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Ausgabe:

1905 Nr. 18

Spalte:

491-495

Autor/Hrsg.:

Haury, Jacobus (Ed.)

Titel/Untertitel:

Procopii Caesariensis opera omnia. Vol. I et II 1905

Rezensent:

Dräseke, Johannes

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Theologifche Literaturzeitung 1905 Nr. 18.

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er von Geburt Jude ift. Wiffenfchaft (Logik) und Äfthe-
tik läßt er gelten, Ethik nur fehr teilweife, Religion
lehnt er ab.

Gotha. Paul Fiebig.

Procopii Caesariensis opera omnia. Recognovit Jaco-
bus Haury. Opus ab Academia Regia Bavarica
praemio Zographico ornatum. Vol. I et II. Lipsiae, in
aedibus B. G. Teubneri MCMV. 8° M. 24 —

I. De bellis libri I—IV. (LXIV, 552p.) M. 12—.— II. De
bellis libri V—VIII. (II, 678 p.) M. 12—.

Endlich liegt die lange erwartete Prokopios-Ausgabe,
und zwar zunächft in zwei ftattlichen, die Kriegsge-
fchichten enthaltenden Bänden vor uns. Unter den zahlreichen
Gelehrten, die feit länger als zehn Jahren der
Textbehandlung und der Überlieferungsgefchichte diefes
bedeutendften Gefchichtfchreibers des untergehenden
Altertums eindringenden Fleiß und erfolgreiche Sorgfalt
gewidmet haben, fteht der Herausgeber in erfter Linie,
der, von Chrift und Krumbacher unterftützt und ermutigt,
das große Werk der Veröffentlichung des Prokopios in
Angriff nahm. Haury ließ bereits 1889 im Philologus
(XLVIII, 756—760) ,Kritifches zu Prokop' erfcheinen und
legte in zwei Programm-Abhandlungen (1891 Augsburg
und 1893 München) gehaltreiche ,Procopiana' vor. Während
er fich im erften Teile derfelben hauptfächlich mit
der Abfaffungszeit der Werke des Prokopios befaßte,
war der zweite Teil, abgefehen von einem kurzen Nachtrag
zum erften, ausfchließlich der Textkritik gewidmet,
fo zwar, daß etwa 80 Stellen im I. u. III. Bande der
Bonner Ausgabe befprochen und gebeffert wurden. In
der Byz. Ztfchr. II, 290 berichtigte Haury fodann eine Änderung
Brauns, der a. a. O. S. 106—109 eine Reihe höchft
beachtenswerter Befferungsvorfchläge veröffentlicht hatte.
Wenn diefe allein auf Grund der höchft mangelhaften
Dindorffchen Ausgabe und der Beobachtung des Sprachgebrauchs
, mit zu weit gehender Verwertung der bei
Prokopios fich findenden Herodotifchen und Thukydi-
deifchen Anklänge, gemacht wurden, fo lag, befonders
in letzterem Umftande, die Gefahr einer philologifchen
Einfeitigkeit nahe, die den Wunfeh nur um fo lebhafter
empfinden ließ, bei diefem wichtigen und bedeutenden
Schriftfteller endlich einmal eine geficherte handfehrift-
liche Grundlage für die Textgeftaltung zu befitzen.
Denn auch die früheren Bemühungen der Gelehrten um
die Befferung des Textes, die jüngften vielleicht ausgenommen
, d. h. alfo die Beiträge von Struve (Opuscnla
selectal, Lipsiae 1854, 243 ff.), van Herwerden (Mnemosyne
IX, 1881, 104—112. 149—166), Volgraff (Mnemosyne X,
1882, 422 f.), Gomperz (Wien. Stud. II, 1880, 6 f.), Vitelli
Riv. di filo l. 1895, 404—408), haben zumeift allein von
der Dindorffchen Ausgabe, nur in befchränktem Umfange
von Hff. ihren Ausgang genommen. Daß fo trotzdem
der Text des Schriftliellers in recht vielen Fällen
Heilung bezw. Befferung erfuhr, ift felbftverftändlich, nicht
minder felbftverftändlich aber auch, daß Haury alle diefe
Bemühungen gewiffenhaft geprüft und das Probehaltige für
feine Ausgabe verwertet hat. Wie gründlich und umfaffend
er felbft nun von vornherein feine Aufgabe zu faffen und
möglichft endgültiger Löfung entgegenzuführen gewillt war,
das zeigte er in feiner umfangreichen, in den Sitzgs-
ber. der bayer. Akad. 1895 S. 129—176 veröffentlichten
Abhandlung ,Über Prokophandfchriften'. Was
er hier überfichtlich darlegte, die Hff. nach Wert,
Bedeutung und gegenfeitigem Verhältnis kennzeichnend
und ordnend, das hat fich ihm, der in den Jahren
1892—1894 (und noch einmal 1898) die Prokopios-Hff.
in der Parifer, Bafeler, Marcian., Ambrof, Laurent, befonders
aber der Vatikanifchen und Münchener Bibliothek
aufgefucht und durchforfcht hatte, im wefentlichen
auch fpäter bewährt und bildet die Grundlage der vorliegenden
Ausgabe. Natürlich find die Befferungsvorfchläge
der fchon genannten Gelehrten, zu denen noch
Maltret und Scheftlein (der in f. Progr.-Abhdlg. ,Dc
praepositionum usu Procopiano', Regensburg 1893, au (.leidem
Nachweis, daß der Gebrauch der Präpofitionen bei
Prokopios weit umfangreicher ift als in der klaffifchen
Literatur — vgl. Byz. Ztfchr. III, 413 —, eine Reihe von
Textbefferungen brachte) fowie die mit den Hff. felbft
vertrauten Ausländer Comparetti und Kraseninnikov
hinzutreten, teils dem Texte zugute gekommen, teils in
die adnotatio critica aufgenommen. Die Ausgabe wäre

j aber vielleicht nie ans Licht getreten, wenn dem Herausgeber
nicht von feiten der Bayerifchen Akademie der
anfehnliche Zographos-Preis zu diefem Zwecke verliehen
worden wäre.

Die eingehenden Prolegomena Haurys geben nach
doppelter Richtung hin fruchtbare Anregung, einmal

I nach feiten der Ouellenfrage für das Gefchichtswerk
und fodann nach feiten der Textgeftaltung bezw. der
Prüfung und Schätzung der handfehriftlichen Überlieferung
. Die erftere ift in den Arbeiten der letzten

I Jahrzehnte für Prokopios ziemlich in den Hintergrund
getreten. Man hat fich an der Löfung einer ganzen
Reihe anderer Fragen verfucht, auf die uns die weitere
Befprechung der Leiftungen Haurys noch führen wird.
Freilich hat man mit Recht gefagt, Prokopios' Hauptquelle
feien feine Ohren und Augen, die Augen des
Zeitgenoffen, der des Juftinianus Kriege gegen die Barbaren
im Morgen- und Abendlande befchrieben, der von
fich fagen konnte (I, 1. S. 5, 7): ,Ich war mir bewußt,
vor allen anderen imftande zu fein dies zu fchreiben, und
zwar allein aus dem Grunde, weil ich, Belifar dem Feldherrn
zum Beirat gewählt, bei faft allen Ereigniffen per-
fönlich zugegen war'. Aber abgefehen von diefem um-
fangreichften und wertvollften Beftandteil feiner Werke
hat er, der, wie diefe felbft bezeugen, neben einer um-
faffenden allgemeinen, ganz befonders eine fehr anfehnliche
gefchichtliche Bildung befaß, für manche Abfchnitte
feiner Schriften, namentlich über die landes- und völkerkundlichen
Verhältniffe fowie über die ältere Gefchichte
der Länder und Völker, auf die ihn der Gang der Er-
eigniffe hier und dort führt, in dem reichen ihm zur
Verfügung flehenden Schrifttum eingehendere Unter-
fuchungen angeftellt. Er hat Gewährsmänner gehabt,
und diefe find es, auf die jetzt Haury in feinen Proleg.
p. VII—XXII die Aufmerkfamkeit der Forfcher lenkt,
damit eine Anregung gebend, die vermutlich bei erneuter
Prüfung noch zu weiteren Ergebniffen führen
wird.

Wichtiger als diefe wenn auch noch fo anregende
Frage ift die zweite, von Haury mit der größten, dankens-
werteften Sorgfalt behandelte, die nach den Hand-
fchriften, auf denen feine Ausgabe ruht (Proleg. p.
XXII—LIV). Es ift ein riefiger handfehriftlicher Stoff,
den Haury mit raftlofem, viele Jahre unausgefetzt betätigtem
Fleiße durchgearbeitet, gefichtet und geordnet
hat. Alle Hff., die er hier befchrieben, hat er auch
felbft gefehen und geprüft. Sie werden von ihm eingehend
befchrieben, und zwar find mit großen Buchftaben
diejenigen bezeichnet, die er behufs Feftftellung des Wortlauts
genau verglichen, mit kleinen Buchftaben die
außerordendlich zahlreiche Gruppe derer, die mehr oder
weniger wertlos find. Sie einzeln aber zu verzeichnen,
würde, wie mir fcheint, hier zu weit führen. Wer diefen
Fragen befonders nachgehen will, fei auf die erfchöpfen-
de Auskunft der Prolegomena p. XXVIII—LIV verwiefen.
In einem letzten Abschnxttder Prolegomena befpricht Haury
die bisherigen Ausgaben (p. LIV—LX). Unter den
neueren Herausgebern kommt befonders Kraseninnikov
in Betracht. Diefer veröffentlichte 1899 (Iurievi-
Dorpat) die Anecdota (vgl. Haurys Anzeige i. d. Byz.
1 Ztfchr. IX, 672—674), hat aber, wie andere ruffifche Ge-
I lehrte gelegentlich — ich erinnere an Kurtzs oft fo ab-