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Ausgabe:

1905 Nr. 11

Spalte:

323

Autor/Hrsg.:

Lods, Adolphe

Titel/Untertitel:

Les Israélites croyaient ils à la vie future? 1905

Rezensent:

Bertholet, Alfred

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323

Theologifche Literaturzeitung 1905 Nr. 11.

324

Lods, Adolphe, Les Israelites croyaient ils ä la vie future? Walter, Pakt. Johann. Der religiöse Gehalt des Galater-

(Extrait de la Revue chretienne.) Dole, Impr. Girardi
et Audebret 1904. (39 p.) gr. 8"

Der Vortrag, den der Verfaffer im Vorftehenden veröffentlicht
, hält (ich ungefähr in der Linie der bekannten
einfchlägigen Arbeiten Stades und Schwallys, denen auch
der Unterzeichnete gefolgt ift. ,Notre expose aura peut-
etre montre que la croyance a un neant ä peu pres complet
apres la mort, loin d'etre une notion semitique primitive
na ete le fait qne d'une periode de transition dans Phistoire
de la pensee israelite, de cet Intervalle inevitable pendant
lequel, table rase ayant ete faite de la vieille coneeption
trop intimement liee au culte ancestral, se poursuivait le
travail Interieur qui allait donner naissance a une forme
nouvelle de la croyance ä la vie future, conforme a Pesprit
de la religion des prophetes' (S. 38).

briefes. Göttingen, Vandenhoek & Ruprecht 1904.
(X, 257 S.) gr. 80. M. 6 —

Verf. ift Pfarrer in Livland und war, feitdem er an
einer Gemeinde von mehr als 24000 Seelen tätig ift, d. h.
feit etwa 2 Jahren, genötigt, feine wiffenfchaftliche Tätigkeit
einzuftellen. Was er vorher erarbeitet hatte, würde
er wohl erfolgreicher in Form eines wirklichen Kommentars
dargeboten haben. Zu erreichen wäre das leicht gewefen,
da die vorliegende Leiftung fo ziemlich den ganzen Brief
mit Ausnahme der nur gelegentlich im Vorbeigehen ge-
ftreiften Stücke 1 1-3. 4—2 14. 412- 20 umfaßt. Doch foll
2 1; das huol darauf hinweifen, daß Barnabas nicht fo fett
wie Paulus widerftanden, fich alfo wohl etwas habe auferlegen
laffen (S. 2f.), während Paulus keine Konzeffion
gemacht, das Dekret von Jerufalem nicht angenommen

In wohlverftändlicher Rückficht auf franzöfifche Hörer i habe. ,Er mag fich fo fehr als Heidenapoftel gefühlt
bezw. Lefer wendet fich der Verfaffer mit diefem Reful- ! haben, daß er die Juden ruhig dem Petrus und den
tat fpeziell gegen Renan, der, was tranfitorifch für die > andern Urapofteln überlaffen konnte. Aber gefallen
klaffifche Zeit Iffaels gilt, zu ftark generalifiert hat, zu- j konnte ihm dies Refultat doch nicht' (S. 7). Daß nur
mal aus feiner verhängnisvollen Konftruktion einer be- j diefes und nicht mehr erreicht werden konnte, lag an
fondern Pfychologie und Gottesvorftellung des Semiten den ,Falfchbrüdern' (S. 5 f.). Aus diefer Situation heraus
heraus. Dem gegenüber erweift der Verf. mit Recht die ift nun Vor allem die Rede 2 15-21 zu verftehen, die fich

Tatfache einer originalen Entwickelung der ifraelitifchen
Vorftellungen vom Zuftand nach dem Tode: ,Nous ver-
rons que le developpement des croyanecs israelites n'a

am Anfang an Petrus, feit 2 is aber auch und bald immer
mehr direkt an die Galater richtet (S. 9f. 41). Bei Erklärung
diefer und aller folgenden Hauptftellen des

pas ete cette evolution en deux actes: un premier acte, pure- i Briefes (31-14. 315-411. 421-512. 513-610) fchwebt dem
ment semitique, ou Israel nie la vie future; et un deuxieme j Verf. als Ziel vor, ,daß jeder Begriff, jede Vorftellung
acte, ou, saus doute sous l'influence parsiste ou hellenique, j und jede Stimmung genau in dem Zufammenhang und
ü admet la resurrection et Pimmortalite ; — mais que, en mft der Betonung zur Geltung kommen follen, wie fie

Opposition avec une coneeption primitive a peu pres sem-
blable a celle de tous les peuples, la religion d'Israel a
devcloppe une coneeption originale, qui, par une serie
d'etapes tres variees, a abouti a une affirmation tres nette
de la vie future a partir du lle siede avant notre ere'
(S. 7 f.).

Der Verfaffer geht zunächft den bekannten Spuren
nach, welche einerfeits von einem Glauben an ein bewußtes
und tätiges Weiterleben der Toten in Grab oder
Scheol (er glaubt beide Vorftellungen zeitlich nicht von
einander trennen zu können und möchte die Scheolvor-
ftellung nicht als babylonifcheEntlehnungangefehen wiffen),
andererfeits von einftiger Totenkultübung Zeugnis ablegen
. Das Verblaffen des Totenkultes vor dem Jahwe-

fich in den Urkunden finden' (S. VIII). wozu noch als
befonderes Kennzeichen diefer Auflegung die Regel tritt,
es feien bei Paulus weniger Begriffe, als vielmehr Vorftellungen
und Anfchauungen zu fuchen (z. B. S. 218 und
226). Dem Vorfatz entfpricht die Ausführung in oft
recht umftändlicher, ja geradezu peinlicher Weife, zumal
da, wo die Frage nach der Betonung entfeheiden foll
(z. B. S. 66). Aber der Eindruck unfruchtbarer logifcher
Exerzizien,mit dem man von manchen lang hingefponnenen
Erörterungen, z. B. denen über den Sinn von xaxäqa
(S. Ö2f. 75f.), fcheidet,wird doch auch wieder unterbrochen
von einem Gefühl der Genugtuung über wirkliche Funde,
zu welchen z. B. die vorfichtig begrenzte Erklärung des
s(pgovQovue&-a avvxXsiousvot 323 (S. 114 t.) oder die Löfung

kult, d. h. die mehr oder minder deutlich gefühlte Riva- des 3 13 u vorliegenden Kätfels, daß die Juden nur er
lität zwifchen der engeren Gefchlechterreligion und der löft worden feien, damit die Heiden das Heil empfingen,
weiteren Nationalreligion, wird die Haupturfache der | unc] der Frage nach dem Subjekt in rjueig (S. 82 f.) durch
folgenden troftlofen Vorftellungen vom Zuftand nach dem j einen eigentümlichen Bewußtfeinsvorgang, der auf
Tode. Aber der wachfende Individualismus, die meffia- 1 eine Korrektur hindrängte, zu rechnen fein durften. Ähn-
nifche Hoffnung, die Überzeugung von Gottes Gerechtig- | iiche Selbftkorrekturen find auch weiterhin noch zu
keit und die hohe Wertfehätzung der irdifchen Exiftenz, I notieren (S. 120. 143). Überrafchend, wenn auch nicht
das ruft allmählich dem neuen Glauben — in einzelnen einwandfrei, wie der Verf. felbft fühlt, ift die Faffung
erleuchteten Geiftern zuerft, bis er unter dem Druck der | von 3 17 ais einer Folgerung aus 3 15.10, die nur dem Ge-
Ereigniffe in den Tagen des Antiochus Epiphanes Ge- j danken gelten foll, daß das Gefetz vor Chriftus ge-
meingut wird. Dabei will der Verf. dem Mazdaismus j kommen fei (S. 90T.). Daran fchließt fich eine Deutung
einen entfeheidenden Einfluß auf die Bildung des neuen | des Gegenfatzes zwifchen Gefetz und Verheißung in der
Auferftehungsglaubens nicht zuerkennen. fchwierigen Stelle 3 w-21 in dem Sinne, daß das Gefetz

Es find, wie man fieht, im wefentlichen nicht neue dasfelbe zu geben fich vermißt, was die Verheißung geben
Erkenntniffe, die diefer Vortrag bietet. Für die Hörer, | W|U und foll (S. 92 f. 100) — ein Gedanke, in deffen Ge-
auf die er urfprünglich berechnet war (er ift in der Sor- ; folge dann die bedenkliche Konjektur gewagt wird: o dt
bonne unter dem Patronat der Socüte des Amis de P Uni- Xqiotoc (ftatt d toc) üq corii> (S. 96 f. 124). Einen zweiten
versite de Paris gehalten worden), mag er des Neuen und letzten Eingriff in den überlieferten Text erlaubt
freilich mehr enthalten haben, und darin liegt das Er- j ficn der Verf. durch Ausfcheidung von 60. Dazu ent-
freuliche, daß es dem Verfaffer gelingt, in ebenfo fach- fchließt er fich aber nur. weil, nachdem zuerft ein Gegengemäßer
Art als gewandter Form über ein fo wichtiges fatz gegen die Gefetzlichkeit durch die ganze Stelle 5 25
Kapitel der altteftamentlichen Religionsgefchichte allge- bis 65 mitunter etwas gewaltfam durchgeführt (S. 227k
meinverftändlich zu orientieren. 233 f.), hierauf auch 673 in einen folchen Zufammen-

Bafel. Alfred Bertholet. | hang gebracht war (S. 234k), jener fchon an fich fchwierige

Vers daraus völlig herauszufallen fchien (S. 240k). Das
Beftreben des Verf.s, eine ftrenge Gefchloffenheit des
Gedankengangs durch den ganzen Brief nachzuweifen,
führt zuletzt fogar dahin, fchon dem aimv tvtOxmq I 4 eine