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Ausgabe:

1905 Nr. 3

Spalte:

81-84

Autor/Hrsg.:

Friedensburg, Walter (Hrsg.)

Titel/Untertitel:

Archiv für Reformationsgeschichte. Texte und Untersuchungen. Nr. 1 - 4, 1. Jahrg 1905

Rezensent:

Bossert, Gustav

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Theologifche Literaturzeitung 1905 Nr. 3.

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den alten königlichen Anfprüchen, unter Lothar und
Konrad III. verfolgen (2), um in der Reaktion Friedrichs L
deutlich zum Bewußtfein zu bringen, daß hier allerdings
eine ungewöhnliche Kraft das Erbe der Vergangenheit
zu retten fucht, aber keine neuen Ideen, keine neuen
Mächte einführt (3), während die Kirche ftatt der erft im
Überfluß, dann in der Not gebundenen Benediktiner die
neuen Orden der Zifterzienfer und Prämonftratenfer als
frifche Vorkämpfer für die ländliche, die Bettelorden als I
Vorkämpfer für die ftädtifche Kultur in ihren Organismus
einftrömen fleht (4). Die Charakteriftik der deut-
fchen Theologie des XII. Jh. lehrt zuletzt ihre unaufhalt-
fame Hingabe an die franzöfifche Scholaftik; ein Durch- j
dringen des Univerfalen auch hier (5). Der Sieg des
kirchlichen Wefens bringt die Entfaltung der kirchlichen
Kultur im Unterricht, in der Gefchichtsfchreibung, der
Naturkunde, der Dichtung, der Kunft (6). Mag hier einiges
übertrieben fein, fo wird fogleich in der Darftellung der
deutfchen Mifflonsarbeit betont, daß die Verhältniffe der |
Kirche noch mehr entgegengekommen, als von ihr gc-
meiftert find (7). Der Pontifikat Innozenz' III. und der
deutfche Thronftreit bezeichnen die Höhe der Darfteilung :
(8); aber daß fleh das Papfttum im Kampfe gegen die
Umklammerung durch Friedrich II. behauptete, hält die j
Darfteilung in künftlerifch fehr wirkfamer Weife auf der j
Höhe univerfalhiftorifcher Stimmung feft (9). Erft das
Schlußkapitel (10), das an den Eingang von fern anknüpft,
führt mit dem Hinweis auf die zunehmende Zerfetzung
in den kirchlichen und religiöfen Anfchauungen langfam i
hinab und bereitet damit vor auf die breiter angelegten j
Kämpfe der nächften Zukunft.

Göttingen. Brandi.

Archiv für Reformationsgeschichte. Texte und Unterfuchun-
gen. In Verbindung mit dem Verein für Reformations- j
gefchichte herausgegeben von Walter Friedensburg, j
1. Jahrgang. 4 Hefte. Berlin, C. A. Schwetfchke & !
Sohn. gr. 8°

Subfkriptions-Preis M. 11.6b; Einzelpreis M. 18— '

Inhalt. I. Heft: Kalkoff, Oberlehr. Dr. P., Die Ver- !
mittlungspolitik des Erasmus und fein Anteil an den Flugfchriften
der erflen Refonnationszeit. — Tfcflackert, Prof. DD. Paul,
Antonius Corvinus ungedruckter Bericht vom Kolloquium zu Regensburg
1541. 1903. (ico S.) Subfkr.-Preis M. 2.80; Einzelpreis M. 4.40.

2. Heft: Roth, Prof. Dr. F., Aus dem Briefwechfel Gereon
Sailers mit den Augsburger Bürgermeiflern Georg Herwart und Lim- !
pricht Hofer (April bis Juni 1544). — Mentz, Prof. Dr. G., Zur j
Gefchichte der Packfchen Händel. — Clemen, Lic. Dr. Otto, Ein
Brief von Johannes Bernhardi aus Feldkirch. 1904. (96 S.) Subfkr.-
Preis M. 2.70; Einzelpreis M. 4.20.

3. Heft: Mentz, Prof. Dr. G., Die Briefe G. Spsflatins an >
V. Warbeck nebft ergänzenden Aktenftücken. — Albrecht, Pfr. Lic.
C, Zur Bibliographie und Textkritik des Kleinen Lutherifchen Katechismus
. — Kalkoff, Prof. Dr. P., Das ,erfle Plakat' Karls V. gegen
die Evangelifchen in den Niederlanden. 1904. (102 S.) Subfkr.-Preis
M. 3 —; Einzelpreis M. 4.60.

4. Heft: F. Roth, Zur Kircheugüterfrage in der Zeit von 1538 ,
—1540. — Koldewey, Friedrich, Eine deutfche Predigt des Huma- |
niflen Johannes Cafelius. — Clemen, Otto, Der Dialogus bilin- |
guium ac trilinguium. — Müller, Nikolaus, Zur Digamie des Landgrafen
Philipp von Heffen. — Friedensburg, Walter, Giovanni
Morone und der Brief Sadolets an Mclanchton vom 17. Juni 1537.
— Kalkoff, P., Zu den römifchen Verhandlungen Uber die Be-
ftätigung Erzbifchof Albrechts v. Mainz i. J. 1514. — Hafenclever,
Adolf, Zur Gefchichte Ottheinrichs von Pfalz-Neuburg (1544). 1904.
(108 S.) Subfkr.-Preis M. 3.10; Einzelpreis M. 4.80.

Der erfte Jahrgang des allenthalben mit Freuden be- |
grüßten Archivs für Reformationsgefchichte erfchließt
eine Fülle neuer Quellen, ohne fleh in die Einzelheiten
zu verlieren. Überall ftechen die großen Geflchtspunkte

und die großen Zufammenhänge hervor. Die Unter-
fuchungen find gründlich geführt. In den Mitteilungen
ift zufammengeflellt, was an neuen Arbeiten felbftändig
und in Zeitfchriften erfchienen ift.

In die Frühzeit der Reformation führtKalkoff in drei
Arbeiten. Gegenüber A. Schulte, der in feinen Studien
zur Gefchichte des kirchlichen Finanzwefens (,die Fugger
in Rom 1495—1525') die Forderung von Gebühren für
die Beibehaltung der Stifter Magdeburg und Halberftadt
als ,flmoniftifche Handlung' beurteilt hatte, weift Kalkoff
auf die Notwendigkeit hin, die Unterhaltung der Zentralregierung
durch die ,servitia Palliengelder und Annaten
zu fichern, und zeigt, wie die ,Kompofition' von 10000
Dukaten, die Albrecht für die Beibehaltung der beiden
Stifter zahlen mußte, fleh ganz innerhalb der überlieferten
Taxordnung hielt. Die größere Schuld treffe
die Hohenzollernbrüder, welche eine fo ungeheuerliche
Pfründenhäufung forderten und für Albrecht 1519 noch
ein viertes Bistum zu ergattern fuchten. Kalkoff ift es
auch gelungen, in Franzesco Armellini das Schulte unbekannte
Finanzgenie nachzuweifen, das bei diefen Verhandlungen
eine Rolle fpielte, um den Albrecht angebotenen
Ablaß als das Mittel aufzuzeigen, feine Finanzen
zur Tilgung feiner Verbindlichkeit gegen die Kurie zu
ftärken, und zugleich Luthers klare Erkenntnis der eigentlichen
Schuldigen.

In einer größeren Studie behandelt Kalkoff die Vermittlungspolitik
des Erasmus, der verfuchte, dem Prozeß
gegen Luther Einhalt zu tun, die Bannbulle als erichlichen
und Aleander als Juden und falfchen Nuntius zu be-
feitigen. Sein Verhältnis zu Joh. Faber, dem Dominikanerprior
und Hofprediger, und zu deffen Flugfchrift
,consilium cuiusdam' wird genau beftimmt, dann die
Autorfchaft der Acta academiac Lovaniensis für Erasmus
feftgeftellt und fein Einfluß auf die Entftehung des Jloch-
stratus ovans', der von Hermann von dem Bufche herrührt
, und der Epistola Udelonis Cimbri nachgewiefen.
,Wie der Chefredakteur einer politifchen Zeitung' beeinflußt
Erasmus die öffentliche Meinung zu Gunften
Luthers und hemmt feine Gegner. Die ganze Arbeit beleuchtet
den Charakter des Erasmus und fein Ringen mit
Aleander und den Löwenern, wie feine Verbindung
mit den rheinifchen Humaniften.

Hieher gehört auch die Arbeit O. Clemens, der
gegen L. Geiger nachweift, daß der Dialogus bilinguhm
et trilinguium mit feiner Verhöhnung der Löwener von
Con. Nefen, dem Bruder Wilhelms, flammt und nicht von
Erasmus. Es ,wäre Hinterlift und Teufelei, mindeftens
Taktlofigkeit und Unvorflchtigkeit gewefen, eine Schrift,
die dem Verfaffer recht verhängnisvoll werden konnte,
unter dem Namen eines bekannten jungen Menfchen ausgehen
zu laffen'. Weiter zeigt Kalkoff, daß das erfte
Plakat Karls V. gegen die Evangelifchen in den Niederlanden
das Datum des 28. Sept. 1520 trug.

Clemen teilt einen Brief von Joh. Bernhardi aus
Feldkirch an Joh. Lang vom 18. März 1527 mit, der zeigt,
wie man in den Kreifen Luthers über Franz Lambert in
Marburg urteilte.

Zur Gefchichte der Packfchen Händel gibt G. Mentz
den Vertrag Johanns von Sachfen und Philipps von Heffen
vom 9. März 1528, fowie ein vielleicht zur Wahrung des
Geheimniffes vom Kurprinzen felbft gefchriebenes Protokoll
vom 9. März und dann den neuen Vertrag vom
30. April/2. Mai 1528. Man fleht deutlich, wie der Landgraf
mit der Berufung auf das beftegelte Original des
Bündniffes der Gegner, das er gefehen und gelefen haben
wollte, den Kurfürften zu dem Bündnis vermochte, wie
aber bald darauf erft friedliche Verhandlung vor dem
Krieg befchloffen und dann dem Landgrafen die Führung
des Kriegs überlaffen wurde.

Eine fehr umfangreiche und forgfältige Unterfuchung
,Zur Bibliographie und Textkritik des kleinen Lutherifchen
Katechismus' von O. Albrecht bildet eine Vorarbeit