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Ausgabe:

1905 Nr. 4

Spalte:

100-101

Autor/Hrsg.:

Bonaccorsi, D. G.

Titel/Untertitel:

I tre primi vangeli e la critica letteraria ossia la questione sinottica 1905

Rezensent:

Holtzmann, Heinrich Julius

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Theologifche Literaturzeitung 1905 Nr. 4.

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vorftehende Befreiung und die in ihr zu erlebende volle
Sündenvergebung. Die Leiden des Knechts Gottes liegen
für den Propheten in der Vergangenheit, und feine Verherrlichung
fteht unmittelbar bevor, derBlick desPropheten

emendationen z.B. Pf. 29, 10 od. 42, 5 — zuweilen ignoriert
er fie zu feinem Schaden. So fagt B., daß Pf. 73, 2Öb
eine Hebung zu viel habe — warum ftreicht er dann
nicht mit Duhm das dittographifche irnb~~l12 vgl. *nKtt>

reicht nicht in eine ferne Zukunft, fondern hat ihr "ODbl? Das Metrum entlcheidet jetzt zuweilen über die
Ende in der nächften gefchichtlichen Wendung. Das ift j Richtigkeit oder Falfchheit einer von LXX gebotenen LA.
alles exegetifch trefflich geurteilt, aber der Knecht ift j So war in der 1. u. 2. Aufl. in Pf. 1, 4 nach LXX p KD

das ideale Ifrael, das ideale Ifrael ift in Chriftus real ge
worden, die volle Erfüllung hat das Chriftentum gebracht
. Die Weisfagung gleicht einem vom Nordpol
losgelöften Eisberg, der auf feinem Weg nach dem
Äquator langfam zerfchmilzt. Im Lauf der Gefchichte
fällt ein Stück nach dem andern von ihr ab, bis fie fich
ganz aufgelöft hat. — Möge die Schrift vielen ernftlich
fuchenden Gegnern der altteftamentlichen Kritik Licht
geben und an ihrem Teile zur Verftändigung zwifchen

aufgenommen, während es jetzt verworfen wird. So ift
im Einzelnen viel Neues hinzugekommen, Altes ftraffer
formuliert und das Ganze forgfältig revidiert und gründlich
ausgefeilt. Die Freunde Sieversfcher Metrik werden
fich zu dem neuen Genoffen Baethgen gratulieren; für
einzelne unter ihnen wird er in der Textkritik zu zahm
fein, das wird ihn bei anderen empfehlen. Mit den gleichen
gemifchten Empfindungen werden fie die von Baethgen
in Ausficht geftellte ,Herftellung eines metrifch angeord-

Gefchichtswiffenfchaft und kirchlicher Auffaffung bei- j neten kritifchen Textes mit möglichft vollftändigem
tragen! j Apparat' aufnehmen. Wer fich noch nicht für Sievers

Königsberg. Giefebrecht.

Baethgen, Prof. D. Friedrich, Die Psalmen, überfetzt und
erklärt. Dritte neu bearbeitete Auflage. (Handkommentar
zum Alten Teftament. In Verbindung j PunktAuch "fa 'der "3. AuT "ift B.s"nTftorVrche Kritik""Zur

hat gewinnen laffen, wird B.s Textkritik vom Übel halten,
fie entweder als rückftändig, oder wild anfehen. Ob
gegenüber Baethgens kollektiviftifcher Deutung des Ichs
in den Pfalmen nicht doch Duhm mit feiner individua-
liftifchen Theorie in einigem Recht ift? Der wundefte

mit anderen Fachgelehrten herausgegeben von Prof. j Entfchuldigung mag dienen, daß fo lange innerhalb des
D. W. Nowack. II. Abtheilung, Die poetifchen Bücher, j kritifchen Lagers felbft noch gefragt wird, ob ein Pfalm
2 Band ) Göttingen, Vandenhoeck & Ruprecht 1904. ! davidifch oder makkabäifch fei, für die hiftorifche Pfalmen-

kritik noch fichere Maßftäbe fehlen.

Straßburg i. E. Georg Beer.

(IV, 438 S.) gr. 8"

M. 8—; geb. M. 9 — ; in Halbleder M. 10 —

Die 1892 erfchienene erfte Auflage des Baethgen-

fchen Pfalmenkommentars und die wenig davon ver- j Bonaccorsi, D. G., M. S.C., 1 tre primi vangeli e la critica

fchiedene zweite vom J. 1897 find von Dalman in diefer letteraria ossia la questione sinottica. Estratto dalla

Zeitung 1893 Nr. 21 und 1898 Nr. 26 gewürdigt worden. | Scuola Cattolica Mo Tip. E- Artigianelli-Orfani
Referent kann fich mit dem Bericht über die 3. Auflage

kurz faffen, da der Standpunkt des Verf. fich auch in-
zwifchen nicht wefentlich geändert hat. Nur in der formalen
Kritik ift ein Novum gegenüber den früheren

1903. (167 p.) Lex. 8°

Vorliegendes Buch konnte ich im ,Theol. Jahresbericht
' (1903, S. 247) nur als in der ,Scuola cattolica1 erAuflagen
hervorzuheben: Baethgen hat fich von Sie vers j fchienenen Artikel namhaft machen und freue mich des-
zur Annahme einer Metrik der Pfalmen bekehren laffen. halb, der felbftändigen Veröffentlichung hier einige Zeilen
Diefer Umftand hat die Aufnahme eines neuen, über das widmen zu können. Ihre Bedeutung liegt in ihrer Be-
Sieversfche Syftem orientierenden Paragraphen ,die 1 ftimmung für die katholifche Theologenfchaft Italiens,
Metrik der Pfalmen' (= § 6) und eine kleine Änderung ! deren Majorität bisher mit der fynoptifchen Frage eben-
der bisherigen Einleitung bedingt. Der frühere § 3 er- i fo bekannt war, wie Manzonis Don Abbondio mit der Phi-
fcheint jetzt als § 7. Die 4 und 5 der beiden erften j lofophie des Karneades. Nach einigen dem Problem
Auflagen find in der neuen zu einem $ 3 zufammen- 1 felbft und feinen unzähligen Löfungsverfuchen gewidmeten
gezogen. Endlich ift noch ein § 9 hinzugekommen, der | Präliminarien werden einige Vorfragen behandelt. Von
das Wichtigfte aus der Literatur zu den Pfalmen j einigem Belang ift hier nur eine Auseinanderfetzung mit
nennt. Nach wie vor werden etwa 30—40 Pfalmen (S. J Jülicher in Sachen des Papias (S. 65 f.) und im Anfchluffe
XII) von Baethgen in die Zeit der ifraelitifch-jüdifchen j daran ein Verbuch, die auf diefen zurückgehende patrifti-
Könige gefetzt. Wiederum ift die 12 Zahl der Makkabäer- fche Tradition von einem hebräifchen Urmatthäus zu
lieder nicht überfchritten: es find auch jetzt die Pf. 2, rechtfertigen (S. 69f.), der dann zum Überfluß noch mit
44, 69, 74, 75, 79, 83, 102, 108, 110, 144, 149. Von David dem (urfprünglichen) Hebräerevangelium zufammengelegt
läßt auch die 3. Aufl. den Kern von Pf. 18 flammen, viel- wird (S. 75f. 91 f.). Dem Markus wird gegen Wrede der
leicht auch Pf. 3 u. 4. In der Frage nach dem logifchen 1 Vorzug zuerkannt, ein wenigftens im großen und ganzen
Subjekt der Pfalmen vertritt Baethgen wie fchon richtiges Bild vom Lebensgange Jefu zu geben (S. 102 im
früher die Smendfche Gemeindetheorie; nur ift in grellen Widerfpruch mit S. 128). Des dritten Evangeliften
einzelnen Pfalmen jetzt genauer eine ecclesiola von j xadegrjg (Verf. fchreibt S. 54. 106f. hartnäckig xazsgijg)
der ecclesia unterfchieden, fo ift z. B. in Pf. 22 gegenüber J wird weder auf chronologifchen, noch logifchen Zu-
der 1. Aufl. der Sprecher nicht Ifrael, fondern der Knecht j fammenhang, fondern auf das Beftreben gedeutet, jede

Jahves von Jef. 40ff. Natürlich hat die Rhythmik auf
Textkritik und Überfetzung in der 3. Aufl. des B.fchen
Kommentars gewirkt. Häufig trifft B. in der Beftimmung
des Metrums (z. B. bei Pf. 2, 3, 4, 5) mit dem in der
hiftorifchen Kritik feinen Antipoden bildenden Duhm

einzelne Perikope mit der jeweils vorhergehenden in Beziehung
zu fetzen (S. 107 f.).

Die Löfung des Problems (S. 115 f. 166f.) erfolgt
gemäß dem katholifchen Traditionsprinzip (S. 122) zu-
gunften des Matthäus oder vielmehr eines, an die ,apo-

zufammen. Aber B. ift im Einzelnen hier viel konferva- j ftolifche Quelle' von B. Weiß erinnernden, aber aramäifchen
tiver als Duhm. Wie Sievers nimmt nämlich auch B. 1 Urmatthäus, entbanden um 55—65 und dann lange nur
Mifchmetren für die Pfalmen an. So läßt z. B. Baeth- ! mündlich verdolmetfcht. Aber fchon um 65—70 ent-
gen Pf. 3 aus Doppeldreiern beliehen, mit den 8au. 9 fteht auf diefer Grundlage und unter Benutzung der
Vierer wechfeln, während Duhm in der allgemeinen Predigt des Petrus das Markuswerk, ein erftes in der
Beftimmung des Metrums fich mit B. deckend, 8 a ftreicht Reihe der .Vielen' und mit diefen Quelle für das 70—80
ur uns für V. 9 verfchweigt, wie er zu feinen Dreiern verfaßte Evangelium des Lukas, welches übrigens auf
kommt. Hie und da akzeptiert B. Du hm fche Einzel- indirekten Wege auch vom Matthäuswerk beeinflußt er-