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Ausgabe:

1905 Nr. 2

Spalte:

49-50

Autor/Hrsg.:

Mayer, Ernst

Titel/Untertitel:

Die Schenkung Constantins und Pipins 1905

Rezensent:

Krüger, Gerhard

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49

Theologifche Literaturzeitung 1905 Nr. 2.

involuisse ftatt a Joseph involutum. Aber wenn der Text I
von Mtth. 2141 wegen B auf S. 23713 qui reddent ei fructum I
lautet, follte er wahrlich nicht 2380, bloß weil jetzt B als
Zeuge verfagt, qiäreddant lauten; und kann man, wieW. p.
XXV tut, 1422 B zuliebepropterpascliam dem gewöhnlichen
pascha vorziehen, wenn an zahllofen anderen Stellen der
Akkufativ/><74Y//(Z auch durch B bezeugt und felbftverftänd-
lich dem Text einverleibt wird? Die Klaffe I, namentlich
B find überreich an Flüchtigkeitsfehlern, Auslaffung von
Zeilen, Worten und Silben: ift es dann geraten oder auch
nur konfequent, 8912 in I Petr. 417 das tempus ft. tempus
est auf Grund von B zu akzeptieren, aber 178 4 in I Cor.
911 das magmim est vor dem bloßen magnum bei RD —
auch zwei Gliedern von Klaffe I! — zu bevorzugen, wo
der griechifche Text beidemal fich mit bloßem xatpoc und
ftsya begnügt? 1013 wählt W. im Text von Luc. iw mit
B adsisto für adsto, warum dann aber 297 ir. nicht auch
adsistabant (d. h. adsistebanf) mit B1 für adstabant in
Marc. 1470?

Ich verfchiebe aber das weitere Eingehen auf diefe
Differenzen bis nach dem Erfcheinen von Weihrichs Unter-
fuchung der Handfchriftenverwandtfchaft; nur eine allgemeine
Bemerkung möchte ich nicht unterdrücken. Faft
ausnahmslos ift W. —und andere gute Editoren lateinifcher
Texte — geneigt, eine Lesartzu verwerfen, die in Bibelzitaten
mit der Vulgata übereinftimmt, fobald auch nur ein Zeuge
eine abweichende Lesart vertritt. Im allgemeinen mit
Recht, denn man kennt den Eifer für Konformation der
alten Schrift-Texte an den offiziell fakrofankt gewordenen.
Aber diefe Konformation, großenteils unbewußt, darum
nicht minder gefährlich, hat nicht bloß der Vulgata gegolten
; die Abfchreiber haben fie von jeher geübt nach
dem ihnen geläufigen Bibeltexte hin; war das ein vor-
hieronymianifcher anderer Art als der von Auguftin benutzte
, fo kann er an vielen Stellen geradefogut früh in
die Auguftinüberlieferung eingedrungen fein, wie etwas
fpäter der Wortlaut der Vulgata. Und ift es denn fo
genau bekannt, wie rein oder aber noch durch Itala-Refte
kontaminiert die Vulgata der Klöfter des 10. oder II. Jahrhunderts
gewefen ift, von der die Abfchreiber der heut
von uns zu benutzenden Auguftin-Handfchriften große
Stücke auswendig wußten? Bei den Bibelzitaten Auguftins
ift die größte Vorficht am Platz: alle Stellen in feinen
Schriften, wo ein und derfelbe Schriftvers von ihm zitiert
wird, muß man mit der gefamten Tradition der befferen
Manuf kripte erft beifammen haben, ehe man endgültig über
Auguftins Lesart entfcheiden darf. — Die Wiener Ausgaben
werden auf diefem Gebiet den beften Dienft erft leiften
können, wenn fie volllländig geworden find, dann wird
man den einen Band aus dem andern korrigieren und —
wahrfcheinlich ftatt ficherer Entfcheidung am Rande recht
viele Fragezeichen anbringen.

Marburg. Ad. Jülicher.

Mayer, Prof. Dr. Ernft, Die Schenkungen Constantins und

• Pipins. Sonderabdruck aus der ,Deutfchen Zeitfchrift
für Kirchenrecht', III. Folge, Band XIV, Heft 1. Tübingen
, J. C. B. Mohr 1904. (69 S.) gr. 8° M. 2 —

In Jahrgang 1889 diefer Zeitfchrift habe ich am Schluß
einer längeren Erörterung (Nr. 17 und 18) über die Ent-
llehung der konftantiniichen Schenkung als Ergebnis
niedergelegt (S. 460): 1) Die fogen. K. Seh. ift das Werk
eines Fälfchers (gegen F'riedrich); 2) fie ift zu Rom ent-
ftanden (mit den Meinen), und zwar führen Vergleichungen
mit Sicherheit in die Zeit Stephans II. und Pauls I., mit
hoher Wahrfcheinlichkeit in die Zeit des letztgenannten
Papftes (fo auch Scheffer-Boichorft); 3) auf Grund der
fprachlichen Vergleichungen und unter Heranziehung
der politifchen und kirchlichen Zeitfragen ift die Zeit
kurz vor 766 als die der Abfaffung der .Schenkung' anzufeilen
(gegen die Meiften; doch f. Scheffer-Boichorft).

Zu dem gleichen Ergebnis, das ich auch jetzt noch für
das richtige halte, kommtMayer, Profeffor des deutlchen
Rechtes an der Univerfität Würzburg, in der oben genannten
Abhandlung. Daß ich das Gleiche behauptet
hatte, ift ihm entgangen. Das fchadet nichts, da die
Beftätigung um fo willkommener ift. Mayer geht von
dem Glaubensbekenntnis aus, das auch nach ihm (f. fchon
Scheffer-Boichorft) die Phafe der Bjlderftreitigkeiten um
die Mitte des 8. Jahrh., näher den opoc der Synode von
754 (diefes Datum, nicht 753, ift das richtige, auch von
M., der Brooks kennt, feilgehaltene), vorausfetzt. Er zeigt
aber auch des Weiteren, wie die Schilderung der öffentlichen
Gewalt des Papftes in der Urkunde nicht den
Jahren vor 754 entflammen kann (hier liegt der Schwerpunkt
der Abhandlung, und manche ftrittige Frage, auf
die hier nicht eingegangen werden kann, wird fcharffinnig
erörtert). Sein hlrgebnis, das durch eine mehrfach neue
Bahnen einfchlagende Unterfuchung der Pipinifchen
Schenkung vorbereitet und beftätigt wird, ift, daß die
Fälfchung am beften verftändlich bleibt, wenn man als
ihre Spitze die Auseinanderfetzung mit Byzanz erkennt,
was mir immer als das allein Richtige erfchienen ift.
Mayer fchreibt mit Recht: ,Befonders mag man vielleicht
an die Situation von etwa 765 oder 766 denken, wo die
Griechen verfuchen, die päpftlichen Gefandten, Chrifto-
phorus an der Spitze, der Fälfchung zu bezichtigen'. M.
ift zu vorfichtig, um diefen Chriftophorus, unter deffen
Einfluß Stephan II. und Paul I. (landen, als den Fälfcher
in Anfpruch zu nehmen. Wer fich daran erinnert, daß
die Sprachvergleichungen (f. meine Ausführungen a. a. O.
457"-) mit Sicherheit auf die Kanzlei eines diefer beiden
Päpfte führen, der wird die Vorficht zwar löblich, zugleich
aber die Identifizierung in der Tat verfucherifch finden.
Eine gelegentliche Bemerkung M.s, wie die, daß wir ,in
unferer gegenwärtigen Gefchichtsbetrachtung, welche die
großen Richtungen des Gefchehens zu erfaffen fucht, viel
zu gleichgültig geworden find gegen die perfönlichen
Motive der Protagoniften' (S. 37), hebe ich hervor, weil
ich glaube, daß man das nicht oft genug fagen kann.

Gießen. G. Krüger.

Wiclifs, Johann, De veritate Sacrae Scripturae. Aus den

Handfchriften zum erften Mal herausgegeben, kritifch
bearbeitet und fachlich erläutert von D. Dr. Rudolf
Buddenfieg. In drei Bänden mit einer Schrifttafel.
Leipzig, Dieterich'fche Verlagsbuchhandlung 1904.
(CXII, 408, 271 u. 377 S.) 8° M. 36 —

Die große Gefamtausgabe der Werke Wiclifs, die
ganz überwiegend eine Arbeit deutfehen Fleißes ift, hat
durch die vorliegende Herausgabe eines weiteren Teiles
der Summa Wiclifs wiederum einen bedeutenden Schritt
vorwärts getan. Wie B. die kleinen lateinifchen Streit-
fchriften, mit denen er 1884 die Gefamtausgabe eröffnete,
zum erften Male dargeboten hat, fo bietet er jetzt die
Schrift De veritate scripturae ebenfalls zum erften Male
im Drucke dar. Auch diesmal hat er mit der englifchen
zugleich auch eine deutfehe Ausgabe erfcheinen laffen,
foweit es die Einleitung und die Inhaltsangaben am Rande
betrifft, während für die kritifchen und erklärenden Anmerkungen
die lateinifche Sprache beiderfeits gewählt ift.

Das Werk felbft ift von großer Bedeutung und jedenfalls
eine der erheblichften Leiftungen Wiclifs. Von der
Oppofition gegen die Übergriffe der römifchen Kurie in
die Rechte der englifchen Kirche ausgegangen, war W.
fchließlich zu der feften Überzeugung gelangt, daß keine
Autorität irgend welcher Art in der Kirche entfeheidend
fein könne außer der der heil. Schrift, und diefen Gedanken
hat er mit der ganzen Energie und Zähigkeit
feines Geiftes feftgehalten und vielfach aufs nachdrück-
lichfte verteidigt. Die vorliegende Schrift ift ganz diefem
Gegenftande gewidmet und führt ihn in der eigentüm-