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Ausgabe:

1905 Nr. 10

Spalte:

299-301

Autor/Hrsg.:

Lochmann, W.

Titel/Untertitel:

Sakrament und Parabel 1905

Rezensent:

Lobstein, Paul

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299

Theologifche Literaturzeitung 1905 Nr. 10.

300

Smith, J. Ritchie, The teachingof the Gospel of John. Chicago,
F. H. Revell Company 1904. (406 p.) gr. 8° $ 1.50

Ein Buch ohne Belang für die WilTenfchaft trotz aller
anerkennenswerten Belefenheit feines Verfs, eines pres-
byterianifchen Pfarrers in Pennfylvanien. Um fo bezeichnender
für den Stand des theologifchen Wiffens und
Urteils, zumal da der Genannte auch fonft zu den fchrift-
ftellerifchen Größen feiner Klaffe und Richtung gehört.
Die Kritik hat ihre Aufgabe am 4.Evangelium erfüllt. Seit
Ezra Abbots ~Authorship' fleht die Echtheit feft. Die
johanneifche Theologie aber oder vielmehr die neutefta-
mentliche Theologie überhaupt — denn zu diefem Umfang
erweitert fich die Darftellung des Verf.s tatfächlich — ift
genau diejenige der reformierten Orthodoxie der Gegenwart
. Denn anfangend mit der Trinität, der Inkarnation,
der Zweienaturenlehre und fchließend mit ewigem Leben
und ewigem Tod behandelt diefer Theolog lediglich mit
den formalen Mitteln der Dogmatik und unter fteter
Beziehung auf die dort vorkommenden Frageftellungen
fchonungslos die biblifche Gedankenwelt. Beifpielsweife
find die Abfchiedsreden für ihn Erörterungen 1) über die
Perfon, 2) über das Amt des heiligen Geiftes (S. 158 f.).
Nach feiner menfchlichen Natur kennt Chriftus den Termin
der Parufie nicht; nach der göttlichen beftimmt er ihn
felbft (S. 329). Gleichwohl begegnen zuweilen Entglei-
fungen im Ausdruck, wogegen der korrekte Katechismus
Einfprache erheben müßte. ,Die Menfchen übertraten
Gottes Gebote, traten fie mit Füßen und gingen ihres
Wegs weiter. Da kam er felbft in der Perfon feines
Sohnes und fagte: nur über meinen Leichnam würdet
ihr zur Hölle gehen' (S. 236). Derartiges hat doch der
Verf. auch bei feinen exegetifchen ruhrern Auguftinus
und Thomas von Aquino kaum gelefen. Unter den
Neuern find feine Männer Lightfoot, Salmond, Godet und
die Mitarbeiter des Dictionary von Hartings. Den Schluß
bildet eine Vergleichung des Johannes mit Paulus, Sie
find verfchieden nach 1) Temperament, 2) Erziehung,
3) religiöfem Lebensgang, vertreten aber unter verfchie-
denen Gefichtspunkten die gleichen Glaubensfätze.

Straßburg i. E. H. Holtzmann.

Lochmann, Schulrat W., Sakrament und Parabel. Altes und
Neues zur fchriftgemäßen Löfung des Abendmahlsproblems
. Plalle a. S., E. Strien 1903. (IV, 128 S.)
gr. 8° M. 3 —

Der in diefer Schrift vertretene Grundgedanke bringt
eine bereits öfters gegebene, z. B. von Rückert, Keim,
Weizfäcker u. a. vorgetragene Deutung zu allfeitiger und
konfequenter Anwendung. Das Abendmahl ift in der
Anfchauung und im Sinne Jefu eine (zweiteilige) para-
bolifche Handlung, der er mittels der Formel xovxo eCxiv
die Erklärung für das Verftändnis der Jünger beifugt.
Die parabolifche Anfchauung, in der Jefus das Abendmahl
eingefetzt hat, war nicht ein einzelner, auf die
Momente der Einfetzung des Abendmahls oder überhaupt
auf wenige Fälle befchränkter Vorgang im Geifte Jefu,
fondern Jefu ganze Vorftellungsweife war von ihr be-
herrfcht. Im Kleinen wie im Großen fah er die Dinge
und Vorgänge diefer Welt auf ihre Fähigkeit an, die
Vorgänge des Reiches Gottes zu faffen, darzuftellen und
zu veranfchaulichen: fo werden fie ihm zu Gleichniffen
des Reiches Gottes.

Das Brechen des Brots deutet Jefus auf die Hingabe
feines Leibes in den Tod, das Effen des Brots auf die
Anteilnahme des in den Tod gegebenen Leibes Chrifti.
Die nähere Durchführung diefes Gedankens, den Nachweis
, daß Jefus feine Paffion feinen Jungern, für die fie
nach göttlicher Abficht beftimmt war, im Sinn einer ftell-
vertretenden Heilstat darbot (61—67. lI9), bringt der Verf.
nur durch eigentümliche exegetifche und biblifch-theolo-
gifche Kombinationen zuftande, in denen auch Paulus,

1 Petrus und Hebräer eine Rolle zu fpielen haben.— In
dem zweiten Teile des heiligen Mahles wird von Jefus
allein das Trinken aus dem gefüllten Weinbecher als
parabolifches Handeln von den Jüngern gefordert. Das
Eingießen des Weins in den Becher hat Jefus nicht mit
der Gleichnishandlung verbunden. Durch diefe Kelch-
fpende eignet Jefus feinen Jüngern fein Blutvergießen,
d. h. feinen Opfertod zu: dasSchöpferifche diefes Momentes
liegt darin, daß Jefus, indem er den neuen Bund kraft
feines Blutes aufrichtet, feine Jünger dem alten den Rücken
kehren läßt, fie an feiner Hand vom alten zum neuen
hinüberführt und auf den feften Grund des neuen hin-
ftellt (73—74. 120).

Die weiteren Erörterungen über die Abendmahlshandlung
, die fich auf den erften Blick wie fremde Spekulationen
ausnehmen, find nach dem Verf. in der Paralle-
lifierung von Abendmahl und Parabel begründet. ,Wie
allein die Jefu Parabeln durchdringende Idee des Reiches
Gottes bewirkt, daß fie, fcheinbar profane, weltlich gerichtete
Reden, zu Verkündigern der Geheimniffe des
Reiches Gottes werden, fo bewirkt allein die von der
Gleichnishandlung des Abendmahls unzertrennliche, mit
ihr gegebene wirkliche Gegenwart des Reiches Gottes
und feines Königs Jefu Chrifti felbft (Joh. 18,30-37), daß
die Feiernden jener Erledigung teilhaftig werden und
diefe Gaben empfangen, über die als ewig bei Gott machtvoll
fortwirkende Realitäten der erhöhte Herr gebietet,
und die Abendmahlshandlung fo zu einem himmlifchen
Vorgang auf Erden wird, in dem himmlifche Gaben als
irdifche fich darfteilen und in menfchlichem Tun fich
göttliches vollzieht, fo daß das eine das andere ift' (75.
120—121).

Der Ausfpruch Jefu vom Gewächs des Weinftocks
(Mk. 14,25; Mt. 26,2») bringt die fieghafte Zuverficht Jefu
zum Ausdruck, daß feine Gemeinde die ihren Beftand
mit Gefahren bedrohende Zwifchenzeit bis zur letzten
herrlichen Vollendung des Reiches Gottes, während
welcher ihr feine leibliche Gegenwart entzogen fein wird,
kraft des ihr von ihm hinterlaffenen, ihr feine ftarke und
fchützende Gegenwart vermittelnden Mahls unerfchütter-
lich überwinden wird. — Der von Paulus den deutenden
Worten Jefu hinzugefügte Herrenbefehl: ,Dies tut, fo oft
ihr effet und trinket, zu meinem Gedächtnis!' trifft genau
das, was Jefus wollte, als er dem Abendmahl mit dem
Ausfpruch Mk. 14,25 das Siegel einer Gemeindeftiftung
aufdrückte. Doch geht der Inhalt diefes Herrenbefehls
nicht darin auf, ein Befehl der Wiederholung der Abendmahlsfeier
zu fein. Er will nach Paulus tiefer erfaßt fein.
Das, was fich als eine Gabe für feine Jünger darfteilte,
indem Jefus es tat, erhält durch diefen Befehl den Charakter
einer Aufgabe für feine Jünger und (teilt fich feitens der
Gemeinde und jedes einzelnen, fofern er ein Glied der
feiernden Gemeinde ift, als eine Leiftung dar, deren forg-
fältige Erfüllung und Ausführung eine heilige Pflicht der
Gemeinde wird: diefe Leiftung vollendet fich in dem
xaxayysXXeiv xbv frävaxov xov xvglov, das in feiner Wirkung
gleichwertig der kirchengründenden Tätigkeit der
Apoftel gedacht und angefehen ift.

Eine eigentümliche Behandlung wird von dem Verf.
der Rede Jefu zu Kapernaum (Joh. 6) und ihrer Beziehung
auf das Abendmahl (S. 97 fg.) zuteil. Der Schlüffel zum
Verftändnis diefer Rede foll in der Parallelifierung der-
felben mit dem Säemannsgleichnis (Mt. 13) liegen. Die
Erfahrungen, die der ,Menfchenfohn' (Joh. 6,27.53.62) bei
den Galiläern macht, denen er fich als Gottgefandten,
mit der Forderung, an ihn zu glauben, vorft.ellt, ent-
fprechen durchaus den Erfahrungen, die Jefu als dem
Säemann im Reiche Gottes nach jener Parabel begegnet
find. Auf derErkenntnisdes Gleichniswertes des Menfchen-
fohnes beruhe die Einficht in den bildlichen Charakter
der Ausfage Jefu über fich felbft Joh. 6 und in ihren Sinn,
d. h. in die Notwendigkeit, fie nicht buchftäblich zu nehmen,
fondern geiftig aufzufaffen: Jefus will dahin verftanden