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Ausgabe:

1905 Nr. 1

Spalte:

7-8

Autor/Hrsg.:

Bonwetsch, G. Nath.

Titel/Untertitel:

Drei georgisch erhaltene Schriften von Hippolytus, herausgegeben 1905

Rezensent:

Krüger, Gerhard

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Theologifche Literaturzeitung 1905 Nr. 1.

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Bonwetsch, G. Nath., Drei georgisch erhaltene Schriften
von Hippolytus, herausgegeben. Der Segen Jakobs,
Der Segen Mofes, Die Erzählung von David und
Goliath. (Texte und Unterfuchungen zur Gefchichte
der altchriftlichen Literatur. Herausgegeben von
O. von Gebhardt und A. Harnack. Neue Folge —
Elfter Band, Heft Ia.) Leipzig, J. C. Hinrichs'fche
Buchhandlung 1904. (XVI, 98 S.) gr. 8° M. 3.50

Von der Auffindung einer Anzahl bisher ganz oder
teilweife bekannter Schriften Hippolyts in grufinifcher
(georgifcher) Überfetzung durch den verdienten ruffifchen
Philologen N. Marr machte in diefer Zeitung 1901 Sp. 574 f. j
Bonwetfch die erfte Mitteilung für die nichtruffifche Gelehrtenwelt
. 1902 fchenkte er uns in deutfcher Überfetzung
nach der ruffifcher Marrs den Kommentar zum
Hohenliede, worüber Hans Achelis in diefer Zeitung 1903,
Sp. 545 ff. berichtete. Jetzt legt er uns den Segen Jakobs,
den Segen Mofes und die Erzählung von David und
Goliath in einer nach dem Ruffifchen des Priefters Kar-
belov gefertigten Überfetzung vor. Er fchreibt felbft in
der Einleitung: ,Daß bei einem Hindurchgehen durch fo
zahlreiche Überfetzungen, wie es hier der Fall ift, der
Sinn des vorliegenden Textes oft bis zur Unkenntlichkeit
entftellt worden, ift felbftverfländlich'. Kurz vorher erwähnt
er, daß der armenifche Text, aus dem die geor- 1
gifche Überfetzung gefloffen ift, fich noch in einer Hand-
fchrift der Mechitariften zu Venedig befindet. Da fragt j
man fich doch unwillkürlich, warum uns denn diefer
armenifche Text dauernd vorenthalten wird. Nicht unbeträchtliche
Opfer an Zeit und Geld zu bringen, wo
das Gute fo nahe liegt, ift gewiß nicht wirtfchaftlich.
Oder hüten die Mechitariften ihre Schätze fo eiferfüchtig,
daß fie Niemandem Einblick darin geftatten? Die bisherigen
Erfahrungen fprechen doch nicht für einen fo
fchwarzen Verdacht, und des Armenifchen kundige Gelehrte
haben wir ja in Deutfchland.

Damit foll natürlich das Verdienft der Leiftung
Bonwetfchs nicht gefchmälert werden, zumal er fich mit
der Überfetzung nicht begnügt, fondern in nicht genug
zu lobender Weife einen fehr lehrreichen ,Überblick über
die exegetifche Art und die theologifche Gedankenwelt
der herausgegebenen Stücke' hinzugefügt hat. Wenn
doch alle Herausgeber diefern Beifpiel folgen möchten!
Bonwetfch hat dabei freilich in erfter Linie den Zweck
verfolgt, zu erweifen, daß die drei Abhandlungen wirklich
von Hippolyt herrühren. Bezüglich des Mofes- und
des Jakobsfegens können nämlich Bedenken geltend gemacht
werden. Die von Theodoret und Leontius überlieferten
Bruchftücke elg xtv cpdrjv rrjv ueyaXrjv, die in
der Berliner Ausgabe zu Deut. 332« und 340 in Beziehung
gefetzt worden find, kehren in der georgifchen Überfetzung
des Segens Mofes nicht wieder. Aber die von
B. vorgefchlagene Löfung ift einfach und überzeugend:
die qpörj rj fieyakrj bedeutet hier wie überall Deut. 32, fo
daß 'eine weitere jetzt verlorene Schrift Hippolyts zu
Deut. 32 anzunehmen ift. Schwieriger liegen die Dinge
beim Jakobsfegen. nicht fowohl weil die Erklärung zum
Segen Ifaaks (Seg. Jak. 2—10) nur unvollkommen mit
dem übereinflimmt, was Hieronymus als Worte Hippolyts
zu diefem Segen mitteilte, als vielmehr weil die bei Prokop
unter dem Namen Hippolyts zu Gen. 49 erhaltenen, in
der Berliner Ausgabe als echtes hippolytifches Gut mitgeteilten
Fragmente mit dem geoi gifchen Kommentar
nur teilweife und auch dann zumeift nicht wörtlich über-
einftimmen. Da nun, wie B. in längerer Erörterung (f. o.)
zeigt, der georgifche Kommentar echthippolytifch ift,
die Fragmente aber in ihrer Farblofigkeit zum minderten
nicht hippolytifch fein müffen, fo ift eine andere Löfung
des Tatbeftandes angezeigt. Als folche deutet B. fragend
an die Möglichkeit einer Überarbeitung des hippolytifchen
Kommentars, die Prokop zur Vorlage gedient haben mag.

Die Zuverläffigkeit des georgifchen Textes wird auch
durch die Zitate in de antickristo, bei Ambrofius und in
den Tractatus Origenis bezeugt. Das Material zur Ver-
gleichung hat B. vollftändig mitgeteilt. Von befonderem
Intereffe ift noch, daß die beiden Irenäusfragmente 16
und 17 bei Harvey 2,487 fich als der hippolytifchen Auslegung
des Segens Mofes zugehörig erwiefen haben. B.
nimmt auch die Irenäusfragmente zum Segen Bileams
(15. 20. 21. 22. 45 Harvey 486. 489. 490. 509) für Hippolyt
in Anfpruch, obwohl fich ein äußerer Grund dafür nicht
geltend machen läßt, und bringt fie in Verbindung mit
dem Bruchftück, das fich vom griechifchen Text bereits
in der Berliner Ausgabe befindet, anhangsweife zum Abdruck
. Bei der Korrektur kann ich anmerken, daß, wie
Berendts (Über die Bibliotheken der Meteorifchen und
Offa-Olympifchen Klöfter, Texte u. Unterf. N. F. XI, 1 b,
1904, S. 72) gezeigt hat, auch der Jakobsfegen dem
Irenäus handfchriftlich zugefchrieben wird, was Bonwetfchs
Vermutungen beftätigt.

Harnack hat jüngft im zweiten Teile feiner Chronologie
die Hoffnung ausgefprochen, daß der von B. zu
erwartende Text Zeitfpuren zur Feftlegung des Datums
der neuaufgefundenen Abhandlungen bringen möchte.
Diefe Hoffnung hat fich leider nicht erfüllt, auch nicht
bezüglich der Erzählung von David und Goliath. Der
auf Chriftus eiferfüchtige König hat fich als Saul entpuppt
, der nach dem jetzt veröffentlichten Text nur noch
über 6000 (?) König ift, während es früher (vgl. Bonwetfch,
Hoheliedkommentar S. 7) 600000 waren.

Gießen. G. Krüger.

Goetz, Priv.-Doz. Walter, Die Quellen zur Geschichte des
hl. Franz von Assisi. Eine kritifche Unterfuchung.
Gotha, F. A. Perthes 1904. (X, 259 S.) gr. 8° M. 4—

Die Auffätze, die G. in der Ztfchr. für Kirchen-
gefchichte Bd. XXII, XXIV u. XXV veröffentlicht hat,
werden hier in Buchform herausgegeben und in einer faft
noch einmal fo großen Unterfuchung zum Abfchluß gebracht
, wobei die Vorzüge der G.fchen Arbeitsweife,
feine peinliche Sorgfalt und feine Ehrlichkeit, die das
Auge ftets für die möglichen Gegengründe offen hält,
voll zu Tage treten.

Die Arbeit beginnt mit einer Unterfuchung der
Schriften des h. Franz, wobei G. zu einem — wenn
der Ausdruck erlaubt ift — fehr konfervativen Refultat
kommt. Er hat dabei S. 22 f. klar ausgefprochen, von
wo an feine Refultate weniger zuverläffig werden. Ich
geftehe, daß ich von da an nicht mehr mit ihm gehen
kann: ich halte von den Briefen die an Leo, die h. Clara
und ihre Schweftern und den an Elias für unzweifelhaft
echt, fchon bei dem Briefe an Antonius von Padua fehlt
mir die fichere Überlieferung, wenn auch die inneren
Gründe für die Echtheit fprechen; die übrigen Briefe, die
admonitiones, die laudes Domini, de virtutibus, das
officium Passionis halte ich für zweifelhaft oder vielmehr
die Beweife für die Echtheit nicht für zureichend. G.
hat überall felbft die Bedenken vorgetragen, die wenig-
ftens zur Zeit noch vorliegen.

In der fich nun anfchließenden Befprechung der
Legenden findet fich eine durchgehende Polemik gegen
Sabatier. Ich muß fagen, daß ich den Unterfchied der
Refultate gar nicht für fo groß finden kann, wie G.
meint. Was zunächft Thomas von Celano betrifft,
fo gibt G. S. 84—88 und S. 223—233 foviele Mängel an
deffen beiden Viten zu, daß Sabatier eigentlich zufrieden
fein kann. G. gefleht, daß die Rhetorik Celanos die Darfteilung
und befonders die Charakteriftik eher beeinträchtigt
als fördert, daß in der Vita II manche Wider-
fprüche gegen die Vita I fich finden, daß er die Krifis
von 1219/20 verfchweigt, daß er die Warnung des Meifters
vor Privilegien ignoriert, daß er am Teftament möglichft
vorübergeht, alles aus Rückfichten, die ja freilich dring-