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Ausgabe:

1905

Spalte:

296-297

Autor/Hrsg.:

Duhm, Hans

Titel/Untertitel:

Die bösen Geister im Alten Testament 1905

Rezensent:

Bertholet, Alfred

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Theologifche Literaturzeitung 1905 Nr. 10.

296

Mit Recht macht Ma. auf die bedeutungsvolle Tragweite
diefer Verfe aufmerkfam.

Zu Hofea muß ich wieder, trotz aller Dankbarkeit für
manche Belehrung, meinen Widerfpruch laut werden laffen
gegen die konfequente Eliminierung des pädagogifchen
Leidens, indem auch K. 3 geftrichen wird, das von einem
Späteren auf Grund von Hefekiel 23 ,gedichtet' fein foll.
Der unglaublich einfältige Menfch foll nämlich die Gomer
in K. 1 und 2 für Juda gehalten (obwohl das genaue
Gegenteil im Texte fteht) und ihm nun K. 3 Nordifrael
an die Seite geftellt haben. Da zeigt fich Duhms übler
Einfluß, der den Diaskeuaften jede, auch die ftupendefte
Dummheit zutraut; nach meiner Meinung hat man eher ein
Recht, an der Richtigkeit feiner Erwägungen und Refultate
zu zweifeln, als einem anderen, der feine Imbezillität nicht
fchon irgendwie fonft bewiefen hat, derartiges zuzutrauen.
Stat pro ratione voluntas, fonft würde Ma. felbft die Unmöglichkeit
feiner Auffaffung einfehen müffen. Dabei
ift K. 3 nicht ohne Takt und pfychologifches Verftändnis
gefchrieben und ein recht intereifantes Dokument aus der
Zeit, wo Kultus und Königtum mehr und mehr in den
Augen der prophetifchen Denker in Mißkredit gerieten.
Kann aber Kap. 3 des Hofea kein fpäteres Machwerk
fein, dann hat fich K. 2 nach K. 3 zu richten, d. h. Hofea
fchon hat an einen pofitiven Zweck und Erfolg der Exilsleiden
gedacht. Da zwifchen dem Auftreten des Jefaia und
der Wirkfamkeit des Hofea kaum eine zeitliche Differenz
liegt, fo ift damit auch der ,Reftkehrtum' des Jefaia ver-
ftändlicher, und die Bemühungen Ma.s um das glatte'
religionsgefchichtliche Schema erfcheinen einigermaßen
überflüffig, vergl. auch feine obigen Ausführungen zu
Arnos 5.

Nicht für glücklich halte ich auch Ma.s Analyfe von
Hab. 12—24 und kann nicht fagen, daß ich meine Auffaffung
der Stelle, der ja Wellh., Budde und Aa. nahe
flehen, für dadurch gefährdet erachte. M. konftatiert
(wie ich) ein altes Chaldäerorakel 15-10 (11), dem er
v. 14h anreiht: Ao. 605 a. Chr. 2 5-1:» verlegt er (wie ich)
in das Exil Ao. 540. Dazwifchen aber foll nun ein
Theodiceepfalm individuellen Charakters eingearbeitet
fein, ihm werden 12-4. 12 a. 13. 21—4 zugewiefen, als Ergänzungen
bleiben in, 15b, tef. — Man fieht, diefe
Analyfe zerftört den Text völlig, von 110—21 bleibt
kaum ein Vers an feiner urfprünglichen Stelle. Mir i
fcheint es eine große Gewaltfamkeit, ein Orakel jlTM in
einem Pfalm, der noch dazu hier erft konftruiert wird,
anzunehmen. 2 1—4 ift ohne Zweifel eine gute Fortfetzung
zu v. 15—17 des erften Kap. Fällt das anfchließende
Stück des zweiten Kap. in das Jahr 540, fo fleht es in
nächfter Nachbarfchaft zu Deutjefaia, und der Sprachgebrauch
des p"H£ und yi2h (oder b^? wie Wellh. will) ift
fchon durch diefe Nachbarfchaft im nationalen Sinne
wahrfcheinlich, der Gerechte ift Ifrael, der Frevler ift der
Chaldäer. Und da es pure Willkür ift, 1, 13, 14, 15 des
erften Kap. auseinanderzureißen, und völlig gewaltfam,
v. 14 und 15 einen .neutralen'Sinn zu geben, als werde hier
nur die Übermacht, aber nicht das Unrecht gefchildert, fo
haben wir von 112 an einen glatten Zufammenhang, der
deutlich über die mit Frohlocken begrüßten Chaldäer herüber
auf 12-4 zurückweift. Daß diefe Verfe nicht von
politifcher, fondern ausfchließlich von privater Bedrückung
reden follen, ift wieder eine willkürliche Annahme.
Es ift durchaus logifch, daß in Zeiten politifchcn
Druckes der Rechtsfmn, das fittlich religiöfe Gefühl fich
eher abftumpft als vertieft. Wenn alfo die .göttliche
Wahrheit', hier Tora genannt, wie bei Deutjefaia als ,un-
wirkfam, erftarrt, erfchlafft' gefchildert wird, fo ift das
durchaus verftändlich:

.Darum erfchlafft die Tora, für immer das Recht'.

,Denn der Chaldäer tritt den Juden mit Füßen, und
das Recht wird gebeugt'
fcheint mir eine unanfechtbare Umfchreibung, bei der
übrigens, dem Schluß des Kap. entfprechend, die Qina-

ftrophe durchgeführt ift. Freilich ift diefer Text und überhaupt
diefer Komplex des Buches ftark gloffiert, aber das
nehmen ja alle Ausleger an.

Ebenfo muß ich es als einen übertriebenen Scharf-
finn bezeichnen, den Ma. zu Sacharia fpielen läßt, wenn
er Serubbabel von diefem Propheten gekrönt fein läßt
und alle Stellen, die fich auf den Semach als eine künftige
Größe beziehen, als Synagogeneinfchiebfel entfernt.
Das ift doch die Methode, wie fie nicht fein foll. Tat-
fächlich wird Serubb. nirgends gekrönt oder als Meffias
bezeichnet. Es ift eine bedenkliche Hypothefe Wellhaufens
, in 3h—io vom Diademftein Serubbabels reden zu
laffen, von Serubb. fteht kein Wort im Text. Dagegen
hat Wellh. zu K. 6 recht: die Krone ift niemandem aufs
Haupt gefetzt, und es ift eine Verleumdung Sacharias,
ihm einen folchen hochverräterifchen Akt zuzufchieben,
während er nach K. 4 alles nicht mit Gewalt und Macht,
fondern mit Jahves Geift ausrichten wollte. Ich glaube
aber, daß Wellhaufen auch nicht hätte fagen dürfen, er
habe die Krone für Serubb. beftimmt. Beftimmt ift fie
doch deutlich für den Semach, und der foll erft kommen.
Der foll auch den hekal bauen, nicht das Haus, das jetzt
,in kleinen Anfängen' entlieht. Alles weift auf größere
Verhältniffe hin, die kommen follen, aber fich jetzt erft
vorbereiten. Übrigens muß man auch beachten, daß
Sach. deutlich den neugewonnenen Hohenpriefter mit
den andern Prieftern als Unterpfänder künftiger Ereigniffe
bezeichnet, während er in K. 4 und 6 mit Serubbabel
parallelifiert wird. Kann demnach fich die prophet.
Hoffnung in Serubb. erfchöpft haben? — Ich fcheide von
dem Kommentar, indem ich jedem von feiner Lektüre fo
viel Anregung, wenn auch zuweilen zum Widerfpruch,
wünfche, wie er mir gebracht hat.

Königsberg. Giefebrecht.

Duhm, Lic. theol. Hans, Die bösen Geister im Alten Testament
. Tübingen, J. C. B. Mohr 1904. (IV, 68 S.) gr. 8°.

M. 1.20

Mit vorliegender Erftlingsfchrift führt fich der Sohn
Bernhard Duhms fehr vorteilhaft in die altteftamentliche
Wiffenfchaft ein. Das Thema, das er darin bearbeitet
hat, bot den Vorzug, daß der einfchlägige Stoff nicht
leicht zu verfehlen war, und er hat ihn mit Fleiß und
Umficht gefammelt. Es liegt in der Natur der Sache,
daß die Refultate, zu denen er durch ihn geführt worden
ift, nicht wefentlich neue find. Der Hauptwert feiner
Schrift beruht auf der überfichtlichen, klaren und ge-
fchickten Darfteilung.

Den Begriff der ,böfen Geifter' befchränkt der Ver-
faffer nicht auf die Kakodämonen im eigentlichflen Sinne
des Wortes; er zieht vielmehr in den Kreis feiner Betrachtung
,alle diejenigen Wefen, die, fei es mit böfem
oder mit neutralem Charakter ausgeftattet, den Menfchen
Verderben drohen, auch wenn fie erft in der letzten Phafe
ihrer Entwickelung in die Reihe der eigentlichen Kakodämonen
eintreten oder umgekehrt aus ihr heraustreten'
(S. 2 f.). Seinen Stoff verteilt er auf die zwei Hauptteile:
die böfen Geifter der vorexilifchen Zeit (S. 4—33) und
die böfen Geifter der exilifchen und nachexilifchen
(S. 33—68), und innerhalb jener erften fcheidet er wieder
zwifchen theriomorphen, anthropomorphen und undeutlich
gewordenen Dämonen (bezw. amorphen Reften).

Diefe Einteilung erfolgt, wie man fieht, zunächft nach
rein äußern Merkmalen, was der Verfaffer damit rechtfertigt
, daß fich eine folche nach chronologifchen oder
logifchen Gefichtspunkten nicht empfehle. Das ift durchaus
richtig. Ja, es ift fo wenig möglich, die einzelnen
kakodämoniftifchen Vorftellungen chronologifch auch nur
einigermaßen zuverläffig zu datieren, daß ich nicht weiß,
ob nicht die fchon vom Verfaffer gewählte Einteilung,
die fchließlich felber einen gewiffen, wenn auch fehr weiten
chronologifchen Rahmen fpannt, dazu führt, die Akzente