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Ausgabe:

1905 Nr. 13

Spalte:

378-379

Titel/Untertitel:

Acta inedita historiam Pontificum Romanorum 1905

Rezensent:

Keller, Siegmund

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Theologifche Literaturzeitung 1905 Nr. 13.

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dabei in Betracht. Holl hat Vermutungen gewagt, die j
weiterer Überlegungen wert find. Soweit ich fehe, ift
nicht die fpäte, fondern die frühe Zeit des D. diejenige,
die forgfältigere Beleuchtung in erfterer Linie nötig hat
und noch genauer zu .disponieren' ift.

Hauptfächlich will D. eine Darftellung der /Lehre' des [
Damaszeners geben. Er Bellt eine Erörterung der Normen
derfelben voran d. h. eine Unterfuchung darüber, wie fich h.
Schrift und kirchliche Tradition darin verhalten. Es folgen
als ,2. Teil' Abfchnitte über die öiöaöxaXia jceqI dxovcov,
S. 23—42, xeql &£<>v, S.42—67, XQiOzoXoyia, S. 67—124 (ein 1
Unterabschnitt handelt hier xeqi ajtoXvzgwOsmq, S. 114
— 124), gtEt/i ihEozöxov, S.^ 124—134, jteoI /ivarrjQicov,
S. 134—153, jtEgi zmv jieza {rävazov. Überall ftellt D.
eine kritifche Ünterfuchung der für den betreffenden
Lehrpunkt ihm hauptfächlich wichtig dünkenden Werke
des Johannes voraus. Das hat Vorzüge und ÜbeKtände.
Seine Vorzüge, fofern die einzelnen Werke Sogleich in
einem fachlichen Zufammenhange erfcheinen. Seine Übel-
ftände, fofern es ohne einige Willkür dabei nicht abgeht.
Eine ,befondere' Schrift über die üirjyai der Lehre hat
Johannes ja nicht verfaßt, das große Werk ^r//7^ yvmOEmg,
welches D. bei der Lehre jceqI &eov voranftellt, hat
Quellenwert für fämtliche Lehrpunkte, zumal auch die
fchon vorab behandelte Lehre von der h. Schrift und
kirchlichen Tradition; endlich bei einem Abfchnitt, dem
über die ,Myfterien', muß D. konftatieren, daß alle dem
Johannes beigelegten Sonderfchriften darüber unecht find,
für die öiöaöxaXta hier alfo wieder nur anderwärts be-
fprochene Quellen zu verwerten find. Im einzelnen die
Schriften, die D. als dem Johannes wirklich zugehörig
anerkennt, und andererfeits die er für unecht erklärt, nur
zu regiftrieren, hat keinen Zweck, die Begründung, die er
dabei im einzelnen vorbringt, mitzuteilen und zu beurteilen
, führt zu weit. Gerade hier darf man gewiß D.s
Bemerkungen zum voraus Gutes zutrauen. Ein Grieche,
der kritifches Urteil hat (wie D. ohne Zweifel), befitzt
einige Gewähr, daß er die Imponderabilien, die bei jeder
Echtheitsfrage hinfichtlich einzelner Dokumente viel-
fchreibender Autoren eine Rolle fpielen, bei einem Griechen
Stärker empfindet als unfereiner. Intereffant ift,
daß Diekamp, der in feiner Rezenfion der Arbeit von D.
(Byz. Ztfchr. XIII, 1904, S. 164) fich noch fehr entschieden
dahin äußerte, daß das Urteil, wonach die Rede jisqI
zmv ev Jtiozst xEXOiiiijfiEvmv echt fei, einen .Abendländer'
fchwerlich überzeugen werde, nachträglich Sich doch
anders geäußert hat. In feiner Abhandlung Johannes von
Damaskus »Über die im Glauben Entfchlafenen«', Rom.
Quartalfchr. XVII, 4, erklärt auch er, freilich großenteils
mit anderen Gründen als D., jedenfalls mit gelehrterer
Begründung, daß die Schrift doch wohl ,wahrfcheinlich'
dem Johannes zuzufprechen fei.

In der Darftellung der Gedanken des Damaszeners
weicht D. mannigfach von dem, was abendländifche
Dogmenhiftoriker ausgeführt haben, ab. Befondere Mühe
gibt er Sich, die Chriftologie, die er vertreten habe, richtiger
zum Verständnis zu bringen, als den Abendländern
bisher befchieden gewefen. Bei Johannes feien vjtoozaöig
und Jtgoömjcov, foweit es Sich um Perfonen handele, iden-
tifche Begriffe, dagegen feien vnöozaOig {jtQÖOmxov) und
<pvOtg zweierlei, ein und diefelbe Hypoftafe bez. Perfon
könne zwei .Naturen' haben. Die .Alten' hätten den
Begriff der Perfon Sich freilich in einer Weife näher verdeutlicht
, die von der .modernen' abweiche. Sie hätten
ihn nur dvzixEiLiEVixmq, objektiv, aufgefaßt, während die
.Neueren', feit Locke, ihn vjtoxEifiEVixmg, fubjektiv, deuteten
und fein wefentliches Merkmal ,sv zm sym' fänden,
letzteres wieder als Bewußtfein, fpeziell Selbftbewußtfein I
(avzoovvEiörjöia), und Selbftbeftimmung (ßovXrjöiq, avz-
e§ov6iov) anfehend. D. meint, daß die .Neueren' gerade [
beim Damaszener anknüpfen und feine Theorie fortbilden
könnten, zumal wenn Sie deffen Theorie von der Enhy-
poftafie der menfehlichen Natur in der göttlichen berücksichtigten
. Das würde ich verstehen können, wenn es
Sich bei Chriftus um eine doppelte ,Selbftbeurteilung'
handeln Soll. Allein ich weiß nicht, ob was D. als avzo-
ßWEiörjöia bezeichnet, ihm das bedeutet, und vollends
würde der Damaszener gewiß diefe .Fortbildung' feiner
Lehre einfach ablehnen. — Im allgemeinen hält D. fich
treu und feft auf dem Boden feiner Kirche. Das bedeutet
nun freilich auch fehr deutlich eine Grenze feines
Verftändniffes für abendländifche moderne hiftorifche Gedankengänge
. Er ift diefen gegenüber fehr gern mit
einem hvzEXmg OmaXsgov zur Hand, wenn Sie die Art der
anatolifchen Kirche und ihrer Gedanken nicht fo verstehen
, daß er an ihr feine Freude haben kann. Prote-
ftantifche und römifche Autoren werden hin und her
von ihm energifch abgewiefen. Ich freue mich mehr als
es mich kränkt, daß auch ich gelegentlich dabei als .völlig
irrend' in meiner Auffaffung hingeftellt werde. Denn es
ift ein gutes Zeichen für die griechifche Theologie der
Gegenwart, daß Sie begonnen hat, Sich um die Arbeiten
der Abendländer zu kümmern. Gewiß werden wir auf
unferer Seite je länger je mehr auch von den griechifchen
Arbeiten lernen können. Aber vorerft Spielt noch eine
gewiffe Empfindlichkeit und das fpezififche kirchliche
Hochgefühl des Orients bei den Griechen eine zu große
Rolle, als daß ihre Einwendungen oder Ablehnungen uns
befonderen Eindruck machen könnten. In meiner Darftellung
der anatolifchen Kirche hat D. die Schilderung
des Gottesbegriffs, wo ich beim Damaszener anknüpfte,
zu beanstanden (vgl. meine Konfeffionskunde I, 3ioff.).
Ich bin durch das, was er S. 59 Anm. dawider geltend
macht, nicht überzeugt worden, daß ich feiner Kirche
unrecht tue, wenn ich ihren Gottesbegriff noch wefent-
lich ,unperfönlich' finde. Ich fage S. 311, daß ,die Begriffsbildung
(in ihr) doch nur weit genug reiche, um eine
Perfonifikation der Gottesidee zu geftatten'; die An-
fchauung von Gott ,greife nirgends entfeheidend hinaus
über den Eindruck einer Sache'. Die Probe darauf finde
ich in dem Gedanken des orthodoxen Christentums, daß
es fchließlich keine andere .Gemeinschaft' mit Gott gebe,
als daß der Menfch ihn .anfehaue', ihn fchauend .genieße'.
Dabei ift allerdings die Vorausfetzung, daß D.s Auffaffung
der jzQmOojzixozrjg nicht entfernt dem Begriff der Persönlichkeit
genug tue. Zur wirklichen .Persönlichkeit'
gehört mir ein fehr bestimmter Inhalt ihres Lebens.
Selbftbewußtfein und Selbftbeftimmung find mir erft bei
Sittlicher Selbftbeurteilung die Merkmale wirklicher Persönlichkeit
.

Im letzten, dritten Teile befpricht D. die Xouta Ovy-
yganfiaza zov A., d. h. diejenigen, die nicht dogmatifchen
Charakter tragen. Hier Stehen die Sacra Parallcla voran,
über die D. auch nicht viel anderes zu fagen weiß, als
was Holl gefagt hat. Folgen noch kritifche Bemerkungen
über eine größere Reihe kleinerer Schriften und Fragmente
, die dem Damaszener zugefchrieben find. Das
meifte ift hier ziemlich dürftig. Über Johannes als Dichter
redet D. unerlaubt kurz und oberflächlich. Sein wirkliches
Intereffe erfchöpft Sich in der Darfteilung der dogmatifchen
Lehren des Mannes.

Göttingen. F. Kattenbufch.

Acta inedita historiam Pontificum Romanorum praesertim
saec. XV, XVI, XVII illustrantia. Edidit Ludovicus
Pastor. Volumen I: A. 1376—1464. Ad opus promo-
vendum adiumenta concessa sunt ex hereditate quem
reliquit Dr. Joh. Fred. Böhmer. (Auch mit deutfehem
Titel.) Freiburg i. B., Herder 1904. (XX, 347 S.) gr. 8"

M. 8—; geb. M. 10 —

Das im erften Bande nunmehr erfchienene Werk
bietet eine Sammlung von Papfturkunden, welche den
von Paftor am Schluffe der einzelnen Bände feiner Papft-
gefchichte bereits zum Abdrucke gebrachten Urkunden

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