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Ausgabe:

1905 Nr. 4

Spalte:

111-112

Autor/Hrsg.:

Falk, Franz

Titel/Untertitel:

Die pfarramtlichen Aufzeichnungen des Florentius Diel zu St. Chtistoph in Mainz (1491-1518) 1905

Rezensent:

Bossert, Gustav

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III

Theologifche Literaturzeitung 1905 Nr, 4.

112

haben, den Itarken Einfluß Wiclifs, doch ift um fo mehr
zu bemerken, daß auch die Schrift De corpore Christi
weder mit der kirchlichen Transfubftantiationslehre in
direkten Widerfpruch tritt, noch das Zurückbleiben des
Brotes und Weines im Sakrament nach der Konfekration
behauptet. Hus hat fleh hierin in der Tat an Wiclif nicht
angefchloffen.

Der Herausgeber hat fämtliche Hdfchrr. (23 für De
c. Chri., 28 für De s. Chri.) verglichen und gruppiert (für
De c. Chri. kommt auch der noch ungedruckte Kommentar
des Hus zu den Sentenzen des Lombardus, der die
Schrift großenteils wörtlich aufnimmt, in Betracht); es ift
ihm durch Benutzung derfelben gelungen, für De c. Chri.
einen Text herzuftellen, der faft durchweg den urfprüng-
lichen Wortlaut wiedergibt, während in De s. Chri. an
einer größeren Zahl von Stellen Zweifel bleiben. Die
Orthographie der damaligen Zeit hat der Herausgeber
beibehalten, die Abkürzungen der Handfchriften aber
aufgelöft. Dies jedoch mit zwei Ausnahmen, in denen
er felbft fleh nicht klar gewefen zu fein fcheint. Wir
lefen nämlich De s. Chri. p. 10 mortuus est i. iam in
morte est und p. 13 corrupeionem i. putrefactionem. Das
i. ift nichts Anderes als Abkürzung für id est. Ebenfo
ift sortis und sorti Abkürzung für Socrates und Socrati,
welches in der fcholaftifchen Sprache zur Bezeichnung
eines beliebigen Menfchen, wie Cajus, gebraucht zu werden
pflegt. Der Herausg., dem dies wohl nicht bekannt
war, hat daher einem Satze in De corp. Chri. p. 22 eine
Geftalt gegeben, in der er den meiften Lefern ein Rätfei
bleiben muß. — Daß die Zeilen der Seiten nicht, wie in
der Wiclif-Ausgabe, gezählt find, muß als ein empfindlicher
Mangel bezeichnet werden.

Die Einleitungen geben über Entftehung der Schriften
ufw. alle Auskunft, die man an einer folchen Stelle
verlangen kann.

Berlin. S. M. Deutfch.

Falk, Dr. Franz, Die pfarramtlichen Aufzeichnungen (Liber
consuetudinum) des Florentius Diel zu St. Christoph in

Mainz (1491—1518)- Herausgegeben, überfetzt und
eingeleitet. (Erläuterungen und Ergänzungen zu
Janffens Gefchichte des deutfehen Volkes. Herausgegeben
von L. Paftor. IV. Band, 3. Heft.) Freiburg
i. B., Herder 1504. (VIII, 66 S.) gr. 8n M. 1.40

Jede Schrift, die uns einen genauen Einblick in das
kirchliche Leben, die Ordnungen und die liturgifchen
Gebräuche der Gemeinden am Vorabend der Reformation
tun läßt, ift uns willkommen. Darin liegt der Wert der
Mitteilungen von Crecelius aus dem Pfarrbuch von Crailsheim
von c. 1480 in der Zeitfchrift des hiftor. Vereins
für württb. Franken 1875, 37—47; 1877, 119—29-
Alemannia 1875, 247—62. 1877, 12—18, ohne daß
damit der Inhalt jenes Buches ganz erfchöpft wäre.
Eine Parallele dazu dürfte der verlorene Liber consuetudinum
et iurium ecclesiae des Florentius Diel, Pfarrers
zu S. Chriftoph in Mainz 1491 — 1518, gebildet haben.
Ein Reft davon ift handfehriftlich nach Abfchriften des
Jefuiten Gamans in dem von Pfarrer Severus gefammelten
Material zur zweiten Ausgabe feiner Parochiae Mogun-
tinae 1768 erhalten. Falk gibt die Kanzelverkündigungen
für die Sonntage vom 3. Advent bis Fronleichnam,
während er die Verkündigungen für die Heiligentage
weggelaffen hat und nur anhangsweife Einiges für die
F"efte S. Valentins, S. Gregorius' und S. Albans gibt.
Das ift zu bedauern, denn gerade die Heiligentage dürften
die Eigenart jeder Diöcefe und zugleich eine Reihe von
Bräuchen und Anfchauungen in fich fchließen, die der
Beachtung wert find. Vgl. die Berührung von S. Valentins
Reliquien am Valentinstag. Vor den lateinifchen
Text hat Falk eine deutfehe Überfetzung geftellt. Es
wäre zu wünfehen gewefen, daß er einen reichlicheren

| Kommentar gegeben und die Zitate nachgewiefen hätte
In feiner Überfetzung wäre S. 8 Z. 2 ,in S. Johannis
Minne' Z. 28 ad truneum nicht am Opferftock, fondern

| am Betfchemel (vgl. S. 41 Z. 9 pro genuflexione facienda
positum), S. 10 Z. 4 dochwohl ,Ablaß für den Gehorfanr
(vgl. S. 49 Z. 13 poena inobaedientiae), nicht Dispens vom
Gehorfam zu fetzen. S. 20 Z. 23 1. Zachäus ftatt Zacha-

l rias, S. 25 Z. 12 u. S. 52 Z. 19 sabactani ftatt saeptami;
Zu dem von Falk S. 32 angezweifelten Wort refusio —
Erfatz vgl. refitndere. S. 52 Z. 28 ift savinae = sapini

j (Tanne, Fichte). Das Ganze ift für die Kenntnis des
kirchlichen Lebens jener Zeit fehr bezeichnend. Merkwürdig
find all die ängftlichen Vorfchriften über Effen
und Trinken vor und nach dem Abendmahle, felbft aus-
fpucken darf der Kommunikant erft eine Stunde nach

; der Kommunion. Für Frauen, die einen Schleier beim

' Abendmahl tragen, muß eine Schere auf dem Altar

1 bereit liegen; um alsbald, wenn fie mit dem Schleier die
geweihte Hoftie berührten, das betreffende Stück heraus-
zufchneiden. Nicht weniger beachtenswert ift, was man
in Mainz beim Karfreitagsgottesdienft von Studenten befürchtete
S. 26 ff. S. 54.

Nabern. G. Boffert.

Richter, Schuldirektor Dr. Julius, Die pädagogische Literatur
in Frankreich während des 16. Jahrhunderts. A.
Religiös-fittliche Bildung. I. Die Katechismen. Mit einem
Verzeichnis der Katechismen deutfehen Urfprungs.
Leipzig, Julius Klinkhardt 1904. (III, 152 S.) 8° M. 3.50

Reu, Prof. Johann Michael, Quellen zur Geschichte des kirchlichen
Unterrichts in der evangelischen Kirche Deutschlands
zwifchen 1530 und 1600. Eingeleitet, herausgegeben
und zufammenfaffend dargeftellt. FIrfter Teil:
Quellen zur Geschichte des Katechismus-Unterrichts. Erfler
Band: Süddeutfche Katechismen. Gütersloh, C.Bertelsmann
1904. (XIV, 847 S.) gr. 8°

M. 16 — ; geb. M. 18 —

Es kann nur freudig begrüßt werden, daß fich die
hiftorifche Forfchung neuerdings wiederum der Unter-
fuchung der katechetifchen Literatur zuwendet. Die Arbeiten
vonG.v. Zezfchwitz,F. Fricke, F. Cohrs u.a. zeigen,
daß die älteren Darftellungen von Buddeus, Langemack,
Walch, Köcher u. a. für eine genauere Kenntnis diefer
Literatur nicht ausreichend find; denn deren Umfang ift
ein viel größerer, als es nach jenen Darftellungen den
Anfchein haben könnte. Aber auch abgefehen hiervon

I darf die gefchichtliche Unterfuchung über fie einen hohen
wiffenfehaftlichen Wert für fich in Anfpruch nehmen;

j denn die Katechismen gewähren einen lebendigen Einblick
in die geiftigen und geiftlichen Intereffen der jeweiligen
Zeit, in der fie entftanden find, und geben nicht
feiten die zuverläffigen Maßftäbe zur Beurteilung des
religiös-fittlichen und kirchlichen Lebens der verfchiedenen
Generationen, bei deren Erziehung fie mitwirkende Fak-

! toren gewefen. Zur Zeit ift freilich unfere Kenntnis der
Katechismusliteratur noch nicht ausreichend genug, um
fie für die Schilderung des Geifteslebens einer beftimmten
Periode ausgiebig verwenden zu können. Die nächfte
Aufgabe ift vielmehr die weniger anziehende, aber durchaus
unerläßliche, vor allem erft einmal, fo zu fagen, das
Inventar der einft vorhandenen und der in unfere Zeit
geretteten katechetifchen Literatur aufzunehmen und die
einzelnen Schriften, foweit fie uns noch zugänglich find,
bibliographifch zu befchreiben, ihre Texte neu drucktn
zu laffen oder doch ihren wefentlichen Inhalt anzugeben
und fie danach in zufammengehörige Gruppen zu ordnen.

Im Sinne diefer Aufgabe ift die Arbit von Richter
angelegt und durchgeführt. Der Verf. will uns mit den
in Frankreich während des 16. Jahrh. erfchienenen Kate-