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Ausgabe:

1905

Spalte:

10-13

Autor/Hrsg.:

Sillem, C. H. W. (Hrsg.)

Titel/Untertitel:

Briefsammlung des Hamburgischen Superintendenten Joachim Westphal aus den Jahren 1530-1575 1905

Rezensent:

Cohrs, Ferdinand

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Theologifche Literaturzeitung 1905 Nr. 1.

ro

lieh genug fich nahe gelegt haben mögen. ,Celano hat
als offiziell Beauftragter des Generalkapitels und des
Generalminifters gewiffe Rückfichten genommen und
nehmen müffen. Er hat in den erwähnten Fragen vermieden
, die Gegenfätze von neuem aufzuregen; er kam
damit der laxen Richtung ein Stück entgegen — fei es
aus Taktik, fei es aus dem Gefühl, daß ein Entgegen

und Bonaventuras Legenden erwecken den Wunfeh,
daß G. fich auch über die erfte Legende des h. Antonius,
die ja neuerdings auch dem Thomas von Celano zuge-
fprochen wird, geäußert hätte.

Alle diefe forgfältigen Ausführungen follen die Grundlage
bilden für die von G. in der Hift. Vierteljahrsfchrift
vorgetragene Anficht über die Urgefchichte und die

kommen in diefer Hinficht fachlich gerechtfertigt fei', j urfprünglichen Ziele des Heiligen von Affifi. Ich glaube
S. 229. G. beftreitet nur, daß Celano mit Abficht par- ! mit G. weithin fachlich gleicher Meinung zu fein; darf
teiifch oder unehrlich gefchrieben habe. Das wird man 1 aber, foweit wir differieren, auf das hinweifen, was Müller in
zugeben können, wenn man den Nachdruck legtauf das feinen Anfängen des Minoritenordens und ich in der Zeitfchr.
,mit Abficht', obgleich es fchwer genug fällt, das was [ f. Kirchengfeh. Bd. XIII dargelegt haben, fchon ehe Saba-
Celano 7. B. über die Segnung des Elias in beiden Viten 1 tier hervorgetreten war. Ich glaube, daß G. dreierlei noch
fagte, fo zu vereinigen, daß man dabei an d e Wahrhaftig- j mehr berückfichtigen dürfte, was von der fchwierigen
kelt des Schreibers in beiden Fällen zugleich glauben kann. Quellenforfchung gar nicht berührt wird, nämlich i) das
In Übereinftimmung mit van Ortroy fpricht G. der I Teftament des h. F"ranz, das beweift, daß fchon zu
Legende der 3 socii das Todesurteil. Seine forgfältigen 1 Franzens Lebzeiten nicht nur Unterfchiede, fondern
Beweisführungen erfchienen mir überaus überzeugend und ! fchmerzliche Gegenfätze im Orden fich fanden, 2) den
fchlagend, bis ich an die ungeduldig erwarteten Aus- ; Kirchenbau in Affifi, der beweift, daß Elias nicht nur
führungen S. 134 fr. kam. Ja da hat G. mit gewohnter fpäter gewalttätig und herrfchfüchtig war, fondern daß
Rückhaltlofigkeit die Gründe dargelegt, die die fonft fo ; er fchon damals von ganz andersartigen Gedanken ernaheliegende
Verwerfung der Legende aufs äußerfte er- j füllt war, die ihn mit denen feines großen Freundes in

fchweren; und was er zur Widerlegung gefagt hat, gehört
mir zum unbefriedigendften im ganzen Buch. Den Brief

Konflikt bringen mußten, 3) die Bulle Quo elongati, die
für Gregor IX ebenfo charakteriftifch ift, wie das Tefta-

der 3 socii für eine Fälfchung anzufehen, dazu fcheint ment für Franz, und die unwiderleglich beweift, daß
mir jede Berechtigung zu fehlen. Daß aber der Brief zu | Hugolin nicht ausfchließlich als der treue Bewunderer und
einer anderen Schrift gehört haben follte und mit Unrecht l Freund des Heiligen angefehen werden darf, der nur dem
vor diefe Legende gefetzt worden fei, das ift folange 1 gefunden Menfchenverftand zum Recht verhelfen wollte
eb en nur eine bloße Möglichkeit, bis einmal ein Manu- | gegenüber allzu hoch gefpannten Idealen; man braucht
fkript gefunden wird, worin der Brief ohne die Legende ; nicht einmal Reuters Beurteilung der Bulle fich zu eigen
oder die Legende ohne den Brief zu lefen ift. Bis dahin, zu machen. Dazu kommt das freilich nicht fo klar vorglaube
ich, muß man in der Frage über diefe Legende j liegende Verhalten Hugolins in der Sache der Klariffen.
fich mit einem tum liquet begnügen. Diefe Urkunden und urkundlich zu belegenden Vorgänge

Weiterhin kommt G. zur Unterfuchung über das werfen grelle Schlaglichter auf Zuftände und Kämpfe
Speculum perfeclionis. Da er es für eine Kompilation i im Orden, deren Anfänge in die Lebzeiten des Stifters
aus dem Jahr 1318 hält, fo befchreitet er den Weg, den | zurückreichen müffen, von denen wir aus Jordan eine
fchon Minocchi verfucht hat und der in der Tat allein | Nachricht haben, die aber Celano nahezu ganz vertufcht,
zum Ziel führen kann: er unterfucht Kapitel für Kapitel während fie vom Spec. perf. deutlich genug angedeutet
auf feine Verwandtfchaft. Dabei geht er von dem gewiß j werden. Und der unvergleichliche Wert des Spec. perf.
richtigen Grundfatz aus, daß Gefühlseindrücke, die fich 1 liegt, wie ich früher fagte, nicht in den einzelnen Ge-
auf den Stil, den Charakter u. ä. Mützen, nicht maßgebend fchichten und Reden, denen gegenüber gewiß Kritik am
fein können. Aber ich fürchte, G. täufcht fich felbM über | Platz iM, fondern vielmehr in dem Einblick in den ganzen
die Objektivität feiner Unterfuchungen. FaM überall Geifi, die Denkweife und Handlungsweife des h. Franz
fchleichen fich bei der Befprechung der einzelnen Kapitel und feiner erMen Genoffen, die von den hierarchifchen
fubjektive Gefühlsmomente mitbeMimmend ein, und das Zielen und politifchen Machenfchaften eines Hugolin und
kann gar nicht anders fein, da es an objektiven Kriterien, Elias weit entfernt waren, aber von ihnen bald genug
abgefehen von einigen längft herausgehobenen Stellen, erdrückt wurden.

faM ganz fehlt. Nicht einmal das Verhältnis von Spec. qt„ttcrarr TT T^m^^

perf. zur Vita II Celanos iM nach G. ficher zu Mellen. OI g _ l^empp.

Das Spec. perf enthält nach G. .altes wertvolles von den Briefsammlung des Hamburgifchen Superintendenten Joa-

vertrauten Gefährten oder von Bruder Leo allein ltam- . . a , T , , • ,

mendes Material, aber in einer 1318 zum Abfchluß ge- cmm WeMphal aus den Jahren 1530 bis 1575, bear-

brachten Überarbeitung' S. 220. Dabei wird zugegeben, beitet und erläutert von C. H.W. Sillem. 2.Abteilung.

daß ,die Grenze von Authentizität und Uber- Briefe aus den Jahren 1559—lS7S neDM Anhang und

arbeitung faM nirgends mit zwingenden Beweifen 1 Fakfimile, herausgegeben von der Averhoff-Stiftung.

feMzuMellen ,M* (ebenda). ..... , . J Hamburg, L. Gräfe & Sillem 1903. (IX u. S. 339-733.)

Das ilts aber eben, was mir die Jahreszahl 1318 »<>
unmöglich macht. Da mag die Abfchrift gemacht I M. 10 —

worden fein, da mögen die h. Kunera und andere ähn- I Noch früher, als der Herr Herausgeber in der Ein-
liche grobe Fehler hereingekommen fein. Aber nach leitung des 1. Bandes (S. XIII) in Ausficht geMellt hatte,
den Vorgängen der anderen Franziskus- und der An- ! iM der 2. Bd. feines vortrefflichen Werkes — die Jahre
toniuslegenden glaube ich nicht, daß ein wirklicher j 1559 bis 1575 umfaffend — erfchienen, und diefes damit
Kompilator 1318 ein folches Original fo täufchend mit vollMändig geworden. Eine wertvolle Quelle für die aus-
fo wenigen groben geographifchen oder chronologifchen gehende Reformationszeit iM dadurch erfchloffen, die nicht
Fehlern nachahmen und zufammenflicken konnte, und es j nur manche große die Zeit bewegenden Ereigniffe durch
bleibt mir darum immer noch wahrfcheinlicher, daß das bisher unbekannte Züge neu illufiriert, die vor allem auch
Speculum im ganzen eine Schrift Leos iM, wenn ich auch , — gerade weil vorwiegend die kleineren GeiMer in unferer
die Jahreszahl 1227 preisgebe und vielfache Schädigungen 1 Brieffammlung zu Worte kommen — auf die lokale
des Textes zugebe. Ich verweife auf das, was ich 1902 Kirchengefchichte klärend und befruchtend einzuwirken
in diefer Zeitfchr. Sp. 596ff. Tilemann entgegengehalten j imMande iM. Wer hat es bisher dem Pfarrherrn von
nal>e. Düshorn (bei Celle) verraten, daß einer feiner Vorgänger

Die mehr anhangsweife beigefügten Unterfuchungen ; im 16. Jahrhundert, Johannes Pauli, für die Herausgabe
über den tractatus de ntifäcuHs, die vita S. Ciarae 1 von Urb. Regius' Schriften fich warm intereffiert, und daß

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