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Ausgabe:

1905 Nr. 20

Spalte:

540-541

Autor/Hrsg.:

Rauschen, Gerhard

Titel/Untertitel:

Die wichtigeren neuen Funde aus dem Gebiete der älteren Kirchengeschichte 1905

Rezensent:

Knopf, Rudolf

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Theologifche Literaturzeitung 1905 Nr. 20.

540

zig — kommen in hebräifcher Form auch im tannaitifchen
Schrifttum vor' (Vorw. S. V).

Diefe Ziffern geben eine Vorfteliung von dem reichen
Inhalte des Werkes. Es ift (infolge feiner alphabetifchen
Anordnung) eine wertvolle, und fortan unentbehrliche
Ergänzung zu den rabbinifchen Wörterbüchern von Bux-
torf, Levy u. A. Denn die Belegftellen für die behandelten
Worte und Begriffe, die Nachweife der verfchiedenen
Modifikationen ihres Gebrauches werden hier in ungleich
reicherer Fülle gegeben als in jenen allgemeinen Wörterbüchern
. Es werden auch keineswegs nur wichtigere
Begriffe behandelt, wie z. B. rTlttS«, »iTffiüiJi, KlttS, tili,

rrrtn, nsbfi, std, ainr., ©ntt, x-npE, non&, t^ias, «oicb,
anp, to-ip, lmpn m-1, nv, min, Trabn, oiam. Sondern

es werden auch alle Formeln und Wendungen berück-
fichtigt, welche bei den exegetifchen Erörterungen über
Schriftftellen, bei den rabbinifchen Diskuffionen über
gefetzliche Fragen üblich waren; die ganze Rüftkammer
der rabbinifchen Logik, ihr Vorrat an Fragewörtern,
Folgerungspartikeln ufw. wird uns vorgeführt. Nur jahrelange
Vertrautheit mit der rabbinifchen Literatur und
bewundernswerter Fleiß im Sammeln konnte eine folche
Frucht zeitigen.

Wertvoll und praktifch ift auch die Einrichtung, daß
das paläftinenfifche und das babylonifche Sprachgut überall
getrennt vorgeführt und fchon durch den Druck äußerlich
unterfchieden wird. Das Material aus der paläftinen-
fifchen Literatur (jer. Talmud und Midrafchim) ift mit
größerer Schrift, das aus dem babylonifchen Talmud
mit kleinerer Schrift gedruckt. Wie in diefer Einrichtung
fo bewährt fich auch fonft in der ganzen Behandlung des
Stoffes der umfichtige Gelehrte, der nicht nur zu fammeln,
fondern auch nach richtigen Gefichtspunkten zu flehten
verfteht.

Göttingen. E. Schürer.

Levy, Rabb. Dr. Louis-Germain, La famille dans l'antiquite
israelite. Paris, F. Alcan 1905. (296 p.) gr. 8° fr. 5 —

Nach einer etwas breiten Einleitung über Gegen-
ftand, Abgrenzung, Quellen und Methode der Arbeit
(S. 3—Ii), woran fich S. 12 eine hiftorifch-literarifche
Tabelle über die Zeit von 4000 bis zur Gründung der
Hasmonäerherrfchaft (141) fchließt, widerlegt der I. Teil
(,Familie und Religion', S. 15—64) die Anflehten über den
Totemismus und den Ahnenkult als religiöfe Bafis der
israelitifchen Familie und fkizziert im Sinne der Well-
haufenfehen Schule die Entwicklung der israelitifchen
Religion bis zur vollendeten ,Nomokratie'. Der II. Teil
(,Die Familie im allgemeinen', S. 67—95) befpricht die
primitive Familie, den Sklaven und Beifaffen (Ger) fowie
das Verhältnis von ,Clan' und Familie, der III. (,Familien-
folidantät', S. 99 —121) die , Vendetta' und ,Geullah die
Genealogie und den Namen, endlich das Eigentum. Am
wertvollften, inhalt- und umfangreichflen ift derIV.Teil
(,Heirat und Eheleben', S. 125 — 231), der nicht nur das
israelitifche, fondern überhaupt das altjüdifche Weib
in feinen wichtigften Lebensverhältniffen behandelt und,
bis endlich einmal das überreiche Material über diefen
Gegenftand (in Talmud und Midrafch) ausführlich bearbeitet
werden wird, vorläufig m. E. die belle, knapp
und gediegen gefaßte moderne Erörterung der Hauptpunkte
des kulturhiftorifch ebenfo intereffanten wie wichtigen
Themas darftellt. Richtig wird die Annahme eines
Matriarchats bei den Israeliten beftritten; hierauf finden
die Stellung der Frau, die Arten der Heirat und der Ehe,
die Hochzeitsgebräuche, das Eherecht, die Ehehinder-
niffe, der Levirat, die Auflöfung der Ehe, der Khe-
bruch ufw. quellenmäßige überfichtliche Darfteilung.
Der V. Teil (.Gegenfeitiges Verhältnis der Familienglieder
', S. 235—268) handelt von der väterlichen Gewalt,
der Familienftellung des Kindes, dem Verhältnis von
Eltern und Kindern, den Totenbräuchen und der Erbfolge
. Es folgen Schlußwort, Bibliographie und Inhalts-
verzeichniffe. Wenn Verf. auch einen Teil der 355 angeführten
Quellenwerke, wie merkwürdige Zitierungs-
weifen dartun (z. B. Jioscker, Lexicon mytk.1 oder
, Wetzstein dans ZMG'), nur aus zweiter oder dritter Hand
kannte, fo hat er doch alle wichtigeren modernen Werke
über fein Thema offenbar im Original benutzt; zumal die
deutfehe Fachliteratur (207 Nummern!) ift ihm wohlbekannt
. Seine Darftellung ift durchfichtig, präzis und
j elegant; die verhältnismäßig wenigen Druckfehler (in
deutfehen Büchertiteln) fallen wohl lediglich dem Setzer
zur Laff. Die Ausftattung des Buches ift vortrefflich.

Leipzig. Erich Bifchoff.

Rauschen, Prof. DD. Gerhard, Florilegium Patristicum.

Digessit, vertit, adnotavit R. Fase. III. Monumenta
minora saeculi secundi. Bonn, P. Hanftein 1905. (IV,
106 S.) gr. 8° M. 1.50; kart. M. 1.70

— Die wichtigeren neuen Funde aus dem Gebiete der alterten
Kirchengefchichte. Ebenda 1905. (66 S.) 8° M. — 80

1. Das dritte Bändchen von Raufchens Florilegium ift
wie das erfte wieder ein Sammelheft, diesmal mit fehr
verfchiedenem Inhalt. Das Prinzip der Auswahl war einzig
das fchon im Titel zum Ausdruck kommende: kürzere,
aber wichtige Texte des 2. Jhrh., fpäter als die apofto-
lifchen Väter entftanden, follten zufammengeftellt werden.
Den Inhalt des Heftes bildet folgende Reihe: 1) das
muratorifche Fragment; 2) die Grabfchrift des Abercius;
3) Stücke apokrypher Evangelien, nämlich: die Oxyrhyn-
chuslogia von 1898 und 1904; das Akhmimer Fragment
des Petrusevangeliums; ausgewählte Stücke (cc 1, 4, 5, 7,
8, 9, 11) des Protevangelium Jacobi; 4) Märtyrerakten
und zwar: die Acta Apollonii, das Martyrium von Carpus,
Papylus und Agathonike, das Martyrium des Juftin und
feiner Genoffen; die Akten der fcilitanifchen Märtyrer.

Daß der Strauß etwas bunt itt, wird niemand ableugnen
können, aber eben fo ficher ift auch, daß es
durchweg fehr wichtige und fehr bekannte Texte find,
die R. zufammengeftellt hat. Ein Proteftant hätte wohl
1 die Auswahl aus dem Protevangelium Jacobi weggelaffen,
I dem Katholiken ift die ältefte Marienlegende wertvoller
1 (daß es eine Legende ift, fagt R. felbftverftändlich mit
klaren Worten). Die von ihm gebrachten Märtyrerakten
hält R. trotz Geff kens Widerfpruch noch immer für echt,
was durchaus zu billigen ift.

Die Einrichtung des Bandes ift diefelbe wie bei den
beiden früheren. Die Prolegomena umfaffen 23 Seiten,
und bieten trotz ihrer Knappheit das Wichtigfte, was zur
Einleitung in die betreffende Schrift, zur Charakterifierung
der jeweils von R. befolgten Editionsweife gehört. Rechts
vom Texte fteht bei den griechifchen Stücken eine latei-
nifche Überfetzung. Unter den Text find textkritifche
und dann knappe auf den Inhalt gehende fachliche Anmerkungen
gefetzt, die natürlich beim Muratorianum viel
zahlreicher find als beim Protevangelium Jacobi oder
dem Petrusevangelium.

Weder gegen die Faffung und den Inhalt der Prolegomena
noch gegen die der Anmerkungen laffen fich
grundfätzliche Einwände erheben. Verftändnis und kriti-
fcher Sinn fpricht aus ihnen. Der Druck ift korrekt.
In den Literaturangaben find hie und da kleine Lücken
feftzuftellen, z. B. S. 10 und 13 fehlt ein Hinweis auf
Hennecke, NTliche Apokryphen und Handbuch zu den
NTlichen Apokryphen, S. 10 war Kloftermann Apocryßha
II (Lietzmann, Kleine Texte 8) 1904 zu nennen.

2. Nur ganz kurz fei über die zweite obengenannte
I Veröffentlichung R.s berichtet, die fich an weitere Kreife

wendet. In gut lesbarer Überfetzung mit kurzen Einleitungen
und Anmerkungen bietet R. neun Stücke: die
j Didache; das Akhmimer Fragment von Evang. Petri; die
I Oxyrhynchuslogia von 1897; das Martyrium von Carpus,