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Ausgabe:

1905

Spalte:

69-70

Autor/Hrsg.:

Kennedy, James

Titel/Untertitel:

The Note-Line in the Hebrew Scriptures commonly called Paseq, or Pesîq 1905

Rezensent:

Beer, Georg

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Seite 1

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69

Theologifche Literaturzeitung 1905 Nr. 3.

Jefu fpielt fich im allgemeinen in einfacheren Verhältniffen
ab, als das des Buddha'! Doch ,fetzt nicht das meffia-
nifche Bewußtfein Jefu eine Auseinanderfetzung mit den
volkstümlichen Meffiasvorftellungen und mit dem Glauben
an die Weltherrfchaft des Meffias (f. Bouffet, die Rel. des
Judentums 211. 215fr.) voraus?' (fo Wendland in einer
mir gütigft gemachten Mitteilung). Da foll es fich erwarten
laffen, daß der evangelifche Bericht durch die .einfachen
Verhältniffe' des Zimmermannsfohnes eingeengt
werde, fo daß wir, wo dennoch von Weltherrfchaft die
Rede ift, Grund hätten, das aus der Legende des beffer
fituierten Gautama zu erklären?
Und fo fort.

Ich kann das Gefühl nicht überwinden, daß das Verhör
, das der Verf. in folcher Weife mit den Evangelienerzählungen
anftellt, von einem gewiffen Zug der Kleinlichkeit
nicht frei ift. Philologifcher Spürfinn follte uns
nicht hindern, das Einfache einfach hinzunehmen. Doch
das find freilich — ich habe dies fchon betont — Eindrücke
eines auf diefem Gebiet nicht Kompetenten.

Es fei mir noch geftattet, hier auf die ungeheure Ausdehnung
der buddhiftifchen Erzählungsliteratur hinzuweifen
, auf die fich die Anklänge an Neuteftamentliches
verteilen. Der Lefer des v. d. B.fchen Buchs erfährt
natürlich nur von den aus diefer Literatur herausgefuchten
Erzählungen, in denen von folchen Anklängen die Rede
fein kann. Es entgeht ihm leicht, daß fchon die endlofe
Maffenhaftigkeit jener Legenden, die in einer nach mancher
Seite hin dem NT. fo verwandten Vorftellungs- und Le-
bensfphäre fpielen, das Auftreten einiger Ähnlichkeiten
durchaus erwarten laffen muß.

Die Möglichkeit, daß Buddhiflifches in die Kreife
gedrungen ift, in denen die Evangelien entftanden, muß
ja felbftverftändlich in abstracto zugegeben werden.
Aber ziehe ich in Betracht, wie fchattenhaft im übrigen
die Spuren abendländifchen Wiffens von Buddha und
dem Buddhismus in älteren Zeiten find, fo kann ich es
nicht allzu wahrfcheinlich finden, daß die altchriftlichen
Gemeinden oder Autoren fo rafch, wie das angenommen
werden müßte, eine folche Fülle von Legenden aufgefangen
haben follten. Man bedenke, daß die angeblichen
buddhiftifchen Einflüffe bis in die den Synoptikern ge-
meinfame Schicht zurückreichen müßten.

Pifchel nennt in feiner Befprechung des v. d. B.fchen
Werkes (D. L. Z. 1504, 2940) Turkeftan als das Land, wo
die Berührung fyrifcher Chriften mit Buddhiften das Ein-
ftrömen indifcher Materialien in die evangelifche Literatur
vermittelt habe. Die Gefahr liegt nahe, daß die
fchönen Funde, die in letzter Zeit in Turkeftan gelungen
find, indem fie diefem Land für unfer Erkennen hohe
Bedeutung verleihen, uns dazu führen, die Rolle, die das-
felbe in den Vorgängen felbft gefpielt hat, zu über-
fchätzen. Doch Pifchel ftellt in Ausficht, daß die nächfte
Zeit über diefe Dinge unerwartete Auffchlüffe bringen
wird. Die müffen wir natürlich abwarten.

Kiel. H. Oldenberg.

Kennedy, James, D.D., The Note-Line in the Hebrew Scrip-
tures commonly cailed Paseq, or PesTq. Edinburgh,
T. & T. Clark 1903. (IX, 129 p.) gr. 8° s. 4.6

Schriften wie die Kennedys find heutzutage, befon-
ders bei einer Reihe jüngerer a.t.licher Forfcher nicht
fehr beliebt. Steht doch eingehenderes Studium der
hebräifchen Sprache alleweil nicht zu hoch im theologifchen
Kurs, man überläßt es dem Semitiften von Fach und
fegelt lieber im religionsgefchichtlichen Luftballon; und
endlich find gar Unterfuchungen. wie über Päfeq nicht
bloß eine Gedulds- und Willensprobe ftaikfter Art, fondern
erfordern auch eine ganz befondre exegetifche Vertrautheit
mit dem ganzen alten Teftament, die erft durch
längere Praxis zu haben ift.

Man merkt es der Arbeit K.s nicht an, wie viel
Schweiß und Zeit fie gekoflet hat, fie lieft fich leicht und
I verftändlich — nur die langen Reihen über das Vor-
! kommen von Päfeq im a. T. S. 117—126 reden eine
deutlichere Sprache — auch freut man fich allenthalben
! über das textkritifche Taktgefühl des Verfaffers.

Nach Kennedy hat das Pafeq eine viel umfang-
| reichere Anwendung, als man bisher annahm. K. fieht in
| P. ein textkritifches Merkzeichen aus vormaforetifcher Zeit
I und fomit ein wichtiges Hülfsmittel für die Erforfchung
des hebräifchen Bibeltextes. S. 34—90 find die verfchie-
denen Gebrauchsfälle klaffifiziert und mit einem reichen
Beifpielapparat illuftriert. Päfeq fteht 1) bei Gottesnamen,
die von den fonft üblichen eines Buches abweichen (z. B.
1 Mal. 3 1 Tnsn gegenüber dem fonftigen Hin"1 oder mm
! nisas); 2) zwifchen den gleichenBuchftaben, mit denen ein
Wort fchließt und das neue beginnt (z. B. Jef. 62 j Di-ftay
byEtt); 3) wo Fall 2 vorliegen follte (z. B. Deut. 97 nStti
pStt ftatt zu erwartendem DriKSV; 4) zwifchen 2 iden-
tifchen Wörtern (z. B. Gen. 39 in DY> | DY1); 5) zwifchen 2
ähnlichen Wörtern (z. B. Lev. 1931 "län | "Xr); 6) bei 2
ähnlich klingenden Wörtern, von denen das 2. vorzuziehen
ift (z. B. 1 Sam. 41s -|i | -lya 1. m(3) cf. Wellhaufen
, und Nowack z. St.); 7) bei ähnlichen Wendungen (z. B.
Pf. 148 1 mm "ins "ibbn | mibbn); 8) um den Überfchuß einzelner
Buchftaben (z. B. des Jod in 1pD~b Prv. 3 2s), ein-
I zelner und mehrerer Wörter (z. B. Zeph. 22 des ttb nach
! anua od. Hiob 32 e inan bsana-p Simbs), Wiederholungen
, fynonyme Ausdrücke etc., 9) Lücken (z. B. fehlendes
Waw Jer. 7» vor ns*l, oder hinter nnyi Gen. 3 22 etwa
zu ergänzen: ich will ihn vertreiben), 10) abnorme Formen
(z. B. Hag. 112 bsmbffi ftatt bSTibSffi), 11) außergewöhnliche
grammatifche Konftruktionen (z. B. Jef. 63 u Obyian
1 Part. c. Art. u. Suff.), 12) abweichende Wortftellung
j (2 Sam. 318 may mi ftatt umgekehrt wie fonft) zu
monieren; 13) um ungewöhnliche Angaben zu verdächtigen
(z. B. 1 Chr. 2923 Salomo fetzte fich auf den SDD
j mm); 14) um Anthropopathismcn etc. abzuwehren (z. B.
! Pf. 132 Gottes Antlitz); 15) um Lesarten zu verdächtigen
(z. B. Gen. 29 u ytfttj — cf. LXX DW;; 16) in Fällen, wo
1 Schwierigkeiten vorliegen (z. B. in dem Namen 1553 mm
j Ex. 17 15).

Es mag fein, daß K. die Bedeutung des P. über-
fchätzt — bisher hat man fie Unterfchätzt! Auf eine Ent-
ftehung des Zeichens aus einem älteren Abkürzungsftrich,
wofür Praetorius ZDMG 53, 683fr. das P. anfleht, geht
K. gar nicht ein — gewiß ift Praet.s Theorie einfeitig,
aber in einer Reihe von Stellen könnte doch das Paf.
eine ältere Abkürzungslinie fein (z. B. Gen. 12« Ri. 2is).
Ob die Interpretation, die Ken. dem Päf. im Einzelnen
gibt, immer zutrifft, darüber läßt fich ftreiten, gewiß find
manche Päseqs falfch gefetzt oder ausgefallen, oder hat
in taufenden von Fällen der Blauftift des alten Korrektors
noch keine Schwierigkeiten entdeckt — ficher ift K.s
Arbeit für die Herfteller kritifcher Bibeltexte ganz unentbehrlich
und mag auch fchon den Anfänger gefchickt in
die Myfterien der niederen und höheren Textkritik einführen
. Leider ift die Benützung dadurch erfchwert, daß
ein Index über die befprochenen Stellen fehlt.

Straßburg i. E. Georg Beer.

d'Eyragues, M. B., Les Psaumes, traduits de l'Hebreu.
Paris, V. Lecoffre 1904. (LXIV, 427 p.) 8° Fr. 7.50;

in 12° Fr. 4 —

Den Anfang des Buches bildet ein Brief des Herrn
F. G. Vigouroux an den Kardinal Richard, Erzbifchof
von Paris. Daiaus erfahren wir, daß die Pfalmenüber-
fttzung M. B. Eyragues' Prieftern, Seminariften und
Gläubigen große Dienfte leiden wird. Denn die Vulgata,
j ,quelque venerable qu'elle soit, est, de l'aveu de tous, im-
I parfaite'. Der ganzen Arbeit wird das Lob gefpendet: