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Ausgabe:

1905 Nr. 10

Spalte:

306-307

Autor/Hrsg.:

Klostermann, Erich

Titel/Untertitel:

Apocrypha II. Evangelien 1905

Rezensent:

Schürer, Emil

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3°5

Theologifche Literaturzeitung 1905 Nr. 10.

306

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großes Gewicht gelegt wird, nicht mehr ,als Erweis der
Liebe zu Gott' befonders hervorgehoben zu werden
braucht. Gegen Weizfäcker wird die Miffion nicht vor-
zugsweife als Werk des Paulus, fondern als Äußerung
der Menfchenliebe, als Gemeindepflicht, und gegen Wredes
Ausdeutung des Ünverftandes der Jünger die bezügliche
Larftellung der Evangeliften als Erweis ihrer Jefusliebe
dargeftellt, die alles Licht auf den Einen fallen und die
.Nebenfiguren' in Schatten treten laffe.

Sechftes Kapitel: Paulus. Gegen Kitfehl, welcher
hier mehrfach bekämpft wird, erfcheint die Gegenliebe
des Chriften zu Gott als nicht bloß johanneifcher, fondern
ebenfo fehr auch paulinifcher Grundgedanke. Aber auch
der verliehe nichts von der Liebesübung des Apoflels,
der ihm Gereiztheit gegen Petrus, Kampfesftellung gegen
korinthifche Parteien, unausgeglichenes Nebeneinander
von Demut und Selbftgefühl zufchreibt, da durch folche
Verbindung von Erhebung und Beugung vielmehr ,das
innere Gleichgewicht der Perfönlichkeit hergeftellt wird'
(S. 208). Überhaupt wird der Liebesbegriff des Apoflels
ausgebeutet zum Behuf der Ausgleichung aller Unebenheiten
im paulinifchen Gedankengefüge, z. B. bezüglich
des Verhältniffesvon Glauben und Werken bei der Gerecht-
fprechung (S. 2l3f.) Dagegen bleibt unerörtert, was neu-
lichft Walter (Der religiöfe Gehalt des Galaterbriefs S. 191)
über das Verhältnis der Begriffe Liebe und Geift zu Gal. 5,
22 f. bemerkt hat. In Anhängen werden noch die Paftoral-
briefe (hier foll alles ganz in Ordnung fein) und das Verhältnis
von Paulus zu Jefus behandelt (gegen .landläufige
Mißverftändniffe' folcher, die entweder diefen oder jenen
oder beide nicht verftanden haben follen).

Siebentes Kapitel: Die katholifchen Briefe und der
Hebräerbrief. Der Unterfchied zwifchen dem vierten
Evangelium und dem erflen Brief befteht darin, daß diefer
von Gott ausfagt, was jenes an Chriftus anknüpft. Das
entfpricht dem Tatbeftand beffer, als wenn die ausdrückliche
Einfehränkung der Liebespflicht auf den Brüderkreis,
alfo namentlich das Verbot der Fürbitte für den Tod-
fünder auf Verfagung der Gemeinfchaft herabgeftimmt
(S. 247) und damit erledigt wird, daß Johannes immer
nur an die vollkommene Liebe denkt (S. 243): ,wo fie
ihr Ziel erreicht, da hat fie den andern zum Bruder gemacht
' (S. 244). Wie bei dem ,höchften Erweis der Liebe'
Jak. 5, 20, fo foll auch I Petr. 4, 8 an die eigene Sünde,
nicht an die des geretteten Bruders gedacht fein (S. 251.
257). Was Hbr. 2, is. 4, 15 von Chriftus ausgefagt wird,
widerftrebt dem theologifchen Empfinden des Verf.s fo
fehr, daß er an die Stelle der fubjektiven Fähigkeit, Mitleid
zu empfinden, das objektive Recht, Mitleid zu üben
fetzt (S. 258).

Achtes Kapitel: Liebe und Zorn in der Apokalypfe.
Gegen Wernle wird behauptet, daß in Stellen wie 6, in
keineswegs das Gebot Jefu, für die Verfolger zu beten,
übertreten, fondern der Energie der Liebe nur zur vollen
Offenbarung nach ihrer negativen Seite verholten werde,
ganz wie 1 Joh. 5, ig, weil ,Zorn und Liebe innerlich
eins find'.

Neuntes Kapitel: Schluß. Gegen Harnack wird geleugnet
, daß im Evangelium die Barmherzigkeit über die
Gerechtigkeit der Gefetzesreligion triumphiere; denn erfl
Liebe fei eben wahrhaft Gerechtigkeit. Erft Liebe ift
ein rtltiov, was wir hier zum fiebentenmal lefen (S. 271,
vgl. S. 194. 207. 212. 225. 246L 251), wie überhaupt alle
derartige, das ganze Werk füllende Schlagworte, Kraft-
fprüche und Lofungen noch einmal zufammenfaffende
Wiederholung finden. Nicht im Liebesgebot befteht das
Werk Chrifti, fondern in der Liebe felbft, und das Ergebnis
feiner Liebesübung ift die Gemeinde. Zahllofe
Variationen behandeln diefes Thema. Anfchluß als an
geiffesverwandte Größen fucht und findet der Verf. an
Schlatter, Cremer und Zahn. Auf der Gegenfeite flehen
die gelegentlich fchon Genannten.
Straßburg i. E. H. Holtzmann.

Kleine Texte für theologische Vorlesungen und Übungen.

Herausgegeben von Hans Li etzmann.
(Bonn, A. Marcus u. E. Webers Verlag. 8°)

5. Lietzmann, Priv.-Doz. Lic. Hans, Liturgische Texte I:
Zur Geschichte der orientalischen Taufe und Messe im II
und IV Jahrhundert. Ausgewählt von L. 1903. (16 S.)

M. — 30

6. Lietzmann, Priv. Doz. Lic. Hans, Die Oidache. Mit
kritifchem Apparat herausgegeben. 1903. (16S.) M. — 30

7. Bezold, Prof. Dr. Carl, Babylonisch-assyrische Texte,
überfetzt. I. Die Schöpfungslegende. 1904.(205.) M. —30

8. Klostermann, Priv.-Doz. Lic. Dr. Erich. Apocrypha II.
Evangelien. 1904. (18 S.) M. —40.

9. Ptolemaeus Brief an die Flora. Herausgegeben von
Prof. D. Adolf Harnack. 1904. (10 S.) M. —30

10. Clemen, Priv.-Doc. Prof. Lic. Dr. Carl, Die Himmelfahrt
des Mose. 1904. (16 S.) M. —30

11. Klostermann, Priv.-Doc. Lic. Dr. Erich, Agrapha, neue
Oxyrhynchus logia. (Apocrypha III.) 1904. (20 S.)

M. — 40

12. Harnack, Adolf, Die apokryphen Briefe des Paulus an
die Laodicener und Korinther. (Apocrypha IV.) 1905.
(23 S.) M. —40

13. Augustin, Fünf Festpredigten in gereimter Prosa. Herausgegeben
von Priv.-Dov. Lic. Hans Lietzmann. (Ausgewählte
Predigten II.) 1905. (16 S.) M. — 30

Nr. 2—4 diefer Sammlung find in der Theol. Litztg.
1903, 686 befprochen, Nr. 1 im Jahrg. 1904, 172.^ Von
der ähnliche Zwecke verfolgenden Krügerichen Sammlung
unterfcheidet fich diefe dadurch, daß fie erheblich
kürzere Texte bietet und daher auch den Preis des
einzelnen Heftes noch erheblich niedriger ftellcn kann
(in der Regel nur 30 Pf., bei einzelnen 40 Pf.). So ift fie
vortrefflich geeignet, bei Seminar-Übungen gebraucht zu
werden. Aber auch abgefehen davon werden die billigen
Texte manchem Studierenden willkommen fein. Die
Herftellung der Texte ift, fo viel ich fehe, durchweg eine
fehr forgfältige.

Nr. 5 gibt ausgewählte Stellen zur Gefchichte des
chriftlichen Gottesdienftes (bef. der Taufe und des Abendmahls
) aus Plinius, Didache, Juftin, Const. apostol. und
Cyrill von Jerufalem. — Nr. 6 bringt den ganzen Text
der Didache. — In Nr. 7 bietet Bezold eine deutfehe
Überfetzung des babylonifchen Schöpfungsmythus. —
In Nr. 8 hat Kloftermann folgende Stücke zufammen-
gcftellt: Hebräerevangelium, Ebjonitenevangelium, das
Fajjumfragment, die Öxyrynchuslogia, Ägypterevangelium
, Thomasevangelium, Matthiasüberlieferungen, Philip-
pusevangelium, Evangelium der Eva, Aus Origenes' erfter
Lucashomilie, Zeugniffe für das Petrusevangelium (nur
diefe; den Text des erhaltenen Fragmentes hat KL bereits
in Nr. 3 mitgeteilt, f. Theol. Litztg. 1903, 686). —
In Nr. 9 teilt Harnack den für die Würdigung des
Gnoftizismus wichtigen, namentlich durch feine Kritik
des Alten Teftamentes intereffanten Brief des Gnoftikers
Ptolemäus an die Flora mit, über welchen H. in den
Sitzungsberichten der Berliner Akademie 1902 eingehend
gehandelt hat. — Nr. 10, das lateinifche Fragment der
Assumptio Mösts, von Clemen unter Beibehaltung aller
Fehler der Handfchrift abgedruckt; die nötigen Ver-
befferungsvorfchläge werden unter dem Text gegeben.
Bei der Unficherhcit vieler Emendationen ift diefes Verfahren
, namentlich für den Zweck von Seminar-Übungen,
wohl als angemeffen zu betrachten. — Nr. 11 Apo-
1 krypha III von Kloftermann, namentlich die Agrapha