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Ausgabe:

1905 Nr. 8

Spalte:

251-252

Autor/Hrsg.:

Hilgers, Joseph

Titel/Untertitel:

Der Index der verbotenen Bücher 1905

Rezensent:

Frantz, Adolf

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251

Theologifche Literaturzeitung 1905 Nr. 8.

252

Männer wie Spitta, Deichmann, Münkel, Petri, L.
Harms u. a. durch ihre Predigten neues Leben weckten,
hatten fie an den Freunden der Brüdergemeinde ihre
dankbarften Zuhörer, aber fie felbft waren in felbftändiger
Weife, im Geift der lutherifchen Kirche, zu lebendigen
Zeugen geworden (S. 138). Wer zu Ludwig Harms' Zeiten
einen Sonntag in Hermannsburg zubrachte, der konnte
einen Eindruck von diefem lebendigen Luthertum bekommen
, von einer volkstümlichen Predigt und Seelforge,
bei welcher alles am Paftor hing und das Laienelement
völlig zurücktrat, von einer Gemeinde, welche die lutherifchen
Kultusformen belebte, und von einem Paftor, der
neben der Liturgie noch am Altar knieend freie Gebete
fprach. — Die Miffionsvereine, welche in den hannover-
fchen Landdrofteien allmählich entftanden, waren bis 1848
durch die kirchliche und politifche Bureaukratie vielfach
in ihrer Entwicklung gehemmt. Als 1836 die Nord-
deutfche Miffionsgefellfchaft in Hamburg gegründet
wurde und Hamburg, Holftein, Mecklenburg, Hannover,
Bremen, Oldenburg und Oftfriesland zu einem gemein-
famen Werk verbinden wollte, war Ludwig Harms
neben den Bremer Paftoren eines der tätigften Mitglieder,
und ihm wurde 1849 die Ausbildung der Miffionare übertragen
. Aber es waren von Anfang an zu verfchieden-
artige kirchliche Elemente, welche hier zufammenwirken
follten. Denn die Unterfchiede zwifchen Lutherifch und
Reformiert find hier feit der Reformationszeit im Kultus
und im ganzen chriftlichen Volksleben viel ausgeprägter
als im Rheinland, in Südweftdeutfchland und der deut-
fchen Schweiz. Auch war das großenteils noch im alten
Rationalismus fchlafende Hamburg nicht der geeignete
Mittelpunkt. Wir begreifen es daher, wenn es auch
Haccius nicht ausdrücklich fagt, daß für L. Harms des
Volks noch zu viel war, daß feine Perfönlichkeit nicht in
die Länge an alle diefe verfchiedenen Miffionsvereine gebunden
fein konnte, daß er erft durch die Gründung der
Hermannsburger Miffion, von welcher der zweite Teil
erzählen wird, in fein Element kam und feine Gaben verwerten
konnte. So ift diefes Buch eine fehr dankenswerte
, nüchterne Darftellung der verwickelten Verhältniffe,
welche fchließlich zum Nebeneinanderbeflehen der Bremer
und der Hermannsburger Miffion führten. — Von einzelnen
unrichtigen Angaben ift mir aufgefallen S. 131:
,in Bafel, wo 1810 die deutfche Chriftentumsgefellfchaft
mit der Bafeler Miffion, und in Dresden, wo 1819 der
erfte lutherifche Miffionsverein gegründet wurde'. Die
Deutfche Chriftentumsgefellfchaft ift bekanntlich 1780, die
Bafeler Miffion 1815 gegründet worden, und der 1819 in
Dresden gegründete Miffionsverein war ein Hilfsverein für
Bafel, der erft in den dreißiger Jahren fich von Bafel
trennte. Nach S. 228 foll Miflionar Hebich 1835 in Hannover
von feiner Wirkfamkeit in Mangalore berichtet haben.
Hebich kam 1834 bei feiner Ausfendung über England
nach Indien über Hannover und wurde dort in den
Miffionsverein freundlich eingeführt, konnte aber noch
nicht über feine Wirkfamkeit in Mangalore berichten. Im
ganzen ift jedoch das Buch eine fehr tüchtige Arbeit,
und es ift zu wünfchen, daß der zweite Band, welcher
die eigentliche Gefchichte der Hermannsburger Miffion
und eben damit auch wieder fchwierige Partien enthalten
wird, bald nachfolge.

Calw. P. Wurm.

Hilgers, Jofeph, S. J., Der Index der verbotenen Bücher, In

feiner neuen Faffung dargelegt und rechtlich-hiftorifch
gewürdigt. Freiburg i. B., Herder 1904. (XXI, 338 S.)
Lex. 8° M. 9 _; geb. M. 11.50

Das vorliegende Werk ift mit einem doppelten Imprimatur
verfehen: fowohl der zuftändige Obere des
Jefuitenordens, dem Verf. angehört, als auch der Erz-
bifchof von Freiburg hat die Druckerlaubnis erteilt.
Schon hierin dürfte die ficherfte Gewähr dafür zu finden

fein, daß in dem Buche nichts enthalten ift, was irgendwie
vom ftreng kirchlichen Standpunkte aus zu Bedenken
Anlaß geben könnte, daß vielmehr dasfelbe fich zum
wärmften Verteidiger der kirchlichen Büchergefetzgebung
aufwirft. Verf. bezeichnet als Zweck feiner Schrift, Freund
und Feind mit den kirchlichen Büchergefetzen, zumal in
ihrer Neugeftaltung durch Leo XIII, näher bekannt zu
machen. Sie foll dem Nichtkatholiken Aufklärung und
gerechtere Würdigung des Index, dem Katholiken aber
Belehrung und höhere Wertfehätzung der Büchergefetze
vermitteln. Zu diefem Behufe gibt er unter Berückfich-
tigung der hiftorifchen Entwickelung eine fehr eingehend
gehaltene und auf tiefgehenden Studien beruhende
Charakterifierung des neuen Index, in welchem die Milde
und der Freifinn der Kirche zum Ausdruck gelange.
Dabei wendet er fich gegen die Unterftellung, als ob das
Lefen nur folcher Bücher verboten fei, die auf dem Index
flehen. Auch ein Buch, das nicht auf dem Index ftehe,
könne erftens noch durch die allgemeinen Regeln der
Kirche und zweitens vom Naturgefetze verboten fein.
Bei weitem nicht alle für Glauben und Sitten verderblichen
Bücher würden auf den Index gefetzt. Das fei
bei derUnzahl fchlechter Bücher, die alljährlich erfchienen,
einfach unmöglich und auch unnötig und überflüffig, da
Vernunft und Gewiffen und allgemeines Kirchengefetz
in den meiften Fällen klar genug fprächen, auch wenn
der Index fchweige. Übrigens nimmt Verf. die Gelehrten
nicht vom Gefetze aus; fie müffen zum Studium verbotener
Bücher fich Dispens vom Bücherverbote einholen. Des
weiteren geht Verf. in fehr ausführlicher Weife auf die
Gefchichte der proteftantifch-kirchlichen fowie der ftaat-
lichen Bücherzenfur ein, obwohl diefe im Grunde mit
dem vom Verf. behandelten Thema gar nichts zu tun hat.
Dabei fallen des öfteren äußerft fcharfe Bemerkungen,
wobei natürlich der altbekannte Vorwurf, daß Luther die
Bigamie für erlaubt erklärt habe, nicht ausbleibt. Zur
J Begründung diefer feiner Ausführungen, gegen welche
fich im einzelnen gar manches geltend machen ließe,
betont Verf., daß fie lediglich den Zweck verfolgen, ein
billiges Urteil über die römifche Zenfur begründen zu
helfen und zur Rechtfertigung des Index zu dienen. Selbft
wenn man die Berechtigung diefes Standpunktes zuge-
ftehen will, fo wäre doch eine erheblich kürzere und
weniger einfeitige Behandlung der einen großen Teil des
Werkes füllenden Erörterungen über die ftaatliche und
akatholifch-kirchliche Zenfur fehr am Platze gewefen. Es
folgt dann die ,Chronologifche Reihenfolge aller Bücherverbote
im Index Leos XIII', welche in kürzefter Faffung
den Gefamtkatalog der verbotenen Bücher bis in die
neufte Zeit bietet und fich, wie Verf. mit Recht hervorhebt
, als wertvolles Hülfsmittel für den Forfcher darftellt.
Als Anlagen find eine Reihe von auf die Indexgefetz-
gebung bezüglichen Aktenftücken abgedruckt.

Kiel. Frantz.

Bibliographie

von Lic. theol. Paul Pape in Berlin.
jDeutfcbe Hiteratut.

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