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Ausgabe:

1905 Nr. 17

Spalte:

480-481

Autor/Hrsg.:

Schleiniger, Nikolaus

Titel/Untertitel:

Grundzüge der Beredsamkeit. 6. Aufl., neu bearb. von Karl Racke 1905

Rezensent:

Achelis, Ernst Christian

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Theologifche Literaturzeitung 1905 Nr. 17.

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ihn eine Verfuchung, den Heilandswillen aufzugeben. — | Glauben, fondern als feine Bafis unter ihm. Er durchKarl
Mü Hers (Erlangen),,Beobachtungen zur paulinifchen
Rechtfertigungslehre' (87—110) knüpfen an H. Cremers
Verfuch an, und wollen einen Beitrag zur ,hiftorifchen
und pfychologifchen Auslegung' der paulinifchen Geläuft
fie nicht einmal in einem Zeitpunkt, fondern be-
ftändig. Er läßt fie nicht hinter fich, fondern unter
fich . . . Wird das Kreuz Chrifti wirklich verftanden, fo
ift damit die Furcht überwunden. Dies gilt darum, weil

dankenwelt liefern. ,Feft Iteht die in Chrifto betätigte 1 im Kreuze Chrifti eine Gnade liegt, durch welche das

und die im Endgericht durch den wiederkehrenden
Chriftus zu vollziehende Rechtfertigungstat Gottes für die
Seinen: zwifchen diefen beiden Punkten verläuft die Zuführung
der Gläubigen zu Chriftus und feiner Gemeinde.
Auch fie kann als „Rechtfertigung" bezeichnet werden,
weil fie ein Werk Gottes im Zufammenhange feines getarnten
rechtfertigenden Tuns ift. Aber fie ift nicht ein
ifolierter Akt, den man, fei es vor, fei es nach dem
Glauben, im Leben des Individuums gewiffermaßen
lokalifieren könnte. Sie ift lediglich die Zueignung der
fie umgebenden objektiven Rechtfertigungstaten an das
Individuum, die im Glauben zur Erfcheinung kommt'

Recht des Zornes Gottes und darum der Furcht Gottes
nicht etwa beftritten, fondern beftätigt wird. Eine Gnade,
die die Furcht Gottes beftreitet, kann in diefem Fall
darum nichts nützen, weil die Furcht Gottes die völlige
Gewißheit ihres Rechtes in fich trägt. Überwunden und
aufgehoben wird fie darum nur durch eine folche Gnade,
durch welche fie zugleich beftätigt wird. Eine folche
liegt aber erft im Kreuze Chrifti vor. Denn hier ift eine
folche Gnade, welche Gericht ift, Offenbarung nicht nur
der Gnade, fondern auch des Zornes Gottes. Darum
liegt im Blick auf das Kreuz Chrifti eine Überwindung
jeder Furcht Gottes, jedoch nur, wenn es als Betätigung

(110). — Stanges Auffatz über ,Religion und Sittlichkeit 1 und nicht, wenn es als Beftreitung des Zornes und der
bei den Reformatoren' (111—134) fieht von den inner- Furcht Gottes aufgefaßt wird' (179. 177—178. 181). —

konfeffionellen Unterfchieden ab und behandelt die refor
matorifche Anfchauung als eine einheitliche Größe: ,je
tiefer man in die Gedanken der Reformatoren eindringt,
um fo deutlicher erkennt man, daß nicht bloß diefelben
Fragen für die Reformatoren aktuell gewefen find, mit
denen wir uns in der Gegenwart befchäftigen, daß vielmehr
auch die Antwort, welche fie auf diefe Fragen

Den Abfchluß der Sammlung bildet ein von Tfchackert
mitgeteiltes ,Gutachten Mosheims über den theologifchen
Doktorat vom 9. Augufr. 1749" (186—197). — Aus diefer
fummarifchen Inhaltsangabe dürfte erhellen, daß hier das
multum in parvo in glücklicher Weife verwirklicht worden
ift, was auch diejenigen dankbar anerkennen werden, die
an manchen Stellen der in dem fchönen Buche enthal-

geben, ein viel tieferes Verftändnis verrät, als wir es tenen Auffätze größere oder kleinere Fragezeichen fetzen
heute befitzen'. Die fundamentale Bedeutung des Zu- j follten.

fammenhangs von Religion und Sittlichkeit in der refor- j c>,,fik„r„ : t? v> r „uo •

. ., , ^t-., , -s cm. v r j , • d lt btralsDurg 1. ri. r. Eobltein.

matonfchen Ethik weilt St. befonders an drei Punkten

nach: ohne den chriftlichen Glauben ift es überhaupt 1 «... . „ . „ , „ . „ _
nicht möglich, ein fittliches Ideal zu proklamieren, wel- Sehl einiger, Pnefter Nikolaus, Grundzuge der Beredsam-
ches über die bloß natürliche Art des Lebens hinaus- I keit mit einer Auswahl von Muttern aus der redne-
führt; erft von hier aus wird die Bedeutung, welche die j rifchen Literatur älterer und neuerer Zeit. Neu be-
Gefinnung für das fittliche Leben hat, verftändlich; end- : arbeitet vonKarl Racke, S. J. Sechfte Auflage Freilich
vermag die chriftliche Sittlichkeit nicht bloß zu | b , p Herder (xvm g)
fagen, worin die allein wertvolle Gefinnung beftent, üe ° ? j > j/v 1 &
vermag vielmehr auch den Weg zur Erlangung diefer 4 i geD- M. 5.60
wahrhaft wertvollen Gefinnung zu führen. — Mit dem Nach einer Einleitung (S. 1—15), die über Wefen
von Stange behandelten Gegenttand berührt fich das und Gattungen der Beredfamkeit, Begriff und Gliederung
allerdings allgemeiner gefaßte Thema Schulzes ,Religion j der Rhetorik, Überblick über die Gefchichte der Bered-
und Sittlichkeit' (135—162). Der Verf. betrachtet fowohl - famkeit und der Rhetorik lieh verbreitet, entfaltet fich
die Motive, über welche die chriftliche Sittlichkeit ver- | der fyftematifche Teil des Werkes in vier Abfchnitten:
fügt, als auch die innerhalb des Chriftentums maßgeben- i Ermittelung des Redeftoffs (Inventio) S. 16—147, Anden
Zwecke und Ziele des Handelns; die Eigenart der- j Ordnung des Redeftoffs (Dispositio) S. 148—203, Darfelben
beleuchtet er befonders durch den Gegenfatz j ftellung des Redeftoffs (Elocutio) S. 204—271, Vortrag
gegen außer- oder widerchriftliche Strömungen. ,Die ewige j (Pronuntiatio) S. 272—282, wohin das Memorieren, die De-
Liebe kommt in Chriftus den Menfchen perfönlich nahe, ; klamation und die Gebärdenfprache gerechnet werden

um durch fein in ihrem Dienfte reftlos hingegebenes,
ebendamit aber zu bleibender Mittlerfchaft vollendetes
Leben ihre Gottesferne aufzuheben und eine wahrhaftige
Gemeinfchaft zwifchen beiden zu ftiften. Man kann die
chriftliche Sittlichkeit mit ihrem perfönlichen Grundzuge

Ein Schlußwort (S. 283—305) behandelt in buntem Far-
benfpiel die Selbftbildung des Redners, Kompofition,
Lektüre, Demofthenes und Cicero, endlich die Bedeutung
der Poefie für die Beredfamkeit. Von hervorragendem
Wert ift die dem fyftematifchen Teile folgende Beifpiel-

nicht behaupten ohne gläubiges Erfaffen und Bekennen j fammlung: ,Gewählte Züge (S. 306—568) zum Behufe
diefer perfönlichen Gottesgabe und Gottestat. Seine eines vergleichenden rhetorifchen Studiums und zur
Hingabe macht die unfere möglich' (161). — Lütgerts Übung im rednerifchen Vortrage', in denen Abfchnitte aus

Abhandlung über ,die Furcht Gottes' (163—186) wirft
mancherlei Streiflichter auf die neuteftamentlichen Äußerungen
zur Frage, ob zur chriftlichen Frömmigkeit die
Furcht Gottes gehört, oder ob fie in der chriftlichen

Mufterreden von 19,weltlichen' und 19 .geiftlichen'Rednern
dargeboten werden. Daß unter den ,weltlichen' Rednern
außer 4 englifchen Parlamentariern keine Proteftanten fich
finden, natürlich auch keine Proteftanten unter den ,geift-

Gemeinde und im chriftlichen Bewußtfein keine Stelle | liehen' Rednern, daß in den Beifpielen im fyftematifchen
mehr hat. Die pofitiven Erwägungen, die L. an feine I Teil und in den ,Gewählten Zügen' die Zentrumsredner
biblifch-theologifchen Ausführungen anfchließt, greifen l im f. g. Kulturkampf eine große Rolle fpielen, verübeln
in das Gebiet der Religionspfychologie, für welches der I wir den jefuitifchen Verfaffern nicht, obgleich wir das auch
der religionsgefchichtlichen Literatur der Modernen 1 hier hervortretende Sichabfchließen gegen den Prote-
gegenüber mehr ablehnende Verfaffer fonft wenig übrig ftantismus im Intereffe der Sache beklagen. Gleichwohl
hat. ,Die Polemik gegen die Furcht Gottes erklärt fich halten wir mit dem Urteil nicht zurück, daß die von
daraus, daß es freilich eine krankhafte Furcht gibt, die außerordentlich weiter und gründlicher Belefenheit zeu-
zur Angft oder Verzweiflung wird. Echter Glaube aber genden Beifpiele im fyftematifchen Teil und in den
tritt nur in der Form überwundener Furcht auf. Die Gewählten Zügen gefchickt und treffend gewählt find.
Furcht bildet den Durchgangspunkt für den Glauben ... Im fyftematifchen Teil find die beiden erften Haupt-

die Furcht liegt nicht als Vergangenheit hinter dem abfchnitte über die Inventio und Dispositio als befonders