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Ausgabe:

1905 Nr. 9

Spalte:

259-261

Autor/Hrsg.:

Baljon, J. M. S.

Titel/Untertitel:

Commentar op de katholieke brieven 1905

Rezensent:

Clemen, Carl

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Theologifche Literaturzeitung 1905 Nr. 9.

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fo, wie es von Chrifto gelehrt worden war, war es wohl
für Glieder des altteftamentlichen Bundesvolkes von hervorragendem
Werte, in chriftlichen Zeiten, d. h. für Chri-
ften aber nicht verwendbar. Diefe Umgeflaltung hatte
fich in der erften Chriflenheit offenbar fehr früh vollzogen,
nicht aber durch eine prinzipielle Umarbeitung des Gebetes
durch die Apoftel oder Evangeliften, weil dann
doch in irgend einem apoftolifchen Sendfehreiben, etwa
bei Jakobus, irgend welche Beziehung auf dasfelbe ftatt-
gefunden hätte, fondern wohl durch den Gebrauch des-
felben in der Gemeinde' (S. 7—8).

Die Umgeflaltung ift aber nur eine unvollkommene
gewefen.

,Bei einer korrekteren Umgeflaltung des Vaterunfers
zu einem chriftlichen Gebete hätte dasfelbe ganz gehaltvoll
und wertvoll werden können; in der Geftalt aber,
wie es uns überliefert worden ift, hat es weder Chriftus
gelehrt, noch kann es als Muftergebet gelten, und wäre
entweder umzuarbeiten oder außer Gebrauch zu fetzen'
(S. 51).

Die Form des VU., welche P. für die urfprüngliche
hält, wird bekanntlich von einigen Zeugen des Lukastextes
geboten (f. bef. Harnack, Sitzungsberichte der
Berliner Akademie 1904, S. 195 ff., deffen Bericht genauer
und vollttändiger ift als der von P. S. i6f. gebotene), nur
mit dem Unterfchiede, daß diefe Zeugen am Schluffe
noch die Bitte haben ,Führe uns nicht in Verfuchung'.
Diefe Bitte ftreicht der Verf. als nicht-urfprünglich, weil
Gott nach Jak. I 13 niemanden verfucht (S. 45). Angefichts
des fonftigen biblifchen Materiales und angefichts der
allgemeinen Bezeugung der Bitte muß diefer Grund als
recht fchwach bezeichnet werden. Im übrigen ift ja
allerdings die Frage zu erwägen, welche von den ver-
fchiedenen uns überlieferten Formen des VU. die urfprüngliche
ift. Harnack a. a. O. hat wegen des Schwankens
der Überlieferung die fogenannten drei erften Bitten
überhaupt für nicht urfprünglich erklärt, und Spitta
(Monatsfchr. für Gottesdienft und kirchl. Kunft 1904, S.
333—345) hält die Form des Marcion für die urfprüngliche
. Letztere ftimmt mit der von Paslack bevorzugten
darin überein, daß fie auch die Bitte um den heiligen
Geift hat. Eben diefe ift aber m. E. ficher nicht urfprünglich
, denn in der Predigt Jefu Chrifti wird nirgends auf den
heiligen Geift als ein wefentliches Gut hingewiefen (Luc.
1113 ift fekundär, vgl. Matth. 711), während umgekehrt
im älteften Gemeindeglauben wie in der Theologie des
Paulus der heilige Geift als ein wefentliches Gut der
Chriftenheit erfcheint, hier alfo hinreichend Veranlaffung
zur Einfchaltung einer folchen Bitte gegeben war. Es
wird fich mit derfelben alfo gerade umgekehrt verhalten
wie der Verf. meint: nicht ihre Tilgung, fondern ihre
Einfchaltung ift das Spätere. Auch fonft erfcheinen die
Konftruktionen des Verf. wenig überzeugend.

Göttingen. E. Schür er.

Baijon, Prof. Dr. J. M. S., Commentaar op de katholieke
brieven. Utrecht, J. van Boekhoven 1904. (270 S.) gr. 8°
— Commentaar op den briet van Paulus aan de Filippiers.

Ebd. 1904. (79 S.) gr. 8°

Auf feinen Kommentar über die Apoftelgefchichte
hat Prof. Baijon im vergangenen Jahr die über die katho-
lifchen und den Philipperbrief folgen laffen. Sie find wie
jener eingerichtet; d. h. für alle Einleitungsfragen wird
auf feine geschiedenis van de boeken des nienwen verbonds
verwiefen; die den einzelnen Abfchnitten vorangefchickte
Überfetzung ift diesmal fetter gedruckt; die Vers für Vers
fortfehreitende Erklärung gibt, was zunächft der Student
zum Verftändnis des Textes notwendig braucht. Dabei
werden nicht nur die üblichen Hilfsmittel benutzt, fondern
auch zahlreiche Spezialarbeiten zitiert, fowohl in hollän-
difcher, als in deutfeher und englifcher Sprache.

Ich kann hier natürlich nur einen Teil diefer Kommentare
mit meinen Gloffen begleiten und wähle dazu
die Auslegung der Johannesbriefe. Aber auch hier laffe
ich die Einleitungsfragen beifeite, um fo mehr, als ich
mich demnächft an andrer Stelle über fie ausfprechen
werde. Das Proömium des erften Briefs erklärt B. offenbar
nach Zahn (Einleitung 2 II, 567fr.), ohne doch fo weit
ins einzelne zu gehen, wie diefer; ich kann auch diefe
referviertere Exegefe nicht für richtig halten. Übrigens
paßt dazu nicht ganz, wenn B. fortfährt: Het aanschouwen
of d-säö&ai is met bewondering aanstaren (contemplari),
geen lichamelijk, maar een geestelijk zien (vgl. Joh. 1, 14.
32), een bepeinzen op grond van het gehoorde en geziene
van den Logos. Um fo unzweifelhaft richtiger ift es,
wenn er zu V. 5 bemerkt: Er Staat am avzov, niet jtao
avzov, van Zijnetitwege, wat op onmiddellijke mededeeling
w/jzen zou. Uit Jezus' persoon en werk hebben wij ver-
nomen, opgemaakt wat het wezen Gods is.

2, 14 möchte ich doch lieber auf das Johannesevangelium
, als einen verlorenen Brief — gefchweige denn
das unmittelbar vorangehende beziehen. Wenn B. dann
zu V. 22 bemerkt: I Joh. wd natnurlijk niet zeggen, dat
er in het geheel gee?i ander leugenaar is, maar Inj wijst
op den in dit verband bedoelden leugenaar — fo ift das
ja an fich natürlich richtig, darf aber nicht fo verftanden
werden, als ob der Brief noch eine von andern vertretene
Irrlehre bekämpfte. Denn dann hätte es allerdings nicht
heißen können: ziq töztv o ipEvözrjq sl firj o aQVOvpsvoq
ort Ir/oovq ovx töziv o XQioxoq;

Für die Beurteilung der Lesart in 4, 3 möchte ich
auch auf Wurm, Die Irrlehrer im erften Johannesbrief,
Bibl. Studien VIII, I, 1903, 6off. verweifen. B. hätte wohl
zugleich über die Gegner unfres Briefes, wenn auch nicht
wie W., fo doch anders als jetzt geurteilt, wenn er deffen
Studie noch hätte benutzen können.

Den herkömmlichen Text von 5, 2 fcheint mir auch
B. nicht erklärt zu haben. Ein verftändlicher Sinn kommt
! nur heraus, wenn wir mit Grotius (ad L), van de Sande-
Bakhuyzen (conjecturaalcritiek ad l.) und dem frühern
B. felbft (Theo/. Studien 1893,250k) ebenfo wie Jak. 2, ih
eine uralte Umftellung annehmen und lefen: tv xovxm
yivcoOxofisv 6zi xbv d-tbv äyajcmfisv, 6xav äyaJtcöfisv ra
zixva zov d-sov xdi zaq Ivzolaq avzov jcoiöjuev. Dann
fchließt fich auch V. 3 beffer an das Vorhergehende an.
— Über V. yi. urteilt B. auch jetzt noch wie früher; ich
gehe alfo darauf nicht erft ein.

An der Erklärung des zweiten Briefs ift zunächft im
allgemeinen der Nachweis befonders verdienftlich, daß er
an eine Gemeinde gerichtet fein muß. Im befondern
weift B. die Erklärung von Rendel Harris (Exp. 1901,
13, 193ff.) zurück, ExlExxfj xvnla bedeute: der geliebten
Eklekte. Und in der Tat fcheitert das, wie man fchon
längft gefehen hat, an V. 13; aber die Deutung von xvoia
(auf Grund der Oxyrhynchos-Papyri 112. 213) fcheint mir
doch viel paffender als die frühere Überfetzung mit Herrin.
Daß der Verf. ffatt xvoia vielmehr äyaxrjZTj gefügt haben
würde, kann man kaum behaupten; denn hier handelte
es fich eben um Herübernahme eines fonft fchon üblichen
Ausdrucks.

Endlich zum dritten Brief weift B. ausführlich zurück,
daß fich V. 9 auf den zweiten bezieht, wie merkwürdigerweife
nicht nur Zahn (581. 584), fondern auch Jülich er
(Einleitung 3 u- 4 198), Schmiedel (Enc. bibl. II, 2560)
und Bartlet (Journal of theol. Studies 1905 (VI) 209k)
noch für möglich halten. Wenn er dagegen Demetrius
nicht für den Überbringer des Briefes hält, fo hat
er wohl überfehen, was von Wilamowitz (Hermes 1898,
530) dazu ausgeführt hat: als Empfehlungsbrief mußte
der Brief den nennen, den er empfehlen wollte, und das
konnte eben nur Demetrius fein. Krügers Bedenken
gegen die Harnackfche Theorie (Zeitfchr. f. wiff. Theol.
1898, 307!!.) dagegen konnten in der Tat, foweit fie fich
nur auf diefe, nicht die beigebrachten Hilfsargumente