stand des Problems gegeben,
und ift mutig genug, felbft eine Definition aufzuftellen:
,Das Chriftentum, wie der moderne chriftliche Gedanke
es faßt, ift die Religion der Gotteskindfchaft und der
Brüderlichkeit, offenbart und verwirklicht durch Jefus
Chriftus. Als folche ift es die Erfüllung und Vollendung
aller früheren Formen der Religion und das Mittel für
die Erlöfung der Menfchheit durch die Verwirklichung
der Herrfchaft Gottes. Seine Zentralgeftalt ift Jefus
Chriftus; er ift nicht nur die Offenbarung des göttlichen
Ideals für die Menfchen, fondern auch — durch den
neufchaffenden Einfluß, den er auf die, welche ihm nachfolgen
, ausübt — das mächtigfte Mittel, um jenes Ideal
bei den Menfchen zu verwirklichen. Weil das Chriftentum
in Chriftus die höchfte Offenbarung der Liebe und
der Kraft Gottes befitzt, darum ift es eine gefchloffene,
von allen anderen Religionen fich unterfcheidende Größe,
und eben durch diefen Belitz rechtfertigt fich auch fein
Anfpruch, die abfchließende Geftalt der Religion zu fein'.
In diefer Definition tritt deutlich hervor, wie der Verfaffer
den Begriff des Abfoluten hier gefaßt fehen will.
Das ganze Werk ift apologetifch im beften Sinn des
Worts und zugleich ein wertvolles Zeugnis des Geiftes,
in welchem an dem Union-Seminar in New York jetzt
Theologie gelehrt wird.

Berlin. A. Harnack.

Heim, Dr. Karl, Das Weltbild der Zukunft, Eine Auseinanderfetzung
zwifchen Philofophie, Naturwifffnfchaft
und Theologie. Berlin, C. A. Schwetfchke & Sohn
1904. (XI, 299 S.) gr. 8° M. 4—; geb. M. 5 —

Es ift dem Verf. des vorliegenden Buchs aus innerftem
Bedürfnis darum zu tun, den Dualismus des traditionellen
Weltbildes, zumal den Gegenfatz zwifchen Subjektivem
und Objektivem, Pfychifchem und Phyfifchem, an dem
fich das bisherige Denken vergeblich zerrieben habe, und
der eine befriedigende Gefamtweltanfchauung nicht aufkommen
laffen könne, durch eine einheitliche und lebensvolle
Erfaffung der Wirklichkeit zu erfetzen. Die letzten
| Elemente des Erlebnismaterials find für den Verf. Um-
taufchverhältniffe. Ein Umtaufchverhältnis ift ein oszillierendes
Wechfelverhältnis zwifchen Identität und gegenteiliger
Unterfcheidung. Durch ein Umtaufchverhältnis
kommt das Ich- und Du-Verhältnis zu Stande. Durch
eine auch durch die Sprache verfchuldete Erftarrung und
Verfteinerung diefes lebendigen Verhältniffes entliehen
u. a. die beiden Wahngebilde, die zu Fundamenten der
traditionellen Weltanfchauung geworden find, die Ich-
Introjektion und die alte Kaufalitätstheorie. Beide find
mit dem rechten Naturverftändnis, wie mit dem rechten
Gottesglauben unvereinbar. Das durch die Weltformel
des Umtaufchverhältniffes fich geftaltende neue Weltbild
ift aus dem Leben für das Leben. Die Tendenzen des
modernen Denkens aber ftreben von verfchiedenen Seiten
darauf zu. Wiffenfchaftliches Erkennen, wie religiöfe Gewißheit
kommen nur fo zu ihrem Ziele und zu ihrer
gegenfeitigen Verföhnung.

Durch bilderreichen, bisweilen doch phantaftifchen