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Ausgabe:

1905 Nr. 11

Spalte:

340

Autor/Hrsg.:

Brann, M.

Titel/Untertitel:

Geschichte des jüdisch-theologischen Seminars (Fraenckel’sche Stiftung) in Breslau. Festschrift zum fünfzigjährigen Jubiläum der Anstalt 1905

Rezensent:

Schürer, Emil

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339

Theologifche Literaturzeitung 1905 Nr. 11.

340

Der Verf. fcheint eben nicht allzu viele Literatur über
die Freiheitsfrage gelefen, gefchweige ftudiert zu haben.
Zwar gibt er 7 Seiten über ,die Gefchichte des Problems
'. Diefe ,Gefchichte' ift aber auch oberflächlich {
und dürftig genug. U. a. fleht in ihr zu lefen, Clemens
und Origenes hätten die menfchliche Freiheit gegenüber
der Sekte der Manichäer verteidigt, ,die dem
Böfen eine allzu große Macht zufchrieben'. Bevor der ;
Verf. dergleichen drucken ließ, hätte er fich doch in I
irgend einem Lehrbuch der Kirchengefchichte wenigftens
nach den chronologifchen Daten umfehen follen. Merkwürdig
, daß fich für folche Bücher immer noch Verleger |
finden!

Bonn. O. Ritfchl.

Warberg, Paul, Religion und Kultur. Würzburg, Stahel-
fche Verlags-Anftalt 1905. (IV, 88 S.) gr. 8» M. 1.50

Der Verf., der fich für feine Ausführungen ausdrücklich
und vielfach auf den 1898 verdorbenen katholifchen
Moraltheologen F. X. v. Linfenmann beruft, möchte dem
Katholizismus ein kulturfreundliches Gepräge verleihen.
Doch gefchieht dies in vorfichtig verklaufuliertem und j
gewundenem Ausdruck. Man merkt dem Verf. eine ge-
wiffe Angftlichkeit an, den vorgefchriebenen Grund und
Boden zu verladen. Wo er fich auf einer Abweichung
ertappt, fucht er fich fchleunigfl auf irgend eine Art zu
decken und zu rehabilitieren. So behalten feine Ausführungen
etwas Unentfchiedenes und Undurchfichtiges.

Letzthin ift dem Verf. Religion nur in der katho- 1
lifchen Kirche, Wahrheit nur im katholifchen Dogma.
Eine gerechte Würdigung des Proteftantismus und feiner 1
Kulturleiftungen ift deshalb nicht zu erwarten. Wo fich
eine Anerkennung folcher nicht gut vermeiden ließ,
wird fie erheblich eingefchränkt. Doch fucht der Verf. j
proteftantifche Motive in das Gebilde des Katholizismus
einzufügen. Wie durch die katholifche Kirche das Kulturleben
ganzer Länder gehemmt oder vernichtet worden
ift, davon wird nichts erwähnt.

Immerhin begrüßen wir jeden, wenn auch noch fo
fchüchternen Verfuch, in der römifch-katholifchen An- I
fchauungswelt den Sinn für moderne Ideen und Beftre- |
bungen zu wecken und zu beleben. Wir fehen in dem
fog. liberalen Katholizismus nicht die größere Gefahr,
fondern einen Weg zur Überwindung des Ultramontanismus
.

Daß der Verf. für feine zahme und harmlofe .Friedens-
fchriff .wegen der möglichen Folgen eines folchen Unterfangens
' als Verfaffernamen ein Pfeudonym zu wählen
fich genötigt fah —, wie es in der Vorrede heißt, namentlich
aus Gefundheitsrückfichten —, ift uns ein bedenkliches
Symptom. Der Verf. fcheint felbft nicht recht zu
glauben an die gerühmte Toleranz und Forfchungsfreiheit
in der katholifchen Kirche.

Stettin. Lülmann.

Mitteilungen zur jüdischen Volkskunde, unter Mitwirkung
hervorragender Gelehrter herausgegeben von M. Grun-
wald. Neue Reihe. Erfter Jahrgang. Heft I. (Der
ganzen Reihe XV. Heft). Berlin, Calvary & Co. 1905.
(II, 93 S.) gr. 8° Jahrgang (2 Hefte) M. 4—;

einzelne Hefte M. 2 50

Inhalt: Wolf, Albert, Etwas über jüdifche Kunft und über jüdifche
Künftler. — Weißenburg, S., Eine jüdifche Hochzeit in Südrußland
. — Schwab, M., Haggadailluftrationen.

Unter den drei Arbeiten, welche diefes Heft enthält,
ift die umfangreichfte die von Alb. Wolf, Etwas über
jüdifche Kunft und ältere jüdifche Künftler (S. 1—58).
Sie bringt reichhaltige Mitteilungen über jüdifche Gold-
fchmiede, Graveure, Metallarbeiter, Weber, Sticker, Bau-
meifter, Maler und Kupferftecher des fpäteren Mittelalters
und der neueren Zeit. Dem Stoffe nach mit ihr
verwandt ift die dritte von Schwab, Haggadailluftrationen
[in franzöf. Sprache] (S. 75—92). Sie ift aber
keine Original-Arbeit, fondern ein Auszug aus der Abhandlung
von Schwab über die Handfchrift der Parifer
Nationalbibliothek Hebr. N. 1388, welche ich in der
Theol. Litztg. 1903, 405 angezeigt habe, unter gleichzeitiger
Mitteilung der Abbildungen nach derfelben Handfchrift
, welche Schwab in der Revue des etudes juives t.
XLV, 1902, p. 112—132 gegeben hat. — Zwifchen diefen
beiden Arbeiten, welche zeigen wollen, daß die Juden
auch auf dem Gebiete der Kunft fich hervorgetan haben,
fleht die Befchreibung einer jüdifchen Hochzeit in Südrußland
von Weißenberg (S. 59—74).

Göttingen. E. Schürer.

Brann, Dr. M., Geschichte des jüdisch-theologischen Seminars

(Fraenckel'fcheStiftung) in Breslau. Feftfchrift zum fünfzigjährigen
Jubiläum der Anftalt. Breslau, (W. Koeb-
ner) (1904). (210 u. LIV S.) gr. 8°. M. 5.—

Am 10. Auguft 1854 ift, auf Grund einer von dem
Kommerzienrat Jonas Eränckel (f 1846) gemachten
reichen Stiftung, das Jüdifch-theologifche Seminar' in
Breslau eröffnet worden, das fomit im vorigen Auguft
fein fünfzigjähriges Jubiläum feiern konnte. Aus Anlaß
der Feier hat Brann diefe ausführliche, überall auf urkundliches
Material fich ftützende Gefchichte der Anftalt
bearbeitet. Das Seminar hat eine große Bedeutung erlangt
für die Ausbildung der Rabbiner und der jüdifchen
Gelehrten Deutfchlands überhaupt während der letzten
fünfzig Jahre. Es ift die ältefte Anftalt in Deutfchland,
welche das Ziel verfolgt, Rabbiner auszubilden, die mit
gründlicher Kenntnis des Talmud zugleich eine allgemeine
humane Bildung im europäifchen Sinne verbinden. Bedingung
der Aufnahme war bis 1887 die Reife für Sekunda
(indem das Seminar für Ergänzung des Gymnafial-
unterrichts forgte); feit 1887 werden nur Gymnafial-
Abiturienten aufgenommen. Fall alle jetzt lebenden
jüdifchen Gelehrten Deutfchlands find durch diefes Seminar
gegangen. Da die Feftfchrift S. 140—204 ein vollftändiges
Verzeichnis der Hörer des Seminars und ihrer Schriften
gibt, fo bietet fie damit ein reichhaltiges Repertorium
zur neueren jüdifchen Gelehrtengefchichte und Bibliographie
. Obwohl gegenwärtig ähnliche Anftalten in Wien
und Berlin mit der älteren Schwefler konkurrieren, fo
hat diefe doch immer noch ihre Bedeutung behauptet.
Als Lehrer haben an der Anftalt feit ihrer Gründung
gewirkt: Frankel, Grätz, Jacob Bernays, M. Joel, Zuckermann
, Rofin, Freudenthal, Lazarus, D. Joel, L. Cohn,
Lewy, Brann, Horovitz. Die wertvolle Bibliothek umfaßt
jetzt 400 Handfchriften und 18000 Druckwerke in
rund 24000 Bänden.

Göttingen. E. Schür er.

Entgegnung.

C. Clemen behauptet in feiner Befprechung meiner Schrift ,Der
zweite Korintherbrief des Apoftels Paulus' (ThLZ 1905, Nr. 7, Sp. 197 f.)
zu wiederholtenmalen, daß die Begründung meiner Thefen von vornherein
unhaltbar fei, von vornherein niemand einleuchten werde,
kaum gelungen fei u. ä. Da Clemen nicht auch nur die leifefte Andeutung
einer Begründung für feine vagen, noch dazu vom Standpunkt
einer längft als unhaltbar erkannten Hypothefe getanen
Behauptungen erbringt, fo befchränke ich mich darauf, hier nur tat-
fächliche Unrichtigkeiten feftzuftellen. I, Clemen behauptet, ich wäre
.vollends' auf die Ausfcheidung von 3 12 ff. felbft nicht gekommen, wenn
nicht ,zufällig', wie von 72—915:200, fo von 11—318:213 und von
41—71 wieder 200 Stichen wären. Darauf bemerke ich: die Ausfcheidung
von 312ff. habe ich in der vor I] Jahren erfchienenen Schrift ,Der Vierkapitelbrief
' bereits vorgetragen, ohne daß ich damals von der korre-
fpondierenden Stellung der Abfchnitte 312fr. und 6l4fT. und den Stichen-
verhältniffen etwas gemerkt hatte, wie jeder Lefer durch einen Einblick
in jene Schrift erfehen kann, und auch Clemen, der jene Schrift
kennt, wiffen muß. Welch' ein Urteil hieraus über die zit.
Behauptung Clemens zu fällen ift, brauche ich nicht weiter