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Ausgabe:

1905

Spalte:

709-710

Autor/Hrsg.:

Höpfl, Hildebrand

Titel/Untertitel:

Die höhere Bibelkritik. Studie über die moderne rationalistische Behandlung der Heiligen Schrift. 2., verm. u. verb. Aufl 1905

Rezensent:

Lobstein, Paul

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Seite 1

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Theologifche Literaturzeitung 1905 Nr. 26.

Wenn die damalige Chriflenheit (ich durch das Geiftes-
zeugnis leiten ließ, fo ift untere Generation oder die re-
formatorifche Gemeinde nicht minder „Kirche", hat alfo
Recht und Pflicht, das Geifteszeugnis in ihrer Weife zu
vernehmen. Es liegt im Wefen des Geifteswirkens, daß
es nicht an irgend einem Punkte ein für allemal fleh
abfchließt, fondern daß es immer wieder neu erfahren
fein will' (94). Das find Äußerungen, die weiter greifen,
als die meiften Zuhörer des Vortragenden wohl ahnten,
und die manche feiner eigenen Pofitionen aus den Angeln
heben könnten. Im übrigen läßt der anregende
Vortrag eine klare Unterfcheidung der hiftorifchen und
der religiöfen Beurteilung der Frage zu fehr vermiffen.

Muß eine göttliche Eingebung der heiligen
Schrift behauptet werden? fo fragt Lütgert in dem
5. den Reigen fchließenden Vortrag. Nach ftarker Betonung
der menfehlichen Bedingtheit der h. Schrift, formuliert
L. fein Thema näher dahin, ob in der Bibel und
durch die Bibel Gott zu uns fpricht, Gott fich felbft uns gibt.
Haben wir in der Bibel Gottes Wort, dann haben wir
in ihr auch Gottes Geift, darauf kommt es an. Nun läßt
fich an drei Merkmalen klar machen, wodurch fich
Geifl: Gottes und Geift des Menfchen unterfcheiden. Überall
, wo Geift Gottes ift, da ift Wahrheit, fchöpferifche
Macht, Einheit und Liebe. Aus dem Vorhandenfein
diefer drei Merkmale ergibt fich dem Verfaffer die beiahende
Antwort auf die von ihm aufgeworfene Frage.
,Ich berufe mich nicht auf die unkontrollierbaren Wirkungen
, die die Bibel in uns hat. Ihnen kann man den
Einwand entgegenhalten: bei mir hat fie diefe Wirkungen
nicht gehabt. Ich berufe mich auf das, was in der
Bibel felbft, als Tatfache vor unferen Augen liegt'
(110). Man vergleiche diefe Erklärung mit der Auslage
des 4. Redners: ,Daß diefe Sammlung von Büchern Gotteswerk
ift, beweift fie felbft durch ihre Wirkungen' (43).
In Wahrheit liegt aber hier kein Widerfpruch vor: auch
bei L. handelt es fich um fubjektive Eindrücke, die er
von der Bibel erhalten hat. Diele Eindrücke kleidet er
in eine Sprache, die durch ihren autoritativen Ton und
ihre rhetorilche Haltung den Zuhörern wahrlcheinlich
imponiert hat. Der ruhig prüfende Lefer wird vermutlich
anders empfinden und eine beträchtliche Zahl fo
kräftig vorgetragener Entfcheidungen mit energifchen
Fragezeichen verfehen.

Blicken wir auf die Vorträge als Ganzes zurück —
die einheitliche Überfchrift ,die Bibelfrage in der Gegenwart'
fordert uns gerade zu einer folchen Stellungnahme heraus
_ f0 wird man in diefer Veröffentlichung ein cha-

rakteriftifches Zeichen der Zeit erblicken dürfen. Diefes
Spezimen einer Theologie, die — nach der unbeftimmten
Erklärung der Vorrede — ,gegen die moderne Ablehnung
der Bibel' Front machen loll, ift mit großen und
kleinen Ketzereien fo gefchwängert, daß es den pofitiv
fein wollenden Laienkreifen vor einer folchen Apologetik
bange fein könnte. Mögen auch heftige Ausfälle
wider die Gegner — folche finden fich hier beinahe nur
bei Lepfius — oder falbungsvolle Betrachtungen einzelne
Kühnheiten oder Schwierigkeiten verhüllen; keine Weihrauchwolke
der Andacht, kein Feuerwerk der Rhetorik
oder Polemik wird auf die Länge den Lefer über die
Tatfache hinwegtäufchen, daß die Vertreter der heutigen
Rechtgläubigkeit im Prinzip keiner anderen Methode
huldigen als die böfen Kritiker.
Straßburg i. E. P. Lobftein.

Höpfl, Prof. P. Hildebrand, O. S. B., Die höhere Bibelkritik
. Studie über die moderne rationaliftifche Behandlung
der Hl. Schrift. Zweite, vermehrte und
verbefferte Auflage. Paderborn, F. Schöningh 1905.
(V, 157 S.) gr. 8° M. 3.60

Die erfte Ausgabe diefer Schrift ift in diefem Blatte

(Jahrgang 1902, Nr. 12) bereits angezeigt und charakte- I

rifiert worden. Die gegenwärtige Auflage, die von 110
Seiten auf 157 gediegen ift, darf fich als verbefferte und
vermehrte bezeichnen. Allerdings ift die Anlage diefelbe
geblieben, und abgefehen von den Erweiterungen und
Umänderungen, die zur Befeitigung von Mißverftändniffen
vorgenommen worden find, hat auch der Text keine
wefentliche Umgeftaltung erfahren. Der Verf. hat die
neuefte einfehlägige Literatur zum großen Teil verwertet
und angeführt; ,doch war Vollftändigkeit in der Literaturangabe
nicht beabfichtigt, da unfere Schrift nicht eine
erfchöfpende Behandlung des umfangreichen Stoffes fein
foll, fondern nur eine kurzgefaßte Orientierung für folche
Kreife, welche fich mit den hier befprochenen Fragen nicht
exprofesso befchäftigen können.' Es ift nicht zu verwundern,
daß das Buch bei feinem erften Erfcheinen ,wegen allzu
toleranter Richtung' und ,wegen der extrem- irenifchen
Gefinnung des Verfaffers' von gewiffer Seite ungünftig
beurteilt wurde. Deffen ungeachtet ift H. feinem
früheren Standpunkte treu geblieben. ,Nur die Liebe
zur heiligen Schrift, deren Studium gegenwärtig vom
oberften kirchlichen Lehramt dringend empfohlen und
in wirkfamer Weife gefördert wird, hat den Verfaffer
zur Neuherausgabe der vorliegenden Arbeit bewogen'.
Zur näheren Charakteriftik des Buchs dürfen wir auf die
oben angeführte Rezenfion verweifen.

Straßburg i. E. P. Lobftein.

Stutz, Prof. Dr. Ulrich, Das preußifche allgemeine Landrecht
und der Eigentümer des Kirchenguts. Sonder-Ab-
druck aus der Feftgabe für Prof. Dr. Bernhard Hübler
. Berlin, F. Vahlen 1905. (18 S.) gr. 8° M. — 60

Anknüpfend an einen Ausfpruch Hüblers in feiner
1868 erfchienenen Schrift ,Der Eigentümer des Kirchenguts
', wonach die Kontroverfe über das Subjekt des
Eigentums am Kirchengut eine ziviliftifche fei, unterfucht
Verf. die Stellung des Preußifchen Allgemeinen Landrechts
in diefer Hinficht. Er kommt zu dem von der
bisher vorwiegend vertretenen Auffaffung abweichenden
Refultate, daß das Allgemeine Landrecht die Eigentümerfrage
nicht als eine kirchenrechtliche betrachte und fie
überhaupt nicht behandle, fie vielmehr, ganz wie Hübler,
als eine ziviliftifche anfehe. Im Einzelfalle muffe der
Zivilrichter die Frage an der Hand des bürgerlichen
Rechts und eventuell der diefes vertretenden kon-
feffionellen Rechtsgrundfätze entfeheiden.

Kiel. Frantz.

Bibliographie

von Lic. theol. Paul Pape in Berlin.
jDcutfcbc Literatur.

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Perlei,r„Babylonifch-jüdifcheGlolTen. [Aus: .Orientalin.Literatur-Zeitg '1
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Die Bibel in der Kund. Nach Orig.-Illnltr. erller Meiller der Gegenwart.
Erläuternder Bibeltext v. A. Arndt. (In 20 Lfgn.) 1. u. 2. Liefg. Mainz
Kirchheim & Co. 1905. (S. 1—26 m. je 5 Vollbild.) gr. 40 je M 1 50