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Ausgabe:

1905 Nr. 19

Spalte:

531-532

Autor/Hrsg.:

Runze, Georg

Titel/Untertitel:

Mataphysik 1905

Rezensent:

Wendland, Johannes

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Seite 1

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Theologifche Literaturzeitung 1905 Nr. 19.

532

verbo — treuherzige Skizze Buffes zunächft unvorteilhaft
ab; inkorrekt oder entbehrlich möchte fie Refer.
darum doch nicht nennen. Wird uns dort ein nach
beftimmter Schätzung ,normaler' Kant dargeboten, fo
hier mehr fchlechtweg der ,empirifche' Kant.

Straßburg i. E. E. W. Mayer.

Runze, Prof. D. Dr. Georg, Metaphysik. (Webers illuftrierte
Katechismen, Band 249.) Leipzig, J. J. Weber 1905.
(XI, 424 S.) kl. 8° Geb. M. 5 —

Bei allen Kundigen ift der Wert der Metaphyfik im
Steigen begriffen. Auch die, welche alle Metaphyfik ablehnen
, borgen meift ihre Argumente aus der Waffenkammer
der Metaphyfik (S. 4; 15). Gegenftand der Metaphyfik
ift nach Runze durchaus nicht ein Gebiet jenfeits
des Denkens und jenfeits des Seins; fondern Probleme,
auf die jedes tiefere Nachdenken mit Notwendigkeit hinführt
, find in ihr zu behandeln. Es gibt elementare Fragen
, auf die jede Einzelwiffenfchaft flößt, ohne fie erledigen
zu können. Diefe laufen fchließlich auf das eine
metaphyfifche Grundproblem hinaus: Wie verhält fich
unfere Gedankenwelt zur Außenwelt, wie verhält fich
Pfychifches und Phyfifches, Ich und Welt zu einander?
Runze kommt fchließlich zu folgender Löfung: der kon-
fequente Realismus und der konfequente Idealismus ,find
als kongruent, Geift und Natur als wefentlich eins, Wahrnehmungswelt
und Vorftellungswelt fchlechtweg identifch
zu fetzen' (S. 347). Ja fogar Materialismus und Idealismus
find im wefentlichen als identifch anzufehen, wenn ! hinter fich. Die Verkennung diefer Tatfache fei der Andanken
fchienen mir auch einige frühere Ausführungen
Runzes auf S. 91 ff., S. 331 ff. hinzuweifen.

Jedoch nicht in der Löfung der metaphyfifchen Grundfrage
liegt der Wert des Runzefchen Buchs, fondern in
der Fülle eigenartiger und felbftändiger Einzelbemerkungen
zu den in 10 Abfchnitten behandelten Problemen: I. die
Möglichkeit. 2. die Notwendigkeit. 3. das Sein. 4. der
Raum. 5. die Zeit. 6. die Bewegung. 7. die Materie. 8. Kau-
falität und Teleologie. 9. Dualismus oder Monismus?
10. die metaphyfifchen Prinzipien. R. bietet nicht eine
deduktiv aus oberften Prinzipien abgeleitete ,Weltfchema-
tik', nicht ein gefchloffenes Syftem, bei dem alles Einzelne
fich mit Notwendigkeit aus dem Ganzen ableiten ließe,
fondern er fchlägt den analytifchen, referierend-kritifieren-
den Weg ein. Er berichtet in jedem Abfchnitt über die
wichtigften bisherigen Theorien, kritifiert fie und fucht
dann zu einer eigenen Löfung zu gelangen. Referat und
Kritik bilden den weit überwiegenden Teil des Buchs. —
R. weift ftets auf die nahe Verwandtfchaft der metaphyfifchen
und der religiöfen Probleme hin, die jedoch nicht
mit einander identifch feien. Die religiöfe Gedankenwelt
fei durchaus nicht einer Verfälfchung ausgefetzt, wenn
fie an den ftrengen Normen philofophifchen Denkens
kontrolliert wird. Im Gegenteil: fie verfalle der Verflachung
, wenn man diefe Kontrolle verfäumt (S. 16). —
Ferner weift R. wie fchon in feinen früheren Schriften auf
die Bedeutung der Sprache für das Erkennen hin. Auch
die abftrakteften Begriffe der Philofophie laffen nicht
völlig die urfprünglich bildliche Bedeutung der Sprache

man nur fefthält, daß Materie nichts abfolut Pafflves,
Träges, fondern ,ein ftaunenswert erhabenes Prinzip der
aktiven Allwirkfamkeit' ift. Materie ift gleich Kaufalität
(S. 374; 285). Das zunächft ungeheuerlich Scheinende
diefer Gleichfetzung von Körper und Geift, Innenwelt
und Außenwelt verfchwinde, wenn man beachtet: ,Der
fprachliche „Gegenfinn" von „innen" und „außen" hat —
unter Mitwirkung des pfychifchen Bequemlichkeits- und
Anpaffungstriebes — den Schein der unüberbrückbaren
Zweiheit zwifchen Innenwelt und Außenwelt, Subjekt
und Objekt, Geift und Stoff, Idealem und Realem, hervorgebracht
' (S. 377). Urfprünglich ftanden Worte wie
Geift, Wiffen, Vernunft u. a. der körperlichen Sphäre
(Hauch, Sehen, Hören) viel näher. Erft allmählich fei
die Kluft fo fchroff geworden. Philofophiegefchichtlich
fucht Runze feine metaphyfifche Theorie an Berkeley,
Kant und Fichte, Rechner, Avenarius und Mach anzuknüpfen
. Nach Kant und Fichte (wie auch Berkeley)
wiffen wir nur von unfern Empfindungen und Vorftellun-
gen; diefe enthalten unfere ganze Welt in fich. Dann
können wir aber Ich und Welt identifch fetzen. Denn
das Ich des idealiftifchen Metaphyfikers und die Welt

laß vieler Fehler gewefen. Nur durch ftetes Zurückgehen
auf die fprachlichen termini und ihre urfprünglichen Bedeutungen
könne man hoffen, der Wahrheit näher zu
kommen. So find es auch fprachliche Erwägungen,
durch die R., wie oben gezeigt, feinen Identitäts-Monismus
zu ftützen fucht.

Görlitz. J. Wendland.

Müller, Gen.-Vikar.-Sekr. Dr. Jofeph, Die Bischöflichen
Diözesanbehörden, insbesondere das bischöfliche Ordinariat.

(Kirchenrechtliche Abhandlungen. Herausgegeben von
U.Stutz. 15. Heft.) Stuttgart, F. Enke 1905. (VIII,
140 S.) gr. 8° M. 5 —

In der vorliegenden Abhandlung wird von den Zen-
traldiözefanbehörden gehandelt, die, zumeift im Anfchluß
an das Inftitut des Generalvikars oder des Offizials, bei
der Ausübung der Juftiz und in der Verwaltung der
Diözefe mitwirken. Verf. gebraucht für die Verwaltungsbehörden
die Bezeichnung Ordinariat (Generalvikariat)
und für die Gerichtsbehörden Offizialat, obwohl, wie auch
des erkennt j aus/«ner Darfteilung erhellt, diefe Benennungen in den

tr „u ,■• . . ¥ -a . va__„_ r,-;, :^D„4-;c~i-, verlchiedenen Diozefen fehr verlchieden gebraucht wer

hechner erklart direkt Geift und Korper für identifch. j ftwosM, iih„ Hi* n^i^v,^ (?.,♦

Was von außen angefchaut Körper ift, ift von innen her
empfunden Geift. Ebenfo ftimmt Runze den ,antimeta-
phyfifchen' Bemerkungen von Mach zu, die jedoch in
Wahrheit eine neue Metaphyfik feien. Auch Mach be-
feitigt den Gegenfatz von Pfychifchem und Phyfifchem,
indem er die Identität der wirklichen und der empfundenen
Welt behauptet.

Obwohl R. mit Umficht und Scharffinn feine Theorie
durchführt, fcheint mir doch ein derartiger Monismus
unhaltbar zu fein. Wenn unfer Geift lediglich paffiv die
Außenwelt abfpiegelte, könnte es gleichgültig fein, ob
wir das Urbild außer uns oder das Abbild in uns ins
Auge faffen. Wenn aber unfer Geift eine neue Wirklich- vollftand.ge und abfließende Darftellung nicht zu liefern
keit, ein der Natur überlegenes Leben in Wiffenfchaft, vermochte. Immerhin muß auch das, was er bietet als
Kunft, Recht und Religion hervorbringt, fo läßt fich nicht ; ein beachtenswerter Beitrag zur Kenntnis des kirchlichen
mehr Geift und Natur identifizieren. Dann muß die Me- ; Behordenwefens angefehen werden und es wird Sache
taphyf.k zeigen, wie das höhere Geiftesleben in der Natur j der fpatern Forfchung fein, die befondere Entwickelung
kaufal wurzelt, ünd die Natur teleologifch auf das Hervor- ln den einzelnen Diozefen zu unterfuchen.
brechen der neuen Stufe angelegt ift. Auf ähnliche Ge- | Kiel. _ Frantz.

den. Nach einem Überblick über die gefchichtliche Entwickelung
diefer Behörden wird zunächft ihr heutiger
Beftand in den einzelnen Diozefen feftgeftellt, und fodann
ihre rechtliche Natur und ihre Stellung im Organismus
der Diözefe charakterifiert, wie auch die Stellung der
einzelnen Mitglieder derfelben, ihre Ernennung und Abfetzung
erörtert. Da die Quellen des gemeinen Kirchen-
rechts nur fpärlich fließen, die Einficht der Akten der
betreffenden Behörden aber, von einigen Ausnahmen ab-
gefehen, dem Verf. nicht geftattet wurde, fo ftand ihm,
wie er felbft hervorhebt (S. 8), nur ein geringes und
lückenhaftes Material zu Gebote, fodaß er eine durchaus