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Ausgabe:

1905 Nr. 3

Spalte:

80-81

Autor/Hrsg.:

Hauck, Albert

Titel/Untertitel:

Kirchengeschichte Deutschlands. 4. Teil: Die Hohenstaufenzeit. 1. u. 2. (Doppel-) Aufl 1905

Rezensent:

Brandi, Karl

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79 Theologifche Literaturzeitung 1905 Nr. 3. 80

an, hält auch Rufin für den eigentlichen (lat.) Verfaffer Hauck, Prof. Dr. Albert, Kirchengeschichte Deutschlands,
der histmon Leider hat er von C. Butlers Buch {Texts Vierter Teil. (Die Hohenftaufenzeit.) Erlte und zweite
and Studies VI, 1 1898), das er einmal zitiert, keine nähere i ___N,fl.,fi„„„ t t r . r>._i.i

(Doppel-)Auflage. Leipzig, J. C. Hinrichs'fche Buchh.,
1903. (X, 1016 S.) gr. 8° M. 17.50; geb. M. 19.50
Nicht ohne Scheu komme ich der Aufforderung des

Notiz genommen und ift deshalb auch nicht auf die Frage
nach der urfprünglichen Form der historia mon. (griechifch
Butler, —■ lateinifch Preufchen) eingegangen. Butlers

fprachliche Argumente (a. a. O. Appendix I) find fo ! Herausgebers nach, die Fortfetzung des bedeutenden
durchfchlagend, daß man dem allerdings deutlichen Selbft- j Werkes an diefer Stelle zur Anzeige zu bringen; ich
Zeugnis der Schrift nur entfcheidendes Gewicht beilegen : muß fürchten, feinem kirchengefchichtlichen und theokann
, wenn dies fprachliche Phänomen erklärt ift. — Der ; logifchen Reichtum nicht gerecht zu werden und mit den
Wert unferes Buchs liegt aber hier nicht fo fehr in der | zunächft fich aufdrängenden Äußerungen der Kritik den
Quellenkritik, als vielmehr in der anfchaulichen Darftellung Tribut des Dankes nur unvollkommen zu entrichten, den
des Lebens und der Anfchauungen der nitrifchen Mönche, j die Hiftoriker dem Werk des Theologen fchulden. Ich
Zahlreiche ausführliche Zitate aus den Quellen ermög- j glaube fagen zu müffen, daß ich das Verdienft diefes
liehen es nun bequem, fich ein Bild jener hochbedeut- Bandes für noch größer halte als das der früheren Bände,
famen erden Epoche des Mönchtums zu machen. Das Gewicht der Einwendungen, die foeben von dem

Der Abfchnitt über die Quellen der Gefchichte des ! Berufenften gegen mehr als eine Seite des Buches erhoben
Pachomius und feines Klofterverbandes ift im Anfchluß worden find1, verkenne ich umfoweniger, als fie mir
an Ladeuze noch ausführlicher gedaltet als bei Palladius. .eigene Beobachtungen, zumal in verfaffungsgefchicht-
Wie Ladeuze fieht er in der griechifchen vita C (vati- j liehen Fragen, verfchärfend betätigten; ich verkenne auch
kanifche, florentiner und mailändifche Handfchrift) den I nicht die Tatfache, daß etwa die verfehlte Charakteridik
zuverläffigden, 20—30 Jahre nach dem Tode des Heiligen Lothars ein ganzes wichtiges Kapitel des Buches betrifft,
niedergefchriebenen Bericht, ohne es auszufchließen, daß daß eine Differenzierung innerhalb der kirchlichen' Kreife
auch die koptifche Uberlieferung in einzelnen Stücken des XII. Jh. gerade in diefem Buche vermißt wird. Aber es
Echtes bewahrt hat. Das Geburtsjahr des Pachomius , müßte nicht mit rechten Dingen zugehen, wenn nicht
berechnet er auf 294 (Grützmacher 292), das Todesjahr ' ein Gelehrter, der durch die Konzentration feiner Lebensauf
346 (Grützmacher jetzt ebenfo). Gegen Grützmacher 1 arbeit in diefer Zeit völlig heimifch ift, dem .Cives in-
hält er die von Hieronymus überfetzte Form der Regel quilrnus* überlegen wäre, der zwiefach in anderem Zu-
des Pachomius für urfprünglicher als die von Palladius ; fammenhange fteht; fo mag man es dem Werke zum Ver-
{hist. laus. c. 38) überlieferte und führt dafür gute Gründe ! dienft zurechnen, diefe kritifchen Bemerkungen ausgelöft
an. Am wertvollften ift auch hier wieder die ausführ- zu haben. Hatten wir Hiftoriker nicht auch fchon bei
liehe Sittenfchilderung. Den Liturgiker wird der Abfchnitt den früheren Bänden manchen Vorbehalt im einzelnen
über ,das gemeinfehaftliche Gebet' (p. 192fr.) intereffieren, 1 und im großen gemacht? Aber wer hat feit Giefebrecht
jedoch bleibt hier alles unficher, folange die Gefchichte ! gewagt, die Gefchichte diefer Zeiten im großen Stil zu-
des griechifchen Kloftergottesdienftes eine folche terra , fammenzufaffen? Der Vergleich mit der letzten Dar-
incognita ift wie bisher. Als vvxrsQivrj XsirovQyia kann ftellung des hohenftaufifchen Zeitalters ift doch nur vornatürlich
fowohl eine nicht alle Tage ftattfindende Mitter- teilhaft. Und wenn man gelegentlich geglaubt hat, diefem
nachtsfeier, als auch der ca. 3 Uhr nachts beginnende Werk das höchfte Lob des hiftorifchen Kunftwerks ver-
oo&Qoq gemeint fein. ; fagen zu müffen, da es überall feine Nähte offen zur

Der letzte (neue) Teil bringt noch eine nachträgliche 1 Schau trägt, fo vermag ich auch diefe fichtbarlich quellen-
Befprechung des Ovvzayfia, jener intereffanten für Mönche , mäßige Grundlegung für ein Werk folcher Art und für
beftimmten Überarbeitung der Didache und eine gegen 1 den gegenwärtigen Stand unferer Wiffenfchaft nur erft
Amelineau gerichtete ausführliche Verteidigung der we- recht verdienftlich zu nennen. Selbft die Auslöfung der
fentlichen Sittenreinheit fowohl der nitrifch-fketifchen als deutfehen Entwicklung und der deutfehen Verhältniffe
auch der pachomianifchen Mönche. Man wird hier dem , aus den gemeinabendländifchen, die ich früher kaum für
Verfaffer gegen Amelineaus Verallgemeinerungen und möglich gehalten hätte und auch noch bedauere, ergab
Übertreibungen durchaus recht geben. Auf den Ab- j fich doch aus dem größten Vorzug des Werkes, feiner
fchnitt über Euagrius Pontikus (vgl. neuerdings O. Zöckler, j ftraffen Durchführung faft mit Notwendigkeit. Die
Tugendlehre des Chriftentums 1904 p. 56ff.) fei befonders ! Schwierigkeiten fteigerten fich unzweifelhaft mit dem Fort-
aufmerkfam gemacht. I gang der Arbeit: für den hier behandelten Zeitraum auf

Auch die Schlußkapitel über das Verhältnis der j der einen Seite der empfindlichfte Mangel größerer Vor-
ägyptifchen Mönche zur Miffionsarbeit und Charitas, der : arbeiten und bedeutender Zufammenfaffungen, an denen
Anachoreten zu den Cönobiten, des gefamten Mönchtums I fich die Darftellung hätte orientieren können, auf der
zum Klerus, zum euchariftifchen Gottesdienft und zur anderen Seite eine Detailarbeit, die den Maßftab leicht
Bußdisziplin, zu den dogmatifchen Streitigkeiten und zum | unbillig erhöht. Würdigt man das und ftellt man fich
Staat haben einen wefentlich apologetifchen Ton, der 1 vor, wie fehr der Verfaffer dem Umftand gerecht wird,
durch Weingartens und Amelineaus Kritik hervorgerufen , daß faft alle bedeutenden Erfcheinungen jener Zeit fich
ift. Im ganzen wird man dem Verfaffer beipflichten j mit der kirchlichen Organifation, der kirchlichen Kultur
müffen, daß ein ernftes chriftliches Heiligungsftreben und j und dem kirchlichen Gedankenkreife innerlich berühren,
eine nicht zu unterfchätzende feelforgerifche Arbeit diefem J fo muß man bewundern, wie diefe großenteils unmittel-
älteften Mönchtum eigen gewefen ift. Man gewinnt diefe j bar aus den verfchiedenften Quellen gefchöpfte Fülle des

.Alten' lieb, auch wenn man ihrem Vollkommenheitsideal
mit mehr Skepfis gegenüber fteht als der Verfaffer. Fördert
das Buch auch den Fortfehritt der Forfchung nicht wefentlich
, fo kann es fehr wohl beitragen zu einer gerechten

Stoffes von ihm in einheitlichem Fluß zur Darftellung
gebracht worden ift.

Der vorliegende Band beginnt wohlüberlegt mit den
tiefliegenden Fundamenten der kirchlichen Macht, mit

gefchichtlichen Würdigung des griechifchen Mönchtums. i der vielgliedrigen Organifation der Kirche und der reli
„ ,. , - ■ giöfen Betätigung des Volkes, mit der Verinnerlichung

Berlm- Ld- von der GoltZ- i der Frömmigkeit; zu der auch die erften ketzerifchen

Erfcheinungen noch gehören (Kap. 1). Sie läßt dann das
Steigen der klerikalen Macht an der Kirche, gegenüber

1) K. Hampe, Kritifche Bemerkungen zur Kirchenpolitik ;der
Stauferzeit. Hidorifche Zeitfchrift, 93, 385 ff".