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Ausgabe:

1905 Nr. 9

Spalte:

277-278

Autor/Hrsg.:

Diener-Wyss, H.

Titel/Untertitel:

Calvin, ein aktentreues Lebensbild 1905

Rezensent:

Köhler, Walther

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Seite 1

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2J7 Theologifche Literaturzeitung 1905 Nr. 9.

terrne; S. 103,3 (unten) Scholion) Schöten. Bei S. auf
S. 83,10 q] q (die Abbreviatur der Vorlage bedeutet quam.
die von Knoke gedruckte aber qui oder quod) S. 109,17
ppositis] Ppositis (das praepositis ift dadurch in papositis
verwandelt); S. 109,18 -p] P (das pro ift fo in per verändert
); S. 109, 2-, f. poteßates] potetcstas; S. 121,18 terntam]
terrtiam. — Diefe Beifpiele zeigen, daß die freilich fehr
mühfame Arbeit der Korrektur der Neudrucke nach den
Originalen nicht völlig gelungen ift. Den niederdeutfchen
Text von Mag. habe ich nicht vergleichen können, weil
er mir nicht zur rechten Zeit aus Helmftedt gefchickt
worden ift.

Noch ein Wort über die Lesarten und Erläuterungen
unter den Texten. Es fteckt viel Arbeit darin. Aber
die Benutzung ift durch die Druckeinrichtung erfchwert.

alfo abgeleiteten Quellen. Man wird angefichts deffen
keine hohen Anforderungen (teilen dürfen, zumal die
neueften Arbeiten über Calvin von Doumergue, Choify,
Lang, Rieker, Schulze, um nur die wichtigften zu nennen,
nicht benutzt find. Die modernen Frageftellungen zu
Calvins Theologie fehlen völlig, prinzipielle Formulierungen
, die gerade bei Calvin notwendig werden und auch
relativ leicht zu geben find bei diefem Syftematiker,
werden vermißt, wo einmal Anfätze gemacht werden wie
bei Bezeichnung der Genfer Theokratie als ,chriftlichen
Staat' (S. 54) find fie wenig glücklich oder falfch (vgl.
z. B. S. 51 die Behauptung, daß bei der Kirchenzucht
,nur feiten ein wirklicher Zwang' ausgeübt wurde). So
liegt das Brauchbare diefes neuen Lebensbildes in der
Darfteilung des Perfönlichen,nichtTheologifchen an Calvin.

Die fnrachlichen Erläuterungen wären wohl beffer von I Hier verlieht es Verf., warm und Intereffe weckend unter

den Lesarten zu trennen und in einen Anhang zu ver-
weifen gewefen. In den Erläuterungen fcheint mir teils
zu viel (z. B. in der rein lexikalifchen Behandlung einzelner
Wörter, wie Hölle, Nachbar, Kreuz ufw.), teils zu
wenig (z. B. fehlt jede Erläuterung zu der fchwierigen
Stelle im 3. Artikel ,mit feinen Gaben erleuchtet') geboten
zu fein. Warum hat uns der Verf. aus feiner

gefchickter Ausnutzung feiner Quellen Calvin nahe zu
bringen. Und das ift wohl auch der Hauptzweck diefer
populären Schrift gewefen. — Nicht zu halten ift die
S. 3 f. vorgetragene Meinung, die Hinwendung Calvins
zur Reformation fei fchon in Bourges erfolgt. Ohne
jeden Zweifel wird S. 5 die Autorfchaft C.s an der Rektoratsrede
für Nikiaus Kop behauptet. Nicht am Hofe

reichen Kenntnis nicht eine Überficht über die dem j der Margarete von Navarra (S. 7), fondern in Nerac traf
Wortverftändnis des Enchiridion gewidmeten, weit ver- C. mit Faber Stapulenfis zufammen, und C.s Einfluß auf
ftreuten Arbeiten gegeben, worin er manchen wertvollen ihn ift fichtlich überfchätzt. Warum redet Verf. ftets
Auffatz von fleh felbft hätte nennen können? Das wäre von dem theologifchen Hauptwerk C.s im Plural: Inftitu-
eine dankenswerte Grundlage für die nötigen weiteren , tionen? ,Gröbften Materialismus' (S. 57) kann man den
Forfchungen gewefen. Auch bezüglich der Lesarten Genfer Libertinismus nicht nennen, er war Pantheismus.

S. 68 fleht die irrige Anficht, Luther habe die Todes-
flrafe auf Ketzerei verworfen. Und auch C. vertritt die
Verurteilung der Irrlehrer als Irrlehrer (gegen S. 70), vgl.
die Bemerkung des Guilielmus Nicolai an Joachim Weft-
phal: cdidit ante aliquot annos Calvinus scriptum publicum,

habe ich einige Wünfche: 1) die Art und Weife fie anzuführen
hätte ich gerne dem erprobten Verfahren der
Weimarer Lutherausgabe angepaßt gefehen; 2) ihre Auswahl
erfchwert das Erkennen des Wichtigeren neben
Unwichtigem (fo befonders bei den Lesarten zu Mar.,

wie die oben angeführten Beifpiele zeigen); 3) die I quo dcfendit haereticos solius haeresis causa e media
Wahl der zur Ausbeute von Lesarten herangezogenen I tollendos. (Briefwechfel des Joachim Weftphal (y/.Sillem I
Texte erfcheint mir nicht immer als ganz zweckmäßig; S. 247). Hoffentlich ift es nur ein Druckfehler, daß nach

z. B. zu Pi. wäre die Vergleichung der fpätercn Ausgabe
des Enchirid. piar. prccationum 1543 lehrreich gewefen.
Die Wittenberger Texte kommen zwar in Lesarten zu
L. 1543 zur Geltung: nach meiner Auffaffung aber, daß
die älteften Wittenberger Texte Wertmaßflab für alle
andern bilden, hätte die Rückfichtnahme auf fie noch
viel umfaffender fein follen: das Belle wäre m. E. gewefen
, wenn neben den andern ein Text von Schirlentz
(ich denke in erller Linie an W 3) ganz abgedruckt
worden wäre. — Auf Einzelheiten in betreff der verzeichneten
Lesarten einzugehen, würde zu weit führen.

Zum Schluß fei noch einmal hervorgehoben, daß
man aus Knokes Buch viel lernen kann; manche ver-
geffene oder verfchollene Ausgaben hat er zum erften-
mal näher befprochen, z. B. den Wittenberger Druck v. J.
1535, das Nürnberger Chriftliche Leßbüchlein, den Augsburger
Druck v.J. t 542, die ältefte niederländifche Über-

S. 57 Luther 1544 geftorben ift!

Gießen. Köhler.

Stange, Prof. D. Carl, Theologische Aufsätze. Leipzig,
A. Deichert Nachf. 1905. (IV, 132 S.) gr. 8° M. 2.50

Inhalt: i. Der Wille zum Leben. — 2. Das Chriftentum als
abfolute Religion. — 3. Kultur und Religion. — 4. Die Fülle der
Zeiten. — 5. Die liedeutung der lutherifchen Lehre von der Präde-
flination. - 6. Über eine Stelle in der Apologie. Ein Beitrag zur
Rechtfertigungsichre der Apologie. — 7. Zum Sprachgebrauch der
Rechtfertigungslehre in der Apologie. — 8. Über Luthers Beziehungen
zur Theologie feines Ordens. — 9. Luther über Gregor von Rimini.
— 10. Die reformatorifche Lehre von der Freiheit des Handelns.

Stanges Auffätze behandeln 2 deutlich gefchiedene
Gebiete. Die erften 4 (vorher in der Allg. ev.-luth.
Kirchenzeitung 1902—3 erfchienen) haben das Verhält-
fetzung u. a. Befonders ift ihm für die nachdrückliche | nis des Chriftentums zur allgemeinen Religionswiffen-

Wertfchätzung der zweifprachlichen Magdeburger Schul- fchaft und zur Kultur zum Gegenftande. Stange will das

katechismen, der älteften lateinifchen und niederdeutfchen
Überfetzungen zu danken. Auch allerlei Anregendes
findet fich in Einzelbemerkungen, z. B. über die wech-
felnden Texte der Haustafel S. II u. S. ioöff. Hoffentlich
erlebt das Werk eine neue Auflage, worin dann
wohl die geäußerten Wünfche und Bedenken einige Be-
rückfichtigung finden.

Naumburg a. S. O. Albrecht.

Diener-Wyss, a. Pfr. H., Calvin, ein aktentreues Lebensbild
. Zürich, Art. Inftitut Orell Füßli (1904). (VIII,
138 S.) 8« M. 1.50

Die Akten, auf denen vorliegendes ,aktengetreues' ziellofe Abwandlung ift. Im 13egriff der Entwicklung

Chriftentum als übernatürliche, in die Welt der Sünde
hmeingeftellte Offenbarung verliehen. Der Anfpruch des
Chriftentums, die abfolute, die einzig wahre Religion zu
fein, verbiete es, den Entwicklungsgedanken auf die
Religionsgefchichte anzuwenden. Das Chriftentum verhalte
fleh zu den andern Religionen nicht wie das Vollkommene
zum Unvollkommenen, fondern wie die Wahrheit
zur Luge, wie die Wirklichkeit zum Schein. ,Wo
der Gedanke der Entwicklung zur Anwendung gelangt,
kann gar nicht von abfoluten Größen, fond ern nur von
relativen die Rede fein' (S. Ii). Indeffen die neueren
Firörterungen über den Entwicklungsbegriff haben m. E.
deutlich genug gemacht, daß Entwicklung nicht gleich

Lebensbild Calvins ruht, find laut Vorwort Beza, Dreiin- 1 liegt vielmehr etwas Teleologifches, das Hinftreben
court, Schröck, Mosheim, Kampfchulte (Verf. fchreibt: j auf ein beftimmtes Ziel. Stange beftreitet, daß das
Kamp-Schulte!),Bungener,HenryundStähelinentnommen, 1 Chriftentum durch den im Hellenismus fich findenden