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Ausgabe:

1905 Nr. 10

Spalte:

293-296

Autor/Hrsg.:

Marti, Karl

Titel/Untertitel:

Das Dodekapropheton erklärt. Lieferung 20 1905

Rezensent:

Giesebrecht, Friedrich

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Theologifche Literaturzeitung 1905 Nr. 10.

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daß fo viel Fleiß und Selbftverleugung vorausfichtlich
mit fo geringem Erfolg gekrönt fein wird. Darum wäre
dringend zu wünfchen, daß zur Herftellung einer zweiten
Ausgabe eine völlige Umarbeitung des 3. Teiles Raum
finden möge.

Die Darfteilung des Buches ift lichtvoll und lebendig
, ftellenweife von einer wohltuenden Wärme getragen,
ohne jemals in Rhetorik auszuarten. Einzelne ftiliftifche
Unebenheiten (152 Je ou les caracteres propres1, 174
,comme et encore plus que les mathematiques) find noch
weniger ftörend, als die bei vielen Schriftftellern der fran-
zöfifchen Schweiz wiederkehrende Orthographie des fran-
zöfifchen Namens Straßburgs, den der Verf. immer
Strassbourg fchreibt.

Straßburg i. E. P- Lobftein.

Marti, Prof. D. Karl, Das Dodekapropheton erklärt. (Kurzer
Hand-Commentar zum Alten Teftament. Herausgegeben
von K. Marti. Lieferung 20 [Abteilung XIII.]).
Tübingen, J. C. B. Mohr 1903/4. (XVI, 492 u- IV S.)
Lex. 80 M. 8- M. 11.75

Der Band bildet den Abfchluß des Kurzen Hand-
Commentars zum A. T. Ein kurzes Vorwort weift auf
feine Ziele und theol. Stellung hin. — Auch bei diefem
Kommentar hat man wieder den Eindruck eines gewaltigen
Stoffes, der zu bewältigen war; man wird dem
Fleiß und der Umficht Martis allen Dank wiffen müffen,
auch wenn man hier und da die Anordnung des Stoffes
anders gewünfcht hätte und vielleicht diefe oder jene
Kleinigkeit vermißt. Direkte Fehler hätten fich ja wohl
vermeiden laffen: 12 heißt im Aram. nicht tfey "nn p. XIV,
ein Perf. Piel 2 Perf. Sing.: tth? gibt es'nicht, wie z.
Hab. 313 nach Oort konjiziert wird; auf p. 158 muß vor
Hafael: Benhadads II flehen, vergl. Guthe Gefch. p. 165.
— Gath (p. iöof.) erwähnt noch Hier, zu Mi. I 10 als
einen bedeutenden Ort, daß es nach 711 ,aus der Ge-
fchichte verfchwunden' fei, ift alfo nicht ganz richtig. —
Ich halte mich bei den folgenden Bemerkungen an die
einzelnen Propheten.

Die neuerlich beliebte Zerftücklung des Amosbuches
macht auch Marti mit, m. E. fehr verfehlterweife. Daß
die jetzige Dispofition des Buches ,eine fchematilche' fei,
ift abfolut kein Beweis dagegen, daß Arnos felbft fie auf-
geftellt hat. Denn es liegt im Wefen der Dispofition, ein
Schema zu fchaffen, in dem die Gedanken überfichtlich
untergebracht find. Wenn aber eine fchematifch ausfeilende
Dispofition zugleich eine gute fachliche Überficht
gibt, fo ift nicht einzufehen, warum fie nicht vom
Urheber des Stoffs herrühren könnte. Ich behaupte, daß
die Anordnung des Stoffs im Arnos eine fo tadellofe ift,
namentlich im ganzen, aber auch im einzelnen, daßSkepfis
einfach unvernünftig ift. Die Ordnung kann und wird fpäter
hier und da geftört fein, das ift aber eher ein Beweis für
ein hohes Alter des Buches. Zu diefen Störungen rechne
ich aber nicht die Stellung des hiftor. Stückes 710-17
innerhalb der Vifionen, fie wird gerade hiftorifch fein, als
Arnos feine hochverräterifchen Gefichte in Bethel mitteilte
, wurde er vertrieben. — Das Buch Hofeas ift
nach Ma. von Hofea felbft zufammengeftellt, trotzdem
mehrfache Wiederholungen desfelben Themas fich darin
finden und auch folche Stücke wie 65—72; 10 0-15, die M.
felbft: jZufammenftellung von allerlei Klagen' und .Allgemeinere
Rügen' betitelt. Käme ein folches Stück bei
Arnos vor, fo würde es .Geröll' oder .Trümmerhaufen'
betitelt werden. Ich fchließe umgekehrt: hat Hofea trotz
mancherlei Überarbeitungen fein Buch felbft komponiert,
dann auch Arnos das feinige, dafür ift gerade auch das
fehr glückliche Schema ein Beweis. — Recht bedauert
habe ich, daß Ma., wieder durch neuerlich erregte, abfolut
gegenftandslofe Bedenken veranlaßt, die dritte Vifion

merkwürdig mißverftanden hat. Dabei will ich kein Gewicht
darauf legen, daß er felbft nicht genau weiß, was
er will, nämlich, ob Jahve hier eine fchwere Bleimaffe
oder ein Schwert refp. eine andere Waffe mitten in das
Volk legt. Letzteres gäbe eine geradezu lächerliche
Ausdrucksweife, erfteres eine unvollziehbare Vorftellung.
Man kann nicht Bleimaffen, die Völker zermalmen follen,
in der Hand halten. Das würde der finnlichen Wahrhaftigkeit
des Arnos zu arg widerfprechen. Es wird wohl
bei dem alten Bleilot fein Bewenden haben müffen. Lieber
hätte ich auch die Ausführungen über den Philifterfpruch
K. 1 nicht gelefen. Ma. findet ihn efchatologifch, zieht
aber nicht für Moab diefelbe Konfequenz, obgleich ,Moab
im Getümmel ftirbt' und quält fich, ihn als Produkt der
Schriftgelehrfamkeit zu erweifen. Aber daß die tlttblB
nib5 aus Jer. 13 w hergeleitet fein foll, wird er niemand
einreden; ein Schriftgelehrter, der diefe abgelegene Stelle
kannte, wußte ficher auch, wer Juda zur Zeit Jeremias
exiliert hatte. Daß im übrigen Joel 44—6 die Grundlage
des Spruches gebildet habe, ift eine merkwürdige Idee
bei der tiefgreifenden Verfchiedenheit des Inhaltes. Da
hier Qina herrfcht (was M. unbewußt in dem Damask-
fpruche durch die mir durchaus fympathifche Umftellung
des piözn rVv-Q (ij-patöl unterftützt), fo ift hier entweder
rp-llfü oder mfiffibB zu viel und entweder dies oder jenes
durch rVa zu erfetzen. Dann ift wenigftens kein Grund
mehr, den Spruch zu athetieren. Doch könnte auch Gath
ruhig fehlen, ohne daß der Spruch unecht fein müßte.
Denn wir wiffen nicht, wie weit die Zerftörung durch
Hafael gegangen war, und die Stadt kann von den
Philiftern gerade zwifchen 750 und 720 neu aufgebaut und
befeftigt worden fein. Ma. hat wie Now. das Metrum
etwas ftiefmütterlich und namentlich recht ungleichmäßig
behandelt. Das wird hoffentlich in einer zweiten Aufl.
anders. Denn im einzelnen ift doch Manches damit zu
erreichen. Z. B. ift Am. 47 nicht ftatt nmfi (Wellh.),
fondern vor ihm inmrin zu lefen; in 4» ift die Streichung
des D'nSH TTO falfch, wohl aber ift mm vor DD"nm zu
tilgen, es ift durch Dittogr. entftanden. In 5 iff. weift das
folgende, das nicht Qina ift, fondern 4hebig, die Verkehrtheit
des rmp und wahrfcheinlich der Überfchr., oder
eines Teils derfelben aus. Zu 5 isff. ftimme ich faft völlig
mit Ma. überein: auf Grund des Metr. das hier deutlich
4hebig ift, fcheide ich v. 20 aus und beffere mit den
Trümmern v. 18. Aber auf Grund des Metr. kann ich
dann nicht v. 21— 26 (3 hebig) für die Fortfetzung halten,
fondern für ein felbftändiges Stück. Richtig fcheidet Ma!
v. 26 aus, aber wie auch Oettli gegen Wellh. hervorhebt!
bleibt hier eine Lücke, und Bredenkamp hat nicht unrecht!
wenn er in v. 24 für eine fittliche Ermahnung eine zu'
bombaftifche Ausdrucksweife findet (der Proph. redet in
diefem Kap. fonft viel gemäßigter). Daher möchte ich
fragen, ob nicht bei Einfchiebung von v. 26 zugleich
v. 24 von feiner urfprünglichen Stelle weggerückt und vor
v. 25 geftellt ift, wo er nun den auf Tadel des famarit.
Mifchkults erpichten Gloffator nicht mehr ftörte. Natürlich
würde dann (unterPunktation von basl) zu überfetzen fein:
Habt ihr mir Opfer und Gaben dargebracht in der Wüfte
40 Jahre lang? (Nein!) Aber es quoll hervor wie Waffer das
Recht und Ger. wie ein unverfieglicher Bach. Man würde
an Qades ,die Quelle des Rechts' zu denken veranlaßt, an
Molis Rechtfprechung, vielleicht auch Gefetzgebung. Dafür
würde der Ausdruck nicht zu ftark fein. Demnach bliebe
v. 27 übrig, aber auch hier hilft das Metr. (4hebig Diftich).
Der 2. Stichus ift längft beanftandet wegen der Häufung
des Gottesnamen. Streicht man die entfprechenden Worte
in dem ebenfalls 4hebigen Schluß des fechften Kap., fo
bleibt dort ein 4hebiges Triftich, das feinen Abfchluß
durch 527 geradezu fordert.
I Nach fo viel Ausfüllungen muß ich doch meine
freudige Zuftimmung erklären zu Martis Analyfe des
fünften Kap., wo namentlich fein Beweis für die Echtheit
von v. 14 und 15 der allgemeinen Beachtung wert ift.

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