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Ausgabe:

1905 Nr. 26

Spalte:

703-705

Titel/Untertitel:

Bibliotheca reformatoria Neerlandica. Geschriften uit den Tijd der Hervorming in de Nederlanden 1905

Rezensent:

Köhler, Walther

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Theologifche Literaturzeitung 1905 Nr. 26.

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zu verfolgen find und aus denen der Verf. in der II. fannchen, mein Abraamchen und mein Ifaakchen, dal! fie
und III. Beilage wertvolle Stücke publiziert. Die Servitien- ' in der Furcht Gottes aufgezogen werden; — ach mit
pflicht aber ift befchränkt auf Pfründen von über 100 Flor, wie heißen Tränen bitte ich Gott darum! Mein liebftes
Jahresrente und hängt natürlich an der päpftlichen Pro- I Lieb auf Erden, küßt mir meine Kinderchen alle zu-
vifion diefer Pfründen. Weitere Frage alfo, feit wann fammen und fagt meinem Sufannchen, Väterchen möchte
die päpftliche Provifion auf alle diefe Pfründen ausgedehnt j gerne, daß fie ihrem Muttchen gehorfam fei in der Furcht

ift. Verf. erweift die verbreitete Annahme, daß fchon
,Mitte des XIII. Jahrh. die Beftätigung und Ernennung
fall fämtlicher Bifchöfe durch die Päpfte zum flehenden
Recht geworden' fei, als unrichtig und legt in forgfältigen
Zufammenftellungen dar, wann für die einzelnen Bistümer
der nördlichen Länder die kontinuierliche Reihe' der
päpftlichen Provifionen beginnt; nur in wenigen Fällen
geht fie ins XIII. Jahrhundert, vielfach nicht über die
zweite Hälfte des XIV. zurück. Bekanntlich liegen die
Dinge in den romanifchen Ländern, zumal in Frankreich
anders und daß die Natio gallicana ihre kirchenpolitifche
Sturm- und Drangperiode mehr als 100 Jahre vor der
deutfchen erlebt hat, hängt mit der allgemeinen und trotz
gelegentlicher Reduktion ungewöhnlich ftarken Beladung
ihrer im Kriege verarmten Kirchen zufammen.

Bleibt die letzte Frage, wie weit der geformte Tiber
Taxarum zurückzuverfolgen ift. Eine ältere Beobachtung
berichtigend und eine fchon von Tan gl publizierte Notiz
verwertend, urteilt der Verf., daß vielleicht fchon vor 1354
ein Uber taxarum vorhanden gewefen ift, die Voraus-
fetzungen für unfere jüngere Redaktion aber wohl erft

Gottes und fleißig fei Muttchen zu helfen, ihren Brüderchen
Brod zu geben'. Das kommt Alles fo rührend
fchlicht und einfach heraus, gerade dadurch packt es.
Theologifche Weisheit darf man bei diefen Gefangenen
nicht fuchen, fie leben ein Laienchriftentum in ihrer Bibel,
manche Briefe find ein Aneinanderreihen von Bibel-
fprüchen, fei es fich zum Trott oder Weib und Kind zur
Ermahnung. Theologifch halten fie in der Regel nur
zwei Punkte zäh und unerbittlich fett: die Erwachfenen-
taufe und das Abendmahl als Gedächtnismahl; hie und
da kommt auch die bekannte Frage nach Chrifti Fleifch-
werdung zur Sprache mit der Löfung: Chriftus hat fein
Fleifch in Maria empfangen, nicht von Maria. Daß
diefe älteften erhaltenen Märtyrerbriefe außerordentlich
viel gefchichtliches Material enthalten, liegt auf der Hand;
die einzelnen, zumeift anderweitig bekannten Perfönlich-
keiten treten in intimfter Anfchaulichkeit vor uns, Leben
und Zuftände in den Gemeinden werden klar; wir hören
z. B., daß mitunter die Gemeindeglieder ihren Täufer
oder auch die Brüder und Schwertern der Gemeinde
überhaupt nicht mit Namen kennen, um bei eventuellem

am Ende des XIV. Jahrh. gegeben waren. Die Hand- . Verhör mit gutem Gewiffen nicht den Verräter fpielen

fchriften disharmonieren ftark, wie das bei lebendigen zu müffien. Speziell die deutfche Täufergefchichte betrifft

Büchern des Gebrauchs zu fein pflegt. Gleichwohl haben ! de belijdinge van Michiel Satter, die welche hy te Roten-

wir zu dem Verfaffer das Zutrauen, daß er die Schwierig- j borch den den Necker tnet zijnen bloede betuycht heeft. Er

keiten der Edition überwinden und auch im Reichtum ift ,der einzige nichtniederländifche Märterer, der im „Opfer

der Notizen Maß halten wird. des Herrn" vorkommt' (S. 62). Sein Martyrium ift uit den

Göttingen. Brandi.

Bibliotheca reformatoria Neerlandica. Geschritten uit den
tijd der hervorming in de Nederlanden opnieuw uit-

gegeven en van Gleidingen en aanteekeningen voor- I MVrtyriumsVcÄ findfie" alTbefonderes liel

Hoochduytsche in Nederduytsch ghetranslateert', aber nicht
vollftändig, wie Kawerau, der das (Cramer nicht zugängliche
) in Wolfenbüttel befindliche Original einfah, in den
Gött. Gel. Anzeigen 1905 des Näheren erwies. Die Lieder
flehen teils unmittelbar hinter den Briefen und

zien door Proff. DD. S. Cramer en F. Pijper. Twee-
de deel: Het Offer des Heeren (de oudste verzameling
doopsgezinde martelaarsbrieven en offerliederen), bewerkt
door Dr. S. Cramer. 's-Gravenhage, M. Nijhoff
1904. (XII, 683 blz.) Lex.-80 (Je) M. 14 —

Außerordentlich fchnell ift dem erften Bande des
großen holländifchen reformationsgefchichtlichen Sammelwerkes
(vgl. diefe Zeitfchr. 1905 Nr. 2) der zweite gefolgt
. Prof. Cramer bietet das fogenannte Offer des Heeren
dar d. h. eine Sammlung von Briefen taufgefinnter Märtyrer
und Lieder über fie, zumeift aus der zweiten Hälfte
des 16. Jahrhunderts. In der Tat een historisch gedenk-
stuk van de grootste wardij. Es ift ein Volksbuch, von
Hand zu Hand, von Mund zu Mund gegangen, das in
unmittelbarfter Weife den Glaubensmut und die ftählende
Kraft des Martyriums bei diefen Taufgefinnten offenbart.
Man glaubt fich erinnert an die Tage der erften Chriften-
verfolgungen, innige Liebe zu Weib und Kind, größere
Liebe aber zum Herrn und feiner Wahrheit! Nur eine
Stelle fei (in Überfetzung) hierhergefetzt. Der zu Rijper-
mund gefangene Hendrick Verftralen fchreibt 1571 an
feine Hausfrau: ,Ach mein Janneken, mein Schäfchen, wie
fchwer fällt mir das Scheiden, von Euch und den Kindern,
ach, wie tief liegt ihr mir im Herzen befchloffen, das
macht mir jetzt große Qual, der Herr helfe mir zur
Überwindung zu kommen, auf daß mir die Krone des
Lebens bereitet werde mit allen auserkorenen Heiligen
Gottes, die das Alles hinter fich gelaffen haben um des
Herrn willen. Ach, meine liebe Hausfrau, mein Schäfchen,
mein Lieb, ich danke Euch aus tieftter Tiefe meiner Seele

boecxhen am Schluffe beigefügt (urfprünglich feparat er-
fchienen, daher mit eigener Paginierung und Signatur
vgl. S. 9).

Von dem ,Opfer des Herrn' find 11 Ausgaben bekannt
aus den Jahren 1562 bis 1599. Cramer legt feinem
Texte die vierte Ausgabe von 1570 zugrunde unter
Angabe bemerkenswerter Varianten der anderen Drucke.
Der Grund für die Wahl gerade jenes Druckes liegt
wohl einmal (f. S. 10/11) darin, daß er mehr enthält als
die früheren, fodann dem Herausgeber bequem zugänglich
war. Im übrigen ift Cramer den von Pijper in Bd. I
aufgefüllten Editionsgrundlätzen, getreulich gefolgt' (S. X),
fodaß alfo unfere Bedenken (a. a. O.) auch hier gelten.
Sehr viel aber, im Gegenfatz zu Pijper, hat Cramer in
Erläuterungen fachlicher wie fprachlicher Art getan. Dafür
find wir ihm außerordentlich dankbar und finden
fein Bedenken, er habe zu viel geboten, ganz und gar
nicht berechtigt. Der Druck ift ebenfalls weit forgfältiger
überwacht als bei Pijper. Intereffant ifl S. HO das Zitat
Mt. 7«: ,warum foll ich die Rofen vor die Hunde und
die Perlen vor die Säue werfen?' Ift diefe Faffung fub-
jektive Erweiterung des Autors oder irgendwie hand-
fchriftlich begründet? Cramer bemerkt: eene vertaliug.
die ik in geene bijbehutgaaf heb kunnen vinden. Die Stelle
S. 142: daerom ist veel beter, dat ghy den Armen daer
mede (d. h. überfchüffigem Gelde) heifit, dan dattet de Heer
heeft erklärt fich vielleicht fo, daß man die beiden letzten
Worte in Anführungsftriche fetzt und fie von der katho-
lifchen Praxis des ,Gefchenks an den Herrgott' d. h. in
den kirchlichen Opferkaften für Altarausfchmückung u.
dergl. verfteht; gegen diefen Brauch polemifiert der Autor.

für euren troftreichen Brief, den Ihr mir gefchickt habt. . . . j Cramers Vermutung, de Heer fei der Kaifer, wird durch
ich bitte Euch, meine allerliebfte Frau, forgt doch, fo j den Zufammenhang ausgefchloffen. Sprachgefchichtlich
lange Ihr lebt, für meine jungen Lämmchen, mein Su- | intereffant ift die Bezeichnung maerte, marte für Dienft-