Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1905 Nr. 24

Spalte:

648-651

Autor/Hrsg.:

Horner, G.

Titel/Untertitel:

The Statutes of the Apostles or Canones Ecclesiastici 1905

Rezensent:

Goltz, Eduard Alexander

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2, Seite 3

Download Scan:

PDF

647

Theologifche Literaturzeitung 1905 Nr. 24.

648

iM; vielmehr hat Johannes den Wortlaut jener nur in lebhafter
Erinnerung und bedient fich desfelben zuweilen |
auch da, wo er felbft etwas anderes fagen will. Im He- I
bräerevangelium, an welches Papias bei feinem Zeugnis
über Matthäus gedacht hat (S. 341), fand ftatt der Petrus-
erfcheinung die Jakobuserfcheinung Aufnahme (S. 64 f.),
und einige ältere Erinnerungen mögen fich felbft in dem
fpäten Petrusevangelium erhalten haben (S. 68 f.).

Das im Grunde freilich SelbMverMändliche, daß fich
die in diefen Berichten enthaltenen Erzählungen nur durch
Anwendung unerlaubter und wahrhaft verzweifelter
Mittel zu einem einheitlichen Bilde vereinigen laffen, j
wird forgfältig und unverdroffen aufs neue erwiefen j
(S. 85—105,) dann aber der wirkliche Tatbeftand ebenfo
eingehend und vorfichtig erörtert. Als folcher ftellt fich
heraus die Erfcheinung, die Petrus und gleich nach ihm 1
die ,Zwölfe' oder vielmehr Elfe erlebt haben (S. 136 f.).
Pfychologifch ebenfo motiviert und begreiflich, wie das
Erlebnis des Petrus fteht zwar daneben dasjenige des j
Jakobus(S. 171 f. 175. 303) und vor allem des Paulus felbft
(S. 290—301) und der von ihm erwähnten Fünfhunderte.
Aber die Evangelien erwähnen eben nur folche Erfchei-
nungen, die, weil bald nach dem Tode erfolgt, noch zum
Leben Jefu gerechnet werden können (S. 164. 177. 214);
fie kennen eigentlich fogar, und zwar als Abfchluß der
Lebensgefchichte Jefu, nur Eine Haupterfcheinung, wo
Jefus feinen Jüngern alles fagt, was er ihnen zu fagen
hat (S. 137). Als wefentlichen Inhalt derfelben dachte
man nämlich den Befehl der Miffion an alle Völker (S. ;
172). Denn es find die Sendlinge, die hier ihren in die
Heidenwelt weifenden Weg unter den Schutz des Auf-
erftandenen Mellen (S. 142—145). Wie dann die einzelnen
, bunt durcheinanderlaufenden Züge der differierenden I
AuferMehungsberichte aus der Wurzel einer gemeinfamen
Haupterinnerung herauswachfen mußten oder doch konn-
ten, wie fie in mannigfachen Richtungen dem Bedürfnis
der Begründung und Verteidigung, der Veranfchaulichung
und Zurechtlegung ihre EntMehung verdankten, und wie
folchergeMalt allmählich eine reiche Bilderreihe Leben
gewann, in deren Anfchauen die Gemeinde ihres inner- j
liehen Befitzes froh werden durfte — das alles wird uns |
mit großem Gefchick vorgeführt, und gern folgt man ;
des Verfaffers Kombinationen und Vermutungen auch
da, wo man, wie z. B. bezüglich der Emmauslegende
(S. 131 f. t68), von der Unmöglichkeit eines mit annähernder
Sicherheit zu gewinnenden Ergebniffes überzeugt iM
und bleibt. Auch will ich nicht verfchweigen, daß ich
das am OMermorgen leer befundene Grab, das allerdings j
,auch bei Markus allein nichts beweiM ohne den Hinweis
auf die nachfolgenden Erfcheinungen' (S. 125), zu
den bezeugten Tatfachen rechne. In der ,Theologifchen
Rundfchau' fetze ich mich darüber mit des Verf.s entgegengefetzter
Auffaffung (S. 107 f.) weiter auseinander.

Als ein befonderer Vorzug der vorliegenden LeiMung
muß einerfeits die mit zähem Fleiß hergeMellte ,Gefchichte j
der wichtigeren religiöfen Vifionen' (S. 217—271), ander- 1
feits die von umfaffender Sachkenntnis zeugende Pfycho-
logie und Pathologie derfelben (S. 272—290) gerühmt |
werden. So nur wird es möglich, die als gefchichtlich j
erwiefenen AuferMehungserfcheinungen in einen großen
natur- wie geiMesgefchichtlichen Zufammenhang einzuordnen
(S. 290—315), um vermöge einer richtigen Würdigung
der eigenen Art von Realität, welche folchen
Erlebniffen zukommt (S. 218. 270. 276), zu einem bei
allen AbMrichen, die dem gemeindlichen OMerglauben
widerfahren, doch immer noch erhebenden Schlußergebnis
zu gelangen, wornach unter den vielen, meiM bedeutenden
Naturen, deren nachwirkender Eindruck fie
felbM wieder im Glauben ihrer Anhänger von den
Toten erMehen ließ, Jefus die Gemüter feiner Jünger am
gewaltigMen gepackt und zugleich zu erfolgreichßem Wirken
ausgerüMet hat (S. 314f. 332)> fo daß der hochgemute
GeiM, der aus den Abfchiedsworten des AuferMan-

denen fpricht, wirklich ,eine Nachwirkung des GeiMes
Jefu in der Menfchheit und eine AuferMehung feiner
Perfönlichkeit' (S. 156) heißen und als ein Beweis für
die Größe und Unbefiegbarkeit diefer einzigen Perfönlichkeit
gelten darf.

Eine wefentlich vollMändige Überficht über die Behandlung
des Problems in der Theologie feit Leffing
darf man in einem Buche, das einem weiteren Publikum
aktuelle ,Lebensfragen' vorlegen will, nicht fuchen. SonM
würde man manche intereffante Epifode aus der Ge-
fchichte der Theologie des vorigen Jahrhunderts ver-
miffen, und auch die unmittelbare Gegenwart verfügt
bereits wieder über Beiträge, die hier noch nicht verzeichnet
werden konnten. So hat z. B. die gelegentlich
(S. 184. 354) geMreifte Auferweckung des Attis am dritten
Tag kürzlich bei Pfleiderer (Die EntMehung des
ChriMentums 1905, S. 161 f.) neue Verwertung erfahren.
Anderfeits iM die Hypothefe von der ,objektiven Vifion
', aber mit Vermeidung des Namens und unter Aus-
fchluß aller phyfiologifchen Momente, wieder von GuMav
Wepfer vertreten worden (Die chriMliche Welt, 1905,
Nr. 23, S. 536—540). Endlich wäre noch zu erwähnen
V. Fritzfche, Das Berufsbewußtfein Jefu, 1905, S. 53,
der die Hypothefe der objektiven Vifion für .vielleicht
ausreichend', aber dem quellenmäßigen Befund' nicht
entfprechend hält. Zu den noch im ReM bleibenden
Fragen gehört die nach dem Verhältnis des AuferMeh-
ungsglaubens zum Glauben an die Meffianität Jefu. Setzt
jener diefen oder diefer jenen voraus? Doch gehört dies
in die Debatte über Wredes ,Mefhasgeheimnis'.

Straßburg i. E. H. Holtzmann.

Horner, Rev. G., The Statutes of the Apostles or Canones
Ecclesiastici. Edited with Translation and Collation
from Ethiopic and Arabic MSS.; alfo a Translation
of the Saidic and Collation of the Bohairic Versions;
and Saidic fragments. London, Williams & Norgate
1904. (XXXIX, 480 p.j gr. 8«

G. Horner bietet uns in diefem Buch zum erMen
Mal den vollMändigen Text des großen orientalifchen
Rechtsbuchs, deffen erMerTeil die apoMolifche Kirchenordnung
, der zweite die ägyptifche Kirchenordnung, der dritte
einenTeilbeMand der ApoMolifchen KonMitutionen VIII enthält
. DiefesBuch {Canones Ecclesiastici) iM in äthiopifcher,
arabifcher und fa'i'difcher Überfetzung erhalten. Einen Teil
der äthiopifchenÜberfetzung hatte Ludolf 1691 herausgegeben
(von H. Achelis benutzt), die faidifche Überfetzung gab
de Lagarde {Aegyptiaca 1886) heraus, aber ohne deutfehe
Überfetzung (ein Teil iM von Steindorff und Leipoldt
in das Deutfehe überfetzt); die arabifche war bisher nur
dem Namen nach bekannt. G. Horner legt uns hier nun
den vollMändigen äthiopifchen (= E) und arabifchen (= A)
Text mit englifcher Überfetzung, fowie die vollMändige
Überfetzung des faidifchen Textes (= S) vor. Den fai-
difchen Grundtext ließ er in Rückficht auf de Lagardes
Ausgabe und Leipoldts Arbeit [T. U.N.F.XI, 1 b] fort und
gibt nur noch den faidifchen Text einiger nicht veröffentlichter
Fragmente. Zu allen drei Texten fügt er ausführliches
textkritifches Material nach den äthiopifchen,
arabifchen, faidifchen und bohairifchen Flandfchriften in
englifcher Sprache hinzu. Damit iM alfo auch dem
Nichtkenner der orientalifchen Sprachen, zu denen mit
dem Rezenfenten viele Fachgenoffen gehören werden,
der gefamte TextbeMand des großen orientalifchen
Rechtsbuchs zugänglich gemacht, für den G. Horner den
Ludolffchen Titel Statuta Apostolorum übernimmt.

Welche Bedeutung das hat, mag aus folgenden Mitteilungen
erfehen werden, die ich gebe, ohne hier in die
äußerft komplizierte Unterfuchung eintreten zu können,
auf die leider auch der Herausgeber ganz verzichtet hat.
Seine Einleitung enthält nur eine kurze Orientierung und