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Ausgabe:

1905

Spalte:

465-468

Autor/Hrsg.:

Bischoff, Erich

Titel/Untertitel:

Jesus und die Rabbinen 1905

Rezensent:

Fiebig, Paul

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Seite 1, Seite 2

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Theologische Literaturzeitung.

Herausgegeben von D. Ad. Harnack, Prof. in Berlin, und D. E. Schürer, Prof. in Göttingen.

Jährlich 26 Nrn. Verlag: J. C. Hinrichs'fche Buchhandlung, Leipzig. Jährlich 18 Mark.

Nr. 17.

19. Auguft 1905.

30. Jahrgang.

Ottley, The book of Isaiah according to the

Septuagint (N'eftle).
Bifchoff, Jefus uud die Rabbinen (Fiebig).
Hausrath, Luthers Leben, 2 Bände (Koehler).
Albrecht. Der Kleine Katechismus D. Mart.

Luthers nach der Ausgabe v. J. 1536

(Knoke).

Zeitfchrift der Gefellfchaft für nicderfächfifche
Kirchengefchichte, 9. Jahrg. (Boffert).

Holl, Die geiftlichen Übungen des Ignatius von
Loyola (Bruckner).

Theologifche Studien, Martin Kühler zum 6.
Januar 1905 dargebracht von Giefebrecht,

Kögel, Bornhäufer, K. Müller, Stange, M.

Schulze, Lütgert, Tfchackert (Lobftein).
Schleiniger, Grundzüge der Beredfamkeit, neu

bearb. von Racke, 6. Aufl. (E. Chr. Achelis).
Seil, Die Religion unterer Klaffiker: Leffing,

Herder, Schiller, Goethe (Niebergall).
NeueHamanniana, herausg. vonW e b e r (Zilleffen).

Ottley, The book of Isaiah, according to the Septuagint (Codex
Alexandrinus). Translated and edited. I. Intro-
duction and translation with a parallel version from
the Hebrew. London, C. J. Gay and Sons 1904. (XII,
336 p.) 8° 5 sh.

Den Zweck diefes Bändchens verliehe ich nicht ganz.
Es foll Helleniflen, welche Griechifch, aber wenig He-
bräifch können, für die Bibel der Helleniflen intereffieren,
und foll das Verhältnis der Septuaginta zum hebräifchen
Text aufzeigen. Dies wäre doch viel beffer, ftatt durch
eine Parallelüberfetzung des ganzen Buchs, durch eine
Erörterung derjenigen Stellen erreicht worden, wo beide
Texte von einander abweichen. Jetzt lieft man beifpiels-
weife 53 •> die zwei Überfetzungen:

And he grew up before ! We declared htm as a
kirn as a sapling child before him

Irgend einen Auffchluß über das Verhältnis von he
grew up und we declared bekommt man nicht. Vielleicht
daß der zweite Band, der den griechifchen Text
und Anmerkungen bringen foll, uns weiter hilft. Die
Einleitung handelt zuerft von der Septuaginta überhaupt,
dann fpeziell vom Buch des Jefaia. In diefem Teil finden
fich manche forgfältige Beobachtungen; doch ließen fich
noch mehr naheliegende Textbefferungen aufführen, z. B.
27 i >j ftatt ?}, 53 11 JtXrjöai für jcXaöai. Lehrreich ift, daß
ukv in Jef. nur zweimal vorkommt, über de in Jeremia ift
S. XII zu S. 38 nicht zu überfehen. Auf weiteres wird
einzugehen fein, wenn der zweite Band vorliegt. Wie
dringend nötig ein Kommentar zur Septuaginta ift, zeigt
auch diefe Arbeit.

.Maulbronn. Eb. Neftle.

Bischoff, Dr. Erich, Jesus und die Rabbinen. Jefu Bergpredigt
und „Himmelreich" in ihrer Unabhängigkeit
vom Rabbinismus dargeftellt. (Schriften des Inftitutum
Judaicum in Berlin Nr. 33.) Leipzig, J. C. Hinrichs'fche
Buchhandlung 1905. (VI, 114 S.) gr. 8°

M. 2.20; geb. M. 3 —

Bifchoffs gründliche und erfreuliche Darbietungen
könnten anders aufgefaßt werden, als das, wie ich weiß,
im Sinne des Verfaffers wäre. B. vertritt die Thefe, daß
Jefus in Hauptfachen und auch in mancherlei Nebenpunkten
von den Rabbinen, d. h. dem, was uns im rabbinifchen
Schrifttum vorliegt, unabhängig fei. Er begründet
diefe Thefe durch forgfältige Nachweife, die fich
befonders mit der chronologifchen Fixierung der rab-
binifchen Worte und Gedanken befchäftigen und ergeben,
daß das zeitliche Prius in den allermeiften Fällen auf
der Seite Jefu zu fuchen fei. Bifchoff beabfichtigt, mit
diefen Nachweifen in erfter Linie die I^eichtfertigkeit

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jüdifcher Literaten zu treffen, die am liebften Jefu Originalität
rundweg in jedem Punkte leugnen und mit
Vorliebe chronologifche Unterfuchungen vermeiden. B.
beabfichtigt aber, mit feinen Nachweifen auch auf chrift-
liche Theologen einzuwirken, und auf Grund meiner
Kenntnis gerade der Theologen, die B. beeinfluffen möchte,
vermute ich, daß fein Buch die entgegengefetzte Wirkung
hat, als er beabfichtigt. B. möchte nicht, daß nach
feinen Unterfuchungen der Anfchein entftünde,
als fei die Verwendung der jüdifchen Literatur
für die Erklärung des Neuen Teftamentes über-
flüffig. Im Gegenteil: er hält es, mit mir, für unbedingt
nötig für eine gründliche Erforfchung des Neuen Teftamentes
, daß fich in weiteften Kreifen der heutigen
Theologen die Erkenntnis durchfetzt, eine energifche,
fyftematifche Durchforfchung und Überfetzung der thal-
mudifchen Literatur fei nicht nur nicht überflüffig, auch
nicht bloß fchließlich zuzulaffen, fondern mit allen Mitteln
zu erftreben.

B. hat in dem Buche geleiftet, was unter den gegenwärtigen
Verhältniffen möglich ift: er hat aus dem umfallenden
Thema Jefus und die Rabbinen' ein Teilthema
herausgenommen, d. h. die Bergpredigt daraufhin durchgeprüft
, ob fich in der rabbinifchen Literatur Parallelen
zu den Worten Jefu, wie fie in der Bergpredigt vorliegen,
finden, wobei fich B. in erfter Linie auf eine Nachprüfung
deffen befchränkt hat, was bisher, befonders von Nork, an
Parallelen beigebracht worden ift. B.s Buch will (vgl.
S. 7) ,ein praktifches Nachfchlagewerkchen zu den einzelnen
hinfichtlich ihrer Originalität bezweifelten Worten
Jefu' fein. Er erörtert daher nach einander die einzelnen
Worte der Bergpredigt, die ihm wichtig find, und zwar
im Anfchluß an Matthäus. S. 97 ff folgt im Anfchluß an
Mt. 417 eine Erörterung des Begriffes ,Himmelreich'. Ein
Schluß S. 103 f. faßt die Ergebniffe kurz zufammen, ein
Anhang S. 104fr. bringt einen Auffatz von Prof. Strack
aus dem Jahre 1884, der diefelbe Thefe wie B. vertritt.

Daß die Frage der Originalität Jefu den Juden feiner
Zeit gegenüber oder auch nur dem rabbinifchen Schrifttum
gegenüber umfaffend durch B.s Ausführungen er-
wiefen fei, wird er felber nicht behaupten. Es bleibt alfo
immer noch die Frage offen, ob Jefus in anderen Beziehungen
etwa doch nicht original fei. Halten wir uns
aber lediglich an das, was B. bietet, obwohl er auf Voll-
ftändigkeit und fyftematifche Erfchöpfung des zur Bergpredigt
vorhandenen Materials fichtlich keinen Anfpruch
macht: hat B. wirklich damit recht, daß Jefus fchlechter-
dings in jeder Beziehung völlig original ift? Beliehen
nicht doch Anknüpfungen, Beziehungen, Vorausfetzungen
mannigfachfter Art, die Jefu gegeben find, mag er auch
das ihm Gegebene verändern, vertiefen und bereichern?
Diefe Seite der Sache hebt B. m. E. viel zu wenig hervor
. Und ferner: fo fegensreich und unbedingt nötig es