Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1905 Nr. 2

Spalte:

45-49

Autor/Hrsg.:

Augustinus, S. Aureli

Titel/Untertitel:

Epistulae 1905

Rezensent:

Jülicher, Adolf

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2, Seite 3

Download Scan:

PDF

45

Theologifche Literaturzeitung 1905 Nr. 2. 46

ein literarifcher Hinweis eingeflochten, aber dann mit
einer Ausdeutung, die den vom archäologifchen Material
her durch den Verf. gewonnenen Richtlinien entfprechend
ift. Diefes felbfl wird zuvördcu unter den Überfchriften
,Das Zeitalter der Verfolgung, D Z. der Konzdien, D. Z.
der nördlichen Einfälle' abgehandelt, wobei unbefangen
notorifch jüngere Monumente zwifchen den älteren ein-
regiftriert find, und am Ende der Kapitel die Schlußfolgerung
fummarifch gegeben. Die beigefügten Ab-
bildu ngen find meift ungenau und nicht geeignet, den
Sachverhalt, auf deffen präzife Erhebung viel ankommt,
zu illuftrieren, häufig bloße Umrißzeichungen gröbfter
Ausführung. Ein Weniger wäre hier mehr gewefen; vgl.
Strzygowski, Iconographie der Taufe Chrifti (München
1885). Am Ende ner Abhandlung werden als .Quellen
des gängigen Irrtums' die Analogie zwifchen Taufe und
Tod an der Stelle Rom. 64 und die Ausdrücke (tajtriroj,
Xovroor, *K"r«duc> abgetan, die auch den Ritus in der angezeigten
Au-fünrung betroffen haben follen! Der Sachverhalt
wird alfo auf den Kopf gefiV 11t, was an den Anfang
gehört, an den Schluß verlegt, und als Ergebnis (p. 302)
geliefert: . The modern Gr eck custom of dipping probably
became universal in the East between thc ninth and eleventh
centuries, at the time wlien Byzanttne ari became stereo-
typed and so strongly marked by liturgical custom, and
when original thought alsogave wciy to rigid traditionalism

Es ift ein fchwieriges Gefchaft, Doppelzeugniffe wie
lie der Monumente und literarifchen Quellen an einem
Gegenftande wie dem vorliegenden gemeinfam reden zu
laffen. Das erfordert neben peinlicher Exaktheit in der
Erhebung der Merkmale auf den verfchiedenen Stufen
einen gewiffen Weitblick in der Veranfchlagung der etwa
vorhandenen Verbindungslinien zwifchen beiden Gebieten
und doch auch wieder Innehaltung der in diefer Beziehung
heraustretenden Grenzen. Es wäre an der Zeit, daß eine
Monographie über die Taufe gefchrieben würde, die
beides, die vorhandenen liteiarifchen Daten und die er-
kennbaren künftlerilchen Zeugniffe in gehöriger Durcharbeitung
in fich befaßt und zugleich berechtigten Momenten
einer allgemeineren religionsgefchichtlichen Be-
trachtung Rechnung trüge. Bis wir eine folche haben,
fcheint mir der Schluß, daß von Anbeuinn die Taufhandlung
, wo nicht durch immersio allein, durch immersio und
Infusio zugleich ftattgefunden (de Rofli, vgl. Kraus' Realenzyklopädie
II 837), der gegebene zu fein.

Merkwürdig iit, wie Verf. die Bedeutung der vorhandenen
älteften Katakombenbilder von St Calliflo verkennt
. Das große zweibändige Katakomben werk des päpft-
lichen Monfignore und Protonotars J. Wilpert liefert ja
nun das gefamte Mateiial in neuefter, prächtiger Reproduktion
. Das Werk ift auch bereits von Harnack in Nr. 1
d. Jahrgangs 1904 der Th. Lit.-Ztg. in hohen Tönen ge-
priefen worden. Aus diefem Anlaß fei hervorgehoben,
daß eine im Intereffe der Sache liegende genauere Nach- j
prüfung nicht ausbleiben wird.

Betheln (Hann.). Hennecke.

S. Avreli Avgvstini, Hipponensis Episcopi, De consensv
evangelistarvm libri quattuor. Recensuit et commen-
tario critico instruxit Franciscus Weihrich. Vindo-
bonae, F. Tempsky MDCCCCIIII. (XXXI, 467 p.) gr. 8"

M. 15 —

— Epistvlae. Recensuit et commentario critico instruxit
AI. Goldbacher. Pars III. Ep. CXX1V—CLXXXIVA.
Ibd. MDCCCCIIII. (736 p.) gr. 8° M. 2t.60

(= Corpus scriptorum ecclesiasticorum latinorum.
Editum consilio et impensis academiae litterarum
caesareae Vindobonensis. Vol. XXXXI1I et XXXXIIII.)

Die Auguftin-Ausgabe fchreitet im Corpus scriptorum
Vtndoboncnse verhältnismäßig rafch fort; zwei neue Bände

find jetzt gleichzeitig erfchienen. Wir waren gefpannter
auf den 44., der Auguftins Briefe von Nr. 124 bis Nr. 184A
enthält. Die früheren Briefe Nr. 1 bis Nr. 123 waren
1895 und l898 (r- ThLZ. 1895, 309f. und 1899, 21t ff.)
publiziert worden; die Fortfetzung umfaßt nur einen Teil
der tertia classis der Mauriner, und den Reft dürfen wir
nicht auf ein Mal erwarten, zumal Regifter und Vorwort
hier befonders großen Raum beanfpruchen werden. Etwa
1916 wird unfern Nachfahren günftigen Falls die neue
Edition der ,Epistulae' des Auguftinus fertig zur Hand fein.

Allerdings enthält fie des Neuen nicht eben viel.
Einen bisher unbekannten Brief kann G. wie in pars II
und aus dem gleichen Codex Chcltenliamensis wie dort
mitteilen, Nr. 173 A p. 648—650. eine kurze und oberflächliche
Belehrung über die Gottheit des h. Geiftes. Die
Abfaffungszeit ergibt fich ziemlich ficher aus dem Hinweis
des Verfaffers auf die nahe bevorftehende Veröffentlichung
feines Werks über die Trinität 6508t. Der Text
ift bei G. auf Grund der einen Handfchrift noch nicht
einwandfrei; die Zuverläffigkeit der Tradition im Chcltenliamensis
mag man am Apparat von epist. 133 kontroliei en.
In dem neuen Brief fcheint mir 6491 hinter nescire ein
ine unentbehrlich, ebenfo ein sed vor et Uli 64913; die
Adreffe 64813-15 {condiaconis Titiano et fratri Comiti),
das iniri 6494, das iamque 6509 find verdächtig. Der
Satz 64928fr. iit nicht zu verliehen, wenn nicht ein Komma
den Hauptfatz et unus deus solus est von dem mit latria
exhibetnr fchließenden Nebenfatze trennt. Sonft ift das
Hauptverdienft der neuen Ausgabe, daß wir durch einen
reichen Apparat die Gefchichte der handfehriftlichen
Überlieferung beffer kennen lernen. Die Emendationen
gegenüber den Maurinern betreffen größtenteils Ortho-
graphica (zu denen ich faft auch das unermüdlich von
G. durchgefetzte Ilipponicnsis ftatt Hipponensis rechnen
möchte), Wortllellung, Interpunktion; immerhin wird ein
gutes Hundert fachlich wertvoller Textverbefferungen wie
proereandorum ft procurandorum 73319, Abel ftatt vel695 29,
in dem Ziiat aus I Petr. 319 praedieavit spiritibus ft. sp.
veniens praed. 5214 und namentlich 46518 die in der Tat
bedeutfame Streichung des per vor ineum liberum ar-
bitrium, einige davon glückliche Konjekturen, in dem dritten
Bande eingeführt fein. Ein paar Verfchlechterungen nimmt
man in den Kauf, fo vielleicht quid ftatt quod 326 — der
Sinn des Satzes quod de nobis senserit fcheint zu fein:
,daß fie uns damit gemeint hat' — oder 73326 quid ft.
qua in dem Satz per haue coneupiscentiam, qua urqur
seminatus neque coneeptus est Christus.

Die Sauberkeit, mit der G. arbeitet, verdient immer
wieder das höchfte Lob, faft nie kann man ihm Druckfehler
nachweifen, feiten überfehene Zitate oder Anfpie-
lungen an Bibclftellen wie 13 7f. II Kor. 1012 oder 73416 t.
Rom. 123; die Beftandteile der Zitate find nicht immer
vollftändig durch den Druck als folche kenntlich gemacht;
j z. B. wären 54012 13 auch enim und ut zu fperren gewefen.
Wenn eine Schriftliche in mehreren Abfchnitten eines Briefs
hintereinander verwendet wird, wäre etwas weniger Spar-
famkeit im Hinweifen darauf erwünfeht, z. B. vermiffe
ich 5304 ein ,cf. I Ptr. 319f.'; von 5229f. her ift die S eile
wohl dem Leier des ganzen Briefs noch im Gedächtnis,
aber gibt es nicht auch Gründe für den Forfcher, eine
einzelne Stelle in einem langen Briefe nachzufchlagen?
Das äfthetifche Motiv, das G., wie es fcheint, veranlaßt
hat, feine zahlreichen Bezugnahmen auf die Lesarten der
offiziellen Kirchenbibel abwechfelnd mit sec. Vulg. und
mit sec. sacr. litt, einzuführen, — als wenn die von der
Vulgata abweichenden formen nicht auch secundum sacras
litteras gewählt worden waren! —, würde ich ihn bitten,
in Zukunft zu unterdrücken, talls folche Bitten bei den
Wiener Herren irgendwelche Auslicht auf Erhörung hätten.
Von den früher geäußerten Wünfchen ift nämlicn keiner
erfüllt worden; nach wie vor taucht derfelbe Kodex in
den verfchiedenen Briefen unter den verfchiedenften Siglen
auf, nach wie vor bleibt dem Lefer verheimlicht — feit