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Ausgabe:

1905

Spalte:

513-514

Autor/Hrsg.:

Cheyne, Thomas Kelly

Titel/Untertitel:

Bible Problems and the new material for their solution 1905

Rezensent:

Giesebrecht, Friedrich

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Seite 1

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Theologische Literaturzeitung.

Herausgegeben von D. Ad. Harnack, Prof. in Berlin, und D. E. Schürer, Prof. in Göttingen.

Jährlich 26 Nrn. Verlag: J. C. HinrichsTche Buchhandlang, Leipzig. Jährlich 18 Mark.

Nr. 19. 16. September 1905. 30. Jahrgang.

Cheyne, Bible Problems and the new material
for their Solution (Giefebrecht).

Koptifch-gnoflifche Schriften, I. Bd. DiePiftis
Sophia ufw. herausg. von Carl Schmidt
(Leipoldt).

Preufchen, Zwei gnoftifche Hymnen (Greß-
mann).

Barge, Andreas Bodenftein von Karlftadt, I, Teil
(Cohrs).

Ficker, Thesaurus Baumianus (Boflert).

Riemens, Het begrip der Openbaring in het
Chriftendom (Zilleffen).

Grotenfelt, GefchichtlicheWertmaßftäbein der

Gefchichtsphilofophie bei Hiftorikern und im
Brooks, The sixth book of the select letters of Volksbewußtfein (Ritfehl).
Severus ofAntioch, vol.I, 2. II, 2(Greßmann). ;

Freudenthal, Spinoza, fein Leben und feine

Lehre, i. Bd. (Elfenhans).
Meyer, E. R., Schleiermachers und Brinkmanns

Gang durch die Brüdergemeinde (Stephan).
Buffe, Die Weltanfchauungen der großen Phi-

lofophen der Neuzeit (E. W. Mayer).
Runze, Metaphyfik (Joh. Wendland).
Müller, Jof., Die bifchöflichen DiözefanbehöT-

den, insbefondere das bifchöfliche Ordinariat

(Frantz).

Cheyne, Prof. T. K., D. Litt., D.D., Bible Problems and the
new material for their Solution. A plea for thoroughness
of investigation addressed to clurchmen and scholars.
London, Williams & Norgate 1904. (271 p.) 8° 5 s.

In diefer Schrift bemüht fich Cheyne ,Kirchenmänner
und Gelehrte' auf eine Reihe von Problemen hinzuweifen,
die ihm offenbar von großer Wichtigkeit find, denen
aber die theologifche Welt außer dem advanced criticism
bisher eine fo einfehneidende Bedeutung nicht hat zuerkennen
können. Der Inhalt des Buches ift folgender:
bis auf p. 30 wird die Summary of the Lecture voran-
gefchickt. p. 31—55 folgt ein mehr orientierender Ab-
fchnitt: Critics and Criticism, dann treten die neuteftament-
lichen Probleme auf (p. 56—130), denen das A. T. p. 131 —
190 folgt. Anmerkungen machen den Abichluß p. 191—270.

Im N. T. befchäftigt fich Cheyne 1) mit der Jungfrauengeburt
(im wefentlichen ift hier Gunkels Auffaffung
maßgebend), 2) mit dem Descensus ad inferos, für welchen
zahlreiche mythologifche Parallelen beigebracht werden,
in denen namentlich der Sonnenmythus eine Rolle fpielt.
Dann folgen 3) und 4) mit ähnlicher Tendenz die Auf-
erftehung und die Himmelfahrt.

Im A. T. wird natürlich Babel auf das ausgiebigfte
fruktifiziert. Es ift kaum ein Thema des Babel-Bibelftreits,
kaum eine Behauptung der Panbabyloniften (vorzugsweife
Wincklers). welche hier nicht aufträten und mit ziemlicher
Breite befprochen würden. Am Schluß ergibt fich, daß
es zwei Arten gibt, das A. T. zu verftehen. Die eine ift
die bisher übliche, welche es darauf abfieht, feftzuftellen,
was die Synagoge dem alten Teftament für einen Sinn
hat geben wollen, indem man das Kthib oder, noch etwas
tiefer grabend, das LXX-Alte Teftament zu verftehen
fucht, fo gut es geht. Die andere, natürlich von Cheyne
und Genoffen vertretene, begnügt fich nicht mit diefer
äußeren Schale, fondern fie fucht an der Hand der Re-
ligionsgefchichte bis zu dem innerften Kern des Schrift-
verftändniffes vorzudringen. Namentlich Winckler hat
hier wundervolle Entdeckungen gemacht, welche eine
Flut von Licht über das A. T. verbreiten, durch die
Aufzeigung der bisher gänzlich verfchollenen nordarabi-
fchen (oder füdarabifchen?) Reiche von Mufri, Meluhha,
Main und durch die Nachweifung, welch bedeutenden
Einfluß fie auf das kulturelle und religiöfe Leben Israels
ausgeübt haben. Der Pionier diefer mühevollen Entdeckerarbeit
ift Cheyne felbft, der die gänzlich vom Schutt
des jetzigen hebräifchen Textes verdeckten älteren
Größen des nordarabifchen Semitismus, namentlich das
hochwichtige Volk Jerahmeel' durch Konjektur wieder
ausgegraben hat. Glühend von der heiligen Begeifterung
eines Kolumbus ruft er feine Lefer (eigentlich Hörer) auf,

fich nicht beirren zu laffen durch die bedauernswerten
Vorurteile der bisherigen Forfchung und kirchlichen Auffaffung
, fondern fich feinem advanced criticism an-
zufchließen, dem freilich beftändig zugerufen werde:
,nüchtern!, vorfichtig!', der aber diefe billigen Ermahnungen
uneingeweihter und befchränkter Köpfe milde und
liebevoll ignorieren müffe, wo es fich um die Sache der
Wahrheit handele.

Wie zu erwarten war, haben wir hier alfo eine neue
Auflage der Encyclopaedia Biblica und der Critica Bib/ica,
die Referent fchon mehrmals in der Oriental. L. Z. befprochen
hat. Sein Standpunkt kann natürlich jetzt kein
anderer fein. Worin die ,Fülle von Licht' beliehen foll,
welche fich durch den Cheynefchen Jerahmeel über das
A. T. ergießen foll, vermag er ebenfo wenig einzufehen,
als inwiefern uns die Höllenfahrt der Istar zu einem
tieferen Verftändnis des Descensus ad inferos verhelfen
foll. Die vermeintlichen Entdeckungen der Affyriologen,
auf welche Cheyne fchwört, find in der Tat noch fehr
ficherheitsbedürftig. Duhm, Marti und andere berufene
Kommentatoren des Jefaia glauben diefen Propheten
immer noch verftehen zu können, ohne das nordarabifche
Muffri und Meluhha; die Ausflüchte, welche Winckler
von feinem Standpunkt aus zur Erklärung (?) von Jef. 18
oder Jef. 37 22-32 machen muß, werden nicht jedem einleuchten
; es ift nicht fo einfach, wie Ch. meint, das Pferd
für Arabien plötzlich um 2 refp. 1 Jahrtaufende herauf
zu datieren. Doch — Ch. verweift" uns auf Glafer, und
wer fähe nicht deffen Infchriftenmaterial mit dem allergrößten
Intereffe entgegen? Jedenfalls aber ift bis jetzt
noch nicht klar, inwiefern diefes Material fich auf feiten
Winckler-Cheyne's ftellen follte. Warten wir alfo ab! Wir
Altteftamentler find unter allen Umftänden nicht die unbelehrbaren
Toren, als welche uns Ch. hier darzuftellen
bemüht ift. Das haben wir wahrlich feit dem Auftauchen
der Ägyptologie und der Keilfchriften bewiefen. Vielleicht
haben fich manche Theologen (unter ihnen auch Cheyne)
nur allzu belehrbar gezeigt. Er hat nun feit über 30 Jahren
jede Wendung der deutfehen Kritik mitgemacht. Ein
wenig geringere Jugendlichkeit wäre ihm auf feine alten
Tage wohl zu wünfehen.

Königsberg. Giefebrecht.

Koptisch-gnostische Schriften. Erfter Band. Die Piftis Sophia
. — Die beiden Bücher des Jeü. — Unbekanntes
altgnoftifch.es Werk. Herausgegeben im Auftrage der
Kirchenväter-Commiffion der Königl. Preußifchen
Akademie der Wiffenfchaften von Privatdoz. Lic. Dr.
Carl Schmidt. (Die griechifchen chriftlichen Schrift-
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