Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1905

Spalte:

517-518

Autor/Hrsg.:

Preuschen, Erwin

Titel/Untertitel:

Zwei gnostische Hymnen ausgelegt 1905

Rezensent:

Gressmann, Hugo

Ansicht Scan:

Seite 1

Download Scan:

PDF

5i7

Si8

vorliegenden Schriften aus dem Griechifchen überfetzt
find. Der Nachweis ift leicht zu erbringen, aber, wie das
Beifpiel Grangers (S. XIII) zeigt, durchaus nicht über-
flüffig. Weiter liebe fich zeigen, daß beide Handfchriften
das im Gaue von Achmim, nicht das in der Thebais
gefprochene Saidifch bieten (vgl. ZDMG 58 [1904] S. 922
Anm. 6). Für die Geographie des Gnoftizismus ifl das
vielleicht von Wichtigkeit.

Schmidts Behauptung (S. XII), in alten koptifchen
Handfchriften fänden fich nur Unter-, nie Überfchriften,
wird widerlegt durch Ms. Orient, oct. 408 Blatt 80r der
KgL Bibliothek zu Berlin (4. Jahrhundert). Daß der Titel
>Pistis Sophia* nur die Erfindung eines koptifchen Schreibers
ift, würde mir auch ohne dies unwahrfcheinlich vorkommen
. — S. XX fehlt die Angabe, daß O 1 und O 2
die beiden Faffungen der Einleitung des Codex Bruciaims
bezeichnen (vgl. S. 257ff. Apparat).

Die von mir gemachten Aufteilungen können das
Urteil nicht umfloßen, daß die neue Überfetzung vor
allem der Pistis Sophia die Erforfchung der altchrifflichen
Gnofis erheblich fördern wird. Man darf freilich bezweifeln
, ob fich, nach den Forfchungen von Köftlin, Harnack
und Schmidt, noch wichtige neue Erkenntniffe aus den
hier zugänglich gemachten Quellen werden gewinnen
laffen. In jedem Falle find wir Schmidt zu lebhaftem
Danke verpflichtet, und das um fo mehr, als ja das Studium
diefer gnoftifchen Schriften wahrlich kein kurzweiliges
Gefchäft ift: ihr Umfang fteht in umgekehrtem
Verhältniffe zu ihrem Werte.

Der zweite Band foll die gnoftifche Handfchrift des
Berliner Mufeums zugänglich machen (vgl. SBA 1896

die Fahrt, die der Chriftus macht, um die in der Materie
ruhende Seele, oder gnoftifch ausgedrückt, um den Lichtfunken
zu retten. Der Chriftus felbft fingt diefen Hymnus
und befchreibt feine Schickfale von dem Augenblick an,
wo er das Vaterhaus verläßt, bis zu dem Punkte, wo er
dahin zurückkehrt... Es liefert uns dann einen Beitrag
zu der Erlöfungslehre der Gnoftiker« (S. 46). — Am
bedenklichften fcheint mir in diefem ganzen Abfchnitt
die falfche Vorausfetzung, von der Preufchen ausgeht,
als feien diefe »wirren Phantalieftücke« von Chriften ge-
fchaffen worden (S. 43). Der Verf. konnte das Problem
nach der Herkunft des Stoffes mit Recht ausfeheiden, er
hätte aber erkennen und energifch betonen müffen, daß
hier eine aus dem Heidentum flammende fertige Überlieferung
benutzt und ins Chriftliche umgedeutet ift.

Der dritte Teil der Schrift verfucht die beiden Lieder
in den gefchichtlichen Zufammenhang einzureihen.
»Wir haben ... in den beiden Hymnen diejenige Form
des Chriftentums zu fehen, die auf Grund der Anfchauun-
gen des Paulus bei Heiden femitifcher Abkunft zur Herrfchaft
kam« (S. 63). Sie gehören zum Gnoftizismus, als
deffen Kern Preufchen nicht die Erkenntnis, fondern die
Erlöfung betrachtet. Diefe Auffaffung ift zwar modern,
aber falfch, weil fie eine einfeitige Übertreibung bedeutet.
— Mit Recht betont der Verf. in einem vierten Teil,
daß ein Zufammenhang diefer Lieder mit Bardefanes
nicht behauptet werden darf, weil wir von diefem fo gut
wie nichts wiffen.

Kiel. Hugo Greßmann.

S~83Qff.)" wird alfo den erften an Wichtigkeit wohl be- Brooks> E- W" M- A- The sixth book °f «>e select letters

deutend übertreffen. Möge es Schmidt vergönnt fein, of Severus, Patriarch of Antioch, in the Syriac ver-
uns recht bald die Fortfetzung feines Werkes zu fchenken! j sion of Athanasius of Nisibis edited and translated.

Dresden-N. J. Leipoldt.

Vol. I (Text), part II. — Vol. II (Translation), part II.
London, Williams & Norgate 1904. (VII and p. 261
— 530; VII and p. 231—480.) gr. 8°

Da Ryffel Vol. I bereits ausführlich in diefer Zeit-
fchrift befprochen hat (1904. Nr. 5. Sp. 143 ff.), fo kann

Preuschen, Erwin, Zwei gnostische Hymnen ausgelegt. Mit

Text und Überfetzung. Gießen, J. Ricker 1904. (80 S.)
gr. 80 M. 3 —

Der Wert diefer kleinen Schrift befteht in zwei ! ich mich kurz faffen.
Dingen: Erftens in der bequemen Zufammenftellung der Die Briefe des antiochenifchen Patriarchen in Vol. II

Texte. Preufchen behandelt die beiden aus den Thomas- find nach fachlichen Gefichtspunkten geordnet und unter
akten bekannten Lieder (das zweite ift kein »Hymnus«, folgende Stichworte gebracht: Sektion 3 handelt davon,
fondern eine »Erzählung«): »Das Brautlied der Sophia« ,daß niemand (der das Sakrament nehmen will) wegen
und »das Lied von der Erlöfung« (gewöhnlich bekannt | der Lebensführung der Priefter Bedenken tragen, fondern
unter dem Namen »das Lied von der Perle«). Die fyri- j nur nach ihrer Orthodoxie fragen folle'. Sektion 4:
fchen griechifchen und armenifchen Texte find hier in j ,Daß niemand unterfchiedslos mit den Häretikern kom-
dankenswerter Weife mit deutfeher Überfetzung veröffent- munizieren darf, und wie man fich hüten foll vor der
licht und jedermann zugänglich gemacht. Der fyrifche Gemeinfchaft mit ihnen, während fie beten'. Sektion 5:
Text, der von Georg Ho'ffmann rezenfiert ift, dürfte jetzt (Uber Kleriker oder Laien, die fich von Ketzereien be-
fo gut fein, daß fichere Emendationen fchwerlich noch kehren'. Sektion 6: ,Daß niemand Rückficht nehmen
möglich find. II 14 muß es in der Überfetzung heißen: foll auf die von Häretikern ausgefprochenen Anathemata'.
deinen Koch der darüber gelegt ist (über das Strahlen- Sektion 7: ,Uber Mönche und Nonnen'. Sektion 8:
kleid vgl v. 72). >Uber dl.ejen'gen, die fich felbft die Genitalien abfehneiden,

Zweitens hat fich Preufchen bei der Exegefe diefer i und diejenigen, bei denen fie zwangsweife abgefchnitten
Lieder und der Analyfierung ihres Inhalts die klare Frage j werden. Uber diejenigen, die fich felbft in Zeiten des
geftellt- Was haben fich die Chriften dabei gedacht? Er ! Martyriums toten. Uber die Sitte, daß in vielen Kirchen
ftreift zwar an einigen Stellen das Problem nach der Feftheder und Lobgefänge auf die Heiligen verlefen
Herkunft des Stoffes, befchränkt fich aber der Haupt- werden'. Sektion 9: ,Uber Taufen, die in Zeiten der
fache nach auf die chriftliche Deutung. Man mag das Not von Diakonen oder Laien vollzogen werden. Über
bedauern muß fich jedoch freuen, daß diefe notwendige diejenigen, bei denen es zweifelhaft ift, ob fie getauft find
Arbeit hier nach früheren Verfuchen von neuem auf- oder nicht. Sektion 10: ,Uber einen Mann, der Weib
genommen ift. — Preufchen kommt zu dem Refultat, > und Kinder hat und doch Mönch werden möchte. Eben-
daß der erfte Hymnus kein profanes Hochzeitslied und ; dasfelbe über Weiber und ihre Ehe.' Sektion II: ,Daß
daß die Braut nicht die Kirche ift. Vielmehr »fetzt das ; nicht Mönch werden darf derjenige, der die Orthodoxie
Lied ein in dem Augenblick, wo die Mutter, der Heilige politifch unterftützen kann'.

Geift fich zur Erlöfung der Sophia entfchließt und zur Die englifche Überfetzung Brooks' ift, foweit ich fie

Rettung den Chriftus herabfendet. Die Tochter des Lieh- ; kontrolliert habe, lobenswert. Br. hat fich mit liebevollem
tes ift demnach die Sophia, die hohna, die bräutlich ge- Verftandnis in den fchwierigen Text verfenkt und ihn fo
fchmuckt auf das Erfcheinen des Chriftus wartet« (S. 40). gut wiedergegeben, wie es uns heute möglich ift. Ich
— Das zweite Lied behandelt nicht, wie man gewöhn- habe freilich viele Fragezeichen gemacht und würde
lieh annimmt, die Schickfale der Seele, fondern »fchildert i manches anders überfetzen. Aber mit Evidenz würde