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Ausgabe:

1905 Nr. 24

Spalte:

651-654

Autor/Hrsg.:

Leipoldt, Johannes

Titel/Untertitel:

Didymus der Blinde von Akexandria 1905

Rezensent:

Krüger, Gerhard

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Theologifche Literaturzeitung 1905 Nr. 24.

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geboten. Die dunkle Stelle XI,n [xoouixov uvöxriQiov)
ift überfetzt: who makes an asscmbly of men and acts
unlawfully. Hauler ftellt die Varianten in feiner Einleitung
zufammen, hebt aber nicht hervor, welche Bedeutung
es hat, daß wir hier zum erften Mal zufammen-
hängende Stücke aus dem zweiten Teil der Didache in
einer fpäteren Canonesfammlung finden. An das Di-
dachefragment fchließt fich ein Stück aus der Didaska-
lia, eingeleitet mit einem Satz parallel Apoft. Konft.
11,57, mit Kürzungen und kleinen Änderungen, dem Text
in der Ausgabe von Achelis-Flemming Kap. XII (68,9 ff
68,10—12, 68 20 f., bis 69.12, 6920—25, 69,35—70,8) und Hauler
p. 42—43 entfprechend. Abgefchloffen wurden beide
Fragmente mit einer Schlußformel wie fie Kan. 48 die
ägyptifche Kirchenordnung abfchließt. Nach diefem
Einfchub geht der Text wie in S und A parallel Apoft.
Konft. VIILsff. weiter, nur daß E den Text des Gebets
zur Ordination des Bifchofs wegläßt. E und A fagen
nur in der Rekapitulation am Anfang ywomen1 ftatt gifts.
In Kan. 66 (entfprechend S 75) fchiebt E eine Homilie
über die Feier von Sabbath und Sonntag ein, in
der auf Grund von Ex. 31,13, Jef. 56,3—8 ausgeführt wird,
daß die Chriften fowohl den Sabbath als Tag der Ruhe
des Schöpfers, wie den Sonntag als Tag der Auferfteh-
ung feiern füllten; deshalb fpreche fchon Jefajas von
den Sabbathen im Plural. Die Anrede Ye and Your
slaves and Your servants und der Schluß mit der Verheißung
zeigen, daß wir es mit einer alten Homilie zu
tun haben. In Kan. 67 bringen die älteren Codices von
E einen Einfchub von Gebeten, beginnend mit einem Morgengebet
, die der Herausgeber aber nach den jüngern
Codices an den Schluß von E geftellt hat. Sie wurden
lateinifch fchon von Petrus Abbas 1548 herausgegeben
und finden fich außer dem erften bei Migne P. I.
CXXXVII1, col. 938 fr. Diefe Gebete erfcheinen jüngeren
Urfprungs. Der Schluß der eigentlichen Canones ilt bei
E 72 wie bei A 71 und S 78. A hat wieder die aus-
führlichfte subscriptio.

Diefe Überficht des reichen Inhalts genügt, um zu
zeigen, welche Fülle von neuen Problemen fich hier ftel-
len. Je dankenswerter die Gabe Horners ift, defto mehr
ift aber zu bedauern, daß er feine Ausgabe nicht nur
dem Format nach, fondern auch in der Anlage fo un-
praktifch eingerichtet hat. Die Überfetzungen hätten in
Columnen nebeneinander gefetzt werden müffen. Die
Hauptabfchnitte mußten im Druck kenntlich gemacht
und am Kopfe der Seiten mußten die Nummern der
Kanones wiederholt werden; ebenfo hätte die Einleitung
mit Zahlen auf die Texte verweifen müffen. So wird
jeder Benutzer koftbare Zeit verlieren mit Blättern und
Auffuchen der Parallelftellen. Für das Kollationsmaterial
muß dann noch wieder befonders gefucht werden.
Auch hätte es im Intereffe des Herausgebers gelegen,
wenn er über die Bedeutung der von ihm dargebotenen
Texte wenigflens einige Andeutungen gemacht hätte, wie
es in diefer Anzeige verfucht worden ift. — Diefe Ausfüllungen
follen aber den Dank für die wertvolle Gabe
nicht vermindern. Möchte die Forfchung nun rüftig
vorangehen und es ihr gelingen, das Knäuel der alten
Kirchenordnungen endgültig zu entwirren.

Berlin Ed. v. d. Goltz.

Leipoldt, Johannes, Didymus der Blinde von Alexandria.

(Texte und Unterfuchungen zur Gefchichte der alt-
chriftlichen Literatur. Herausgegeben von Oscar von
Gebhardt und Adolf Harnack. Neue Folge. Vierzehnter
Band 3. Heft.) Leipzig, J. C. Hinrichs'fche
Buchhandlung. (III, 148 S.) gr. 8° M. 5—

Mit diefer lehrreichen Abhandlung fich zu befchäf-
tigen ift ein Vergnügen. Das gute Vorurteil, mit dem
man um ihres durch mehrere gründliche Arbeiten bekannten
Verfaffers willen an fie herantritt, erweift fich
durch die Lektüre als zu Recht beftehend. Das Thema
fchon ift gefchickt gewählt. Seitdem man durch v. Schuberts
Bemerkungen (KG. J, 501 f.) auf ihn aufmerkfam
gemacht wurde, ift Didymus der Blinde von Alexandria,
man möchte fagen, an der Tagesordnung. Grade der
richtige Augenblick für eine Monographie! Freuen wir
uns, daß das neue Thema darin fofort ausgiebig, in mancher
Beziehung erfchöpfend behandelt worden ift. Hüten
wir uns aber auch vor naheliegendem Didymus-Fanatismus.

Leipoldt handelt zunächft von Lebenslauf und Schriften
feines Helden. Zur Chronologie des Lebens weiß
auch er nicht viel zu fagen. Die Notizen find eben zu
fpärlich. L.s Vertrauen in die Angaben des Palladius
halte ich für berechtigt. Die chronologifchen Aufteilungen
Butlers haben fich auch mir gelegentlich einer näheren
Befchäftigung mit der Chronologie Rufins als gut begründet
erwiefen, fo daß ich gegen den Anfatz des Lebens
des Didymus auf die Zeit von 313 bis 398 nichts Schlagendes
einzuwenden müßte. Natürlich bleibt hier alles un-
ficher. Völlig unficher auch, was fich über Didymus als
Lehrer an der Katechetenfchule über die bloße Tatfache
hinaus fagen läßt. Wenn L. fchreibt: ,Sollte Didymus,
der erfte uns bekannte Vertreter der von Athanafius erft
362 anerkannten jungnicänifchen Formel (ila ovöla —xqsIc
VJtoöxccöEiq, . . erft nach 362 Vorfteher der alexandri-
nilchen Schule geworden fein?', fo fteht hinter diefen
Worten bereits die als erwiefen angenommene Behauptung
Holls, daß der pfeudogregorifche löyoq xaxa
AqsIov xal SaßeXllov ein Werk des Didymus fei. Ift aber
diefe Behauptung wirklich erwiefen? Ich erinnere nur
daran, daß Holl (Zeitfchr. f. Kirchengefch. 1904. S. 384)
fchreibt: ,Unfer Theologe ift ein noch treuerer Anhänger
des Origenes als der Nyffener1, während L. am Schluffe
feiner Darfteilung von Didymus' ürigenismus (S. 73) fagt:
,Das Intereffe, das Didymus an Origenes hat, ift das Intereffe
eines Antiquars, und nicht das Intereffe eines
Denkers'. Stimmt das zum löyoql Ich finde übrigens,
daß Holl mit dem pofitiven Teil feines Beweifes zum
mindeften ebenfo rafch verfahren ift, wie Funk mit dem
Nachweis, daß die pfeudobafilianifchen Bücher adv. Eu-
nomiurn ein Werk des Didymus feien. L. aber wider-
fpricht geradezu einer wefentlichen Prämiffe von Holl,
ohne die Tragweite feines Widerfpruchs zu ermeffen.
Holl nämlich betont, daß der Verfaffer des XÖyoq, alfo
Didymus, Kenner des Hebräifchen fei, Leipoldt dagegen
fpricht Didymus Kenntnis des Hebräifchen ab: ,Hebräifch
hat Didymus ficher nicht verftanden' (S. 46). Wie konnte
L. dann aber auf S. 9 fchreiben: ,Daß (der Xoyoq) von Didymus
herrührt, hat Holl . ., wie ich glaube, ein- für alle-
I mal erwiefen'? Nun bin ich zwar der Anficht, daß L.s
Gründe für die Unbekanntfchaft des Didymus mit dem
Hebräifchen nicht zureichen, und infofern liegt für mich
I hier keine Inftanz gegen Holl; aber man fieht, wie leicht
' fich das Zünglein an der Wage bewegen läßt. Und
i fteht es bei Funk anders? Ich halte feine Thefe auch
j nicht für erwiefen und die Gegenbemerkungen Leipoldts
haben mich darin nur beftärkt. Aber warum Holl (Am-
philochius 245) fagt, der Ausdruck xQOJtoq xrjq vxaat-emq
I entfcheide gegen Didymus, denn er paffe in feine Terminologie
fchlechterdings nicht, weiß ich nicht. Ich bin
im Gegenteil überzeugt, daß Didymus ihn gern akzeptiert
hätte, wenn er ihm entgegengebracht worden wäre, ja
daß er ihn — abftrakt genommen —■ hätte erfinden
können. Nicht übel fragt L. einmal (S. 124): ,Ift es am
Ende nicht doch möglich, daß zwei Theologen des vierten
Jahrhunderts auf denfelben Gedanken unabhängig von
einander kamen?' Gewiß ift das möglich, fehr gut fogar.
Befcheiden wir uns alfo: der Xoyoq xaxa Aoelov xal 2a-
ßsXXiov ift pfeudogregorifch. die Bücher adv. hunomium
find pfeudobafilianifch. Vielleicht fuhrt uns ein glücklicher
Zufall noch einmal mit Sicheiheit auf den Autor.
Innerhalb des literargefchichtlichen Teiles der L.fchen