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Ausgabe:

1905 Nr. 10

Spalte:

301-303

Autor/Hrsg.:

Andersen, Axel

Titel/Untertitel:

Das Abendmahl in den zwei ersten Jahrhunderten nach Christus 1905

Rezensent:

Lobstein, Paul

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Theologifche Literaturzeitung 1905 Nr. 10.

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fein, daß fein Wort die gläubige Aneignung der Hingabe
feines Lebens in den Tod zur Erwerbung ewigen Lebens
für die Welt ausdrückt.

Was den Quellenwert der vier neuteftamentlichen
Abendmahlsberichte anbelangt, fo gilt dem Verf. der
Markusbericht als der Bericht, dem der höchfte Quellenwert
unter den vorhandenen eignet; es folgen ihm dann,
als auf gleicher Höhe des Quellenwertes flehend, die
Berichte des Mt. und PI. und in dritter Reihe der Lukasbericht
. Es find ihm indeffen die Unterfchiede der Berichte
mehr formaler Art und geben zur Annahme fachlicher
Differenzen keinen Grund; vielmehr find befonders
die Zufätze, welche der eine Bericht gegen den andern
enthält, fehr wertvolle Zeugniffe von dem fich allmählich
entfaltenden Verftändnis der Abendmahlshandlung in den
urapoftolifchen Gemeinden.

Man wird die Berechtigung des Grundgedankens
diefer Schrift anerkennen können, ohne dem Verf. in der
Durchführung und Anwendung feiner Idee zu folgen.
Gerade die energifche Geltendmachung des von ihm vertretenen
Parallelismus zwifchen Sakrament und Parabel
führt ihn teils zu Einfeitigkeiten und Übertreibungen, teils
zu Kombinationen und Konftruktionen, welche den
fchwerften Bedenken unterliegen. Begegnen uns auch in
feinen exegetifchen und biblifch-theologifchen Ausführungen
oft feine Bemerkungen und fehr beachtenswerte
Aperqus, fo werden die Unterfuchungen des
Hiftorikers zu häufig durch Betrachtungen durchkreuzt,
die nicht rein hiftorifchen Beftrebungen und Intereffen
entflammen. Immerhin bildet diefe Schrift in der bald
unüberfehbaren Literatur der Gegenwart einen durch
fcharfe Herausarbeitung eines wichtigen Gedankens wertvollen
Beitrag zur Löfung des Abendmahlsproblems.

Straßburg i. E. P. Lob (lein.

Andersen, Gymn.-Lehrer a. D. Axel, Das Abendmahl in
den zwei ersten Jahrhunderten nach Christus. Gießen,
J. Ricker 1904. (IV, 96 S.) gr. 8° M. 1.80

Diefe Schrift ift ein vermehrter Abdruck eines im
dritten Jahrgang von Preufchens Zeitfchrift für die neu-
teftamentliche Wiffenfchaft veröffentlichten Auffatzes, der
wiederum die deutfche Bearbeitung einer 1898 erfchienenen
norwegifchen Abhandlung darfteilt.

Der Verf. beginnt mit einer Befprechung der Stelle
1 Kor. 11,20-31 (1—19). Die hier vorgetragene Deutung
hatte fich ihm als allein zutreffend ergeben, bevor er
erfuhr, daß bereits Baur eine Ahnung davon hatte, daß
Paulus unter oäfia Xqiöxov nicht das wirkliche Fleifch
Chrifti, fondern die Gemeinde verftanden hat, und daß
auch Pfleiderer und Schmiedel diefes oäfia als Bezeichnung
der Gemeinde auffaffen. Die Schwierigkeit, die aus
den Verfen 27-29 erwächft, will A. dadurch befeitigen,
daß er nicht auf das Blut, fondern auf den neuen Bund
das Hauptgewicht legt: das ivoyog ift ,das Schuldigfein
an der Gemeinde Gottes und dem neuen Bunde', wie
auch 10, ig die Rede ift von einem Teilhaben an der Gemeinde
und an dem neuen Bunde im Blute Chrifti — auf
Grund des Kreuzestodes Chrifti. ,Das in Verachtung der
Gemeinde Gottes wurzelnde Verhalten der Korinther war
mit der Natur des Herrenmahles unvereinbar: denn dies
war ein von dem Herrn felbft geftiftetes, gemeinfchaft-
liches Mahl, bei dem man fich durch das Brot, das Symbol
des geiftigen Leibes, in Gemeinfchaft brachte mit dem
ganzen geiftigen Leibe, der Gemeinde Gottes, und bei
dem man durch den Becher des neuen Bundes teilhaft
wurde' (13). In diefem Zufammenhang hat dann die
Formel xovxo xoielxe (11,24.25) die Bedeutung: Opfert
diefes Brot, opfert diefen Becher, d. h. effet diefes Brot,
trinket diefen Becher in verfammelter Gemeinde mit
Dankfagung!' (17). Das xaxayytXXexe aber ift dann nicht
als Indikativ, fondern als Imperativ zu faffen, eine

Deutung, die fich fchon ,wegen der im Hintergrunde
fchwebenden Paffahfeier' empfiehlt.

Das 2. Kapitel ift der Prüfung der fynoptifchen Überlieferung
gewidmet (19—56). ,DieAnnahme, daß der Bericht
der Synoptiker von dem Pafchamahle die hiftorifche
Wahrheit repräfentiere, führt zu reinem Unfinn' (22). ,Die
Tradition, welche in die hiftorifch mit Sicherheit beftimm-
bare Zeit am höchften hinaufreicht, ift die johanneifche'
(36). Diefen Doppelfatz will der Verf. als Ergebnis einer
kritifch-hiftorifchen Betrachtung der Paffahftreitigkeiten
des 2. Jahrhunderts dartun. ,Dazu kommt, daß in den
Berichten der Synoptiker, von den Zeitangaben abgefehen,
fich nicht nur nichts findet, das zu der Annahme nötige,
das letzte Mahl Jefu fei ein Pafchamahl gewefen, fondern
die Berichte enthalten Züge, die fich fchlechterdings mit
diefer Annahme nicht reimen laffen' (33). ,Der fynoptifche
Bericht in feiner jetzigen Geftalt ift offenbar eine dogma-
tifche Tendenzdichtung, die fich auf Grund einer urfprüng-
lichen, mit der johanneifchen zufammenfallendenTradition
gebildet hat'. Es würde zu weit führen, die kritifche
Operation, durch welche A. die urfprünglichen Elemente
und die fpäteren Zufätze der fynoptifchen Texte unter-
fcheiden will, im einzelnen zu verfolgen. Bei der oft
verblüffenden Sicherheit, mit welcher er zu beftimmen
weiß, was ,offenbar' ift, was ,am Tage liegt', ift der Lefer
zuweilen erleichtert und beruhigt, wenn ihm ein befchei-
denes .wahrfcheinlich' begegnet. ,Der urfprüngliche Bericht
der Synoptiker von dem letzten Mahle Jefu kennt
nur ein Abfchiedsmahl, aber weder das Pafchamahl (die
Stiftung natürlich nicht, die ja auch unfere kanonifchen
Evangelien nicht erwähnen), noch den Gedanken der
Heilsbedeutung des Todes Jefu. Diefer Gedanke, welcher
den Evangelien überhaupt fremd ift, und auch in der
At>rpoi>-Stelle eingefchaltet ift, ift aus der paulinifchen und
johanneifchen Theologie in den urfprünglichen Bericht
der Synoptiker von dem letzten Mahle Jefu eingefchaltet
worden' (47). — Die Frage, welche Tradition den hiftorifchen
Vorzug beanfpruchen darf, die urfprüngliche
Überlieferung der Synoptiker von einem Privatmahl des
von feinen Jüngern Abfchied nehmenden Herrn oder die
paulinifche Auffaffung von einem Gemeindemahl zur Erinnerung
an Chriftus bis daß er komme, ift dahin zu
beantworten, daß .Paulus fich auch bei feinem Herrenmahle
augenfcheinlich den hiftorifchen Stoff zunutze gemacht
hat, ohne irgendwelchen ängftlichen Refpekt vor
den konkreten Daten, und wahrfcheinlich in Anknüpfung
an die vorhandenen Myfterien' (55).

Im dritten Kapitel, das ,die euchariftifchen Gebete
der Apoftellehre und die Apoftellehre' (57—67) behandelt,
hebt A. ,das völlige Zurücktreten oder Fehlen alles deffen
hervor, was bei dem Herrenmahle die Hauptfache ift' (59).
,Die hier erwähnte xXaöic xov clqxov oder svyaQiOxia ift
eine wirkliche Mahlzeit, und von dem Sakramente, über
deffen Platz in der Feier fich die Gelehrten den Kopf
zerbrechen, gibt es in den Gebeten durchaus keine Spur'
(60). Sie fchließt fich nicht an die Paffahmahlzeit, fondern
an die religiöfen Mahlzeiten der Juden an (62).

Die zwei letzten Kapitel handeln von den ignatiani-
fchen Briefen (67—82) und von Juftinus Martyr mit Beifügung
der in Klammer gefaßten Namen Tertullian und
ürigenes (83-95). ,Für das Fleifch und das Blut des
Abendmahles gibt es keinen Platz in der Lehre des
Ignatius; feine Agape weift nicht über das Herrenmahl
des Paulus hinaus' (72). Diefen Satz fucht der Verf. mit
großer Virtuofität gegen die .gewöhnliche Erklärung' der
Stellen durchzuführen und zu behaupten, die er einer eingehenden
exegetifchen Bearbeitung unterwirft. Auch aus
den Ausfagen Röhl. 7 und Smyrn. 6 foll fich ergeben, daß
Ignatius .nicht über das Herrenmahl des Paulus, — nicht
über das Brot, das Teilhaben ilt an dem geiftigen, und
jetzt auch fleifchlichen, Leibe Chrifti, und den Becher,
der Teilhaben ilt an dem neuen Bunde in meinem Blute
hinausgekommen ift. Es liegen aber jetzt die Elemente