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Ausgabe:

1905

Spalte:

629-630

Autor/Hrsg.:

Göller, Emil

Titel/Untertitel:

Mitteilungen und Untersuchungen über das päpstliche Register- und Kanzleiwesen im 14. Jahrhundert 1905

Rezensent:

Brandi, Karl

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Seite 1

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629

überaus günftige Gelegenheit geboten, gerade die ver- | Kammer an Urkunden für Kurialkleriker wie an allen
fchiedenen Ausgeftaltungen der ,via concilii' zu kenn- Litterae de curia ,im weiteften Sinne des Wortes', die daxzeichnen
, frei, weil von Amtswegen im Intereffe der Verwaltung und
Einen Anfpruch auf Neuheit kann wohl nur das Regierung ausgeheilt, expediert wurden' (53). In der
Kapitel über die Konferenz von Livorno machen. Aber | Frage der Camera secreta teilt alfo G. die Auffaffung
dem Refultat, daß hier die Avignonefifchen Kardinäle Hallers (Qu. u. Forfch. II, 15), ,daß es von jeher an der
mit ihrem Programm durchgedrungen wären und daß Kurie nur eine einzige Camera gegeben hat, die ebenfo-
das Konzil von Fifa deffen Verwirklichung darftelle, flehe wohl Camera domini papae, wie Camera apostolica genannt
ich fkeptifch gegenüber. Das Programm, welches in ; wird'; Tangl (N. Archiv XXIX, 796) hält an der Camera
Fifa realifiert wurde, war das des Patriarchen Simon j secreta fefl. In einer andern Frage von noch größerem
Cramaud, welches er fchon 1398, dann wieder 1406 in allgemeinen Intereffe ftützt G. in den Nachträgen (S. 99)
Paris entwickelt hatte, und ich bin vorläufig noch immer ge- die Auffaffung von Tangl über den Bezug der Kanzleineigt
, ihn als die eigentliche Seele des Konzils anzufehen. taxen (M. I. ö. G. XIII, 39) gegen Haller (Papfttum etc.
Von einem ,Syftem der Pifaner Kardinäle', dem der | 104/1), wenn er nachdrücklich betont, daß Gebühren für
Verf. ein Kapitel von 73 Seiten gewidmet hat, zu reden Konzept und Reinfchrift wenigflens unter Johann XXII.
ift mindeftens irreführend. Schwerlich werden fich die und Benedikt XII. ficher nicht an die Kammer abgeliefert
in Pifa vereinigten 22 oder 24 Kardinäle in einem ka- feien, wie denn ,in den Gehaltsliften der regelmäßig be-
noniftifchen Syflem zufammengefunden haben. Auch i foldeten Beamten' nirgends ,dic Skriptoren und Abbrevia-
von einem .Syftem' Souchons gegen das der Verf. in toren genannt find'. Übrigens hat Haller felbfl (Qu. u
diefem Kapitel polemifiert, zu reden ift unglücklich. Forfch. II, 17 ff.) die reichlichen Sportein, die neben der
— Kurz gefagt: ich halte diefe Publikation für verfehlt ,Taxe für den Inhalt der Verleihung' (Göller, 68) noch an
d bedaure ebenfo den ungewöhnlichen Fleiß, den der die zahlreichen Bureaus entrichtet werden mußten, fehr an-

un

Verf auf fie verwandt hat, als die nicht geringen An- fchaulich aufgeführt. Zur Frage der Supplikenregifter ift
fprüche die er an die Geduld feiner Lefer Hellt. hinzuweifen auf die eingehenden Nachweifungen S. 74fr.;

13 ße|{ . unfere Einficht in das Supplikenwefen überhaupt ift neuer-
Halle. dings nicht unerheblich gefördert durch Haller (Qu. u.

Forfch. II, iff.), Tangl (Schrifttafeln zur Erlernung der
Göller Dr Emil, Mitteilungen und Unterfuchungen über das lateinifchenPalaeographieIII. 19/33,Taf.ic>7)undSchrnitz-
□äpftliche Regilter- und Kanzleiwefen im 14. Jahrhundert, Kallenberg {Practica cancellariae apostolicae, 1904, mit

uauillliHie ncymci- mm« ----.........— -------7 •pafAin

befonders unter Johann XXII. und Benedikt XII. (Er- 1™W
gänzter Separat-Abdruck aus »Quellen und Forfchun-
gen aus italienifchen Archiven und Bibliotheken, her-

Göttingen. Brandi.

ausgegeben vom Königl. Preußifchen Inftitut in Rom«. I Heiner, Prof. Dr. Franz, Der Syllabus in ultramontaner
Bd. VI, Heft 2, S. 272—315 und Bd. VII, Heft I, S. j und antiultramontaner Beleuchtung dargeftellt. Mainz,
42—90.) Rom, Loefcher & Co. 1904. (103 S.) Lex. 8° Kirchheim & Co. 1905. (IV, 384 S.) gr. 8°
^^^mmml^^^^. M. 3 — M. 7 —; geb. M. 8 —

Was von den Erträgniffen der in den letzten Jahren j Soll diefes Buch ein wiffenfehaftliches fein, fo muß
fo lebhaft geförderten Studien über das päpftliche Ver- ; man fich über den Ton befchweren. Man lefe nur die
waltungs- und Finanzwefen, zumal im XIV. Jahrhundert, erften Seiten. Der Gegner (Götz, der Ultramontanismus
weitere Kreife der Kirchenhiftoriker intereffieren dürfte, als Weltanfchauung auf Grund des Syllabus, 1905) und
ift in dem erften Kapitel von Hallers Papfttum und j die Gegner werden als von vornherein gerichtete behan-
Kirchenreform zufammengefaßt; es ift dasjenige, was bis delt, deren Ehrlichkeit zugleich verdächtig ift. Nurgeftreift
dahin wohl nur in ausführlicheren Vorlefungen überPapft- : aber nicht gebührend gewürdigt wird die Tatfache, daß
diplomatik oder verkürzt in guten Einleitungen zur Re- ! die von Götz, Hoensbroech und anderen Gegnern
formationscefchichte geboten wurde. Inzwifchen nehmen ■ des Syllabus gegebenen Interpretationen nicht feiten
die Unterfuchungen ihren Fortgang, und der Kundige darf ! mit denen der extremen Kurialiften (namentlich mit
fich fogar über eine nicht unwefentliche Erweiterung und BiederlackS. J.) übereinftimmen. Diefes Zufammentreffen
Vertiefung unferes Wiffens von der Behördenorganifation ift eben unbequem.

und der Urkundenexpedition freuen; für den Fernerftehen- Heiner erklärt, kurze Einleitungen vorausfehickend,

den ift das Neue der vielfach fubtilen Studien nicht eben ! die Sätze des Syllabus Paragraph für Paragraph und

leicht anzuknüpfen. .. r , i fuchu zu zeigfn .daß ihm, d'e extremen Anfchauungen

In den vorliegenden Unterfuchungen handelt es fich I nicht zugrunde liegen, welche ,die Liberalen' (und die

um Kombinationen von Einzelbeobachtungen an einer jefuitifchen Interpreten) in ihm finden. Die pofitive Er-

beftimmten t »uellengruppe, nämlich an den Pergament- klärung eines Schriftftückes, welches durchweg nur ne-

und Papierbänden der zum Teil fehr fragmentarifchen ; gative Behauptungen enthält, ift bekanntlich ein höchft

Reo-ifterferien der benannten Pontifikate; doch greifen die ; unficheres und fchwieriges Unternehmen. Beim Syllabus

Erörterungen oft "enug bis tief in das XV. Jahrhundert beginnen die Schwierigkeiten bereits bei der Frage fei-

vor Im "Mittelpunkt derfelben fleht insbelondere die ner Dignitat. Stellt er eine unfehlbare Kundgebung des

Fraeeder Utterae Secretae und des Sekretariats als Expe- ; hochften Lehramts dar? Heiner verneint diefe Frage,

ditionsbehörde. Schon im XIII Jahrh. gibt es geheime fchraubt dann aber doch das Anfehen des Schriftftückes

und verfchloffene Briefe, im XIV. (unter Benedikt XII.) , fo hoch herauf daß die Grenze gegenüber dem Unfehl-

die Kategorie der Litterae per cameram, unter Clemens baren zu verfchwinden droht. Was nun die Interpreta-

VI treten auf registri secreti, unter Innocenz VI.: Utterae j tion felbfl betrifft — fie wird mit den Mitteln der Logik

apostolicae secretae — per cameram, unter Urban V. auch und Grammatik durchgeführt und zieht verhältnismäßicr

Camerae secretariorum; dazu die allgemeine heftflellung: nur wenig hiftonfches und dogmatifches Material zur

,die in den letzten Jahren Benedikts XII. an verfchiedenen Erklärung herbei —, f0 bin ich in vielen Fällen ge-

Stellen und wiederholt erwähnten Sekretäre find aus dem neigt, dem Verfaffer recht zu geben. Es ift in der

Collegium der Presbiteri et Clerici intrinseci hervorge- ; 1 at häufig, und zwar auch an den berüchtigtflen Stellen

gangen und unterftehen als folche dem Camerar' (48). j nicht notwendig bez. nicht erlaubt, den extremen Sinn

Diefer aber war zugleich der erfte politifche Beamte des 1 in ihnen zu finden, den man ihnen beilegen zu müffen

Papftes, und fo begreift fich auch fachlich der Anteil der meint. Dies ergibt fich fowohl aus Gründen der I 0-