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Ausgabe:

1905 Nr. 8

Spalte:

245-246

Autor/Hrsg.:

Sachse, R.

Titel/Untertitel:

Zum Gottesbegriff 1905

Rezensent:

Wendland, Johannes

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Seite 1

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245

Theologifche Literaturzeitung 1905 Nr. 8.

246

der an Gottvertrauen und Organifationsgabe feinen Meifter
A. H. Francke nicht erreicht. Kräftig fängt der Pietismus
an, das kirchliche Leben aufzurütteln. Sonntagsfeier, Beichte
, Sittenzucht werden ftrenger. Die Unterweifung der
Jugend wird gehoben, ein neuer Katechismus und neue
Gefangbücher für die Hofkirche und Stadtkirche werden
gefchaffen. Ein Waifenhaus wird gegründet und bildet
den Mittelpunkt des Bruderkreifes, wo auch die Er-
bauungsftunden gehalten werden, die fich auch das Leben
friften, als nach des Markgrafen Tod der Wind umfchlug,
und endlich auch Silchmüller aus Bayreuth weichen
mußte. Batteiger zeigt die Schattenfeiten der Bewegung,
z. B. das einfeitige Urteil über die Lehre und Predigt
der ,Unwiedergebornen', die Gefchmacklofigkeit in Predigt
und Kirchenlied, die geringen Erfolge in der Waifen-
erziehung. Aber man bekommt doch den Eindruck, daß
nicht nur Steinmetz in Neuftadt an d. Aifch, der fpätere
Abt von Klofter Bergen, fondern auch Silchmüller und
feine Amtsbrüder Fleffa und Aneforg tüchtige und ehrenwerte
Männer waren. Zu bedauern ift, daß Batteiger fich
im wefentlichen auf Bayreuth befchränkt hat, wenn er
auch Neuftadt und Erlangen berührt, und daß er die
Akten des Plaffenburger Archivs in Bamberg und die

Nietzfche in einem einzigen Satz zufammen darfteilt und
zu widerlegen meint. Etwas mehr Liebe zum Gegner
und Glauben an feine Ehrlichkeit wäre dem Verf. zu
wünfchen. Man erfährt aber bei ihm nur, daß die Gegner
des Gottesglaubens Narren find und ,hoheren Blödfinn'
vertreten.

L. Staehlin erklärt die Frage nach dem Urfprung
der Religion für eine überaus wichtige; denn nur das fei
wirklich begriffen, was wir feinem Anfang und Ziele nach
erkannt haben. Gegen die Ableitung der Religion aus
Fetifchismus und Animismus wendet er ein: 1. Aus fo
trüber Wurzel laffe die edle Frucht fich nicht erklären.
2. Diefe Erfcheinungsformen der Religion fetzen doch
eine fchon vorhandene Empfindung für das Göttliche
voraus. St. meint, die religionsgefchichtliche Forfchung
könne, von den gefchichtlichen Religionen zurück-
fchließend, die Verehrung des Himmels als urfprüng-
lichen Kult bei Indern, Perfern, Griechen, Germanen,
Semiten, Ägyptern, Chinefen, Finnen und Indianern erkennen
. Aber der Anblick des Himmels könne nicht
die Gottesvorflellung erzeugt haben. Diefe ruhe wie die
Vernunftbegabung und fittliche Beftimmtheit des Men-
fchen auf einer religiöfen Anlage. Letzteres halte ich

Akten der Pfarreien nicht benützt hat. Eine Ausdehnung ! für den richtigen Kern von Staehlins Ausführungen

der Unterfuchung auf beide Markgraffchaften, wie auf die
Gebiete der Grafen und der Reichsritterfchaft wäre fehr
erwünfcht. Die Korrektur läßt da und dort Pünktlichkeit
vermiffen. S. 86 Z. 1, S. 97 Z. 30, S. 109 Z. 24 findet
fich die graufige ,Superintendur'. S. 104 Anm. IO ,Super-
indent'. S. 20 Z. Ii, S. 40 Z. 15 1. Münchberg. S. 143 Z. 2
ift Öttinger der bekannte württembergifche Prälat und
Myftiker Ötinger, Z. 9 Steinhofer der Enkel des bay-
reuthifchen Generalfuperintendenten, der Verfaffer der
gehaltvollen Reden über I Johannis, Hebräer und Coloffer,
der als Superintendent in Weinsberg ftarb.

Nabern. G. Boffert.

Sachse, R., Zum Gottesbegriff. Studie. Halle a. S., C. A.
Kaemmerer & Co. 1904. (VII, 139 S.) gr. 8° M. 2.50

Staehlin, Konfift.-Rat Lic. theol. Leonhard, Über den
Ursprung der Religion. München, C. H. Beck 1905.
(35 S.) gr. 8° M. — 80

Lubenow, Superint. u. Kreisfchulinfp. H., Die übersinnliche
Wirklichkeit und ihre Erkenntnis. Gütersloh, C. Bertelsmann
1904. (IV, 164 S.) gr. 8» M. 2.40; geb. M. 3 - j dfe"foh7n ~den' phantaftTchen" AusgeS

Wie dagegen die religiöfe Anlage fich erftmalig geäußert
hat, ift eine relativ unwichtigere Frage. Wenn die Menfch-
heit urfprünglich alle Naturobjekte befeelt hat, wird auch
die religiöfe Vorftellung urfprünglich animiftifche Formen
getragen haben, womit natürlich nicht behauptet ift, daß
fich aus dem Animismus die Religion ableiten laffe.

Lubenow fucht zu zeigen, daß die überfinnliche
Welt in gefetzmäßigem Zufammenhange mit der fichtbaren
Welt fteht. Ihr Vorhandenfein erweift fich aus
der Tatfache des Gottesbewußtfeins, das fich nicht etwa
aus der Spannung zwifchen Selbft- und Weltbewußtfein
erklären läßt. Es ift kein menfchliches Produkt, fondern
etwas urfprünglich der Menfchheit Gegebenes. Aber
ähnlich wie Staehlin folgert auch Lubenow zu viel aus
der religiöfen Anlage, wenn er annehmen zu müffen
glaubt, ,daß den Stammeltern des menfchlichen Ge-
fchlechts eine Erfahrung vom Dafein und Wcfen Gottes
geworden ift. Sie kann der Natur der Sache nach in
nichts anderem beftanden haben als in einer ununterbrochenen
und lebendigen Bekundung der Gegenwart des
göttlichen Geiftes' (S. 56). Eine einmalige Freiheitstat
müffe in die urfprüngliche Harmonie der finnlichen und
überfinnlichen Welt die Störung hereingebracht haben,

R. Sachfe getraut fich, allen vernünftigen Menfchen theiftifchen Mythologie wie in den Irrungen des fittlichen
das Dafein Gottes aus der in der Welt herrfchenden Bewußtfeins zeige. — Mit Recht fucht Lubenow zu
Kaufalität und Teleologie als logifch notwendig zu be- | zeigen, daß die überfinnliche Welt auch erkennbar fein
weifen. Die viel wichtigeren Nachweifungen des Wirkens j muß, wenn fie erfahrbar ift. Er polemifiert darum gegen
Gottes (fo würde ich ftatt ,Beweife' lieber fagen) in der j den Ausdruck ,undogmatifches Chriftentum', gegen die
fittlichen Weltordnung und im Leben der fich Gott auf- 1 Stempelung religiöfer Sätze zu Werturteilen, gegen die

fchließenden Menfchen fehlen an diefer Stelle völlig
Statt deffen bietet der Verf. dem etwa noch nicht Überzeugten
das argumentum c tuto: Gefetzt, es wäre doch
etwas an dem Gottesglauben, du hätteft aber nicht geglaubt
, ,fo wärft du doch offenbar der Geleimte und
Hereingefallene' (S. 21). Daß ein auf Grund diefer Überlegung
angenommener Glaube niedriger fteht als ein
ehrlicher Ünglaube, fieht S. nicht. — Um die logifche
Ordnung der Eigenfchaften Gottes ift er mehr bemüht
als um den Nachweis ihrer Erfahrbarkeit. Über die
Schöpfung bietet er Phantafien, wie Gott zuerft den
Weltftoff gefchaffen, dann durch Stoß, Hieb und Druck
ihn zu der gegenwärtigen Welt verarbeitet habe. Wärmere
Töne findet er in dem Abfchnitt über die göttliche Welt

angeblich für Leben und Erkenntnis unfruchtbare Kan-
tifche Spaltung der Wirklichkeit in Erfcheinung und
Ding an fich. Gerade diefe Ausführungen find jedoch
nicht eingehend genug und darum für Gegner nicht überzeugend
. Sonft bietet L., der fich an Lotze vornehmlich
gebildet hat, in ftreng gefchloffenem Gedanken-
zufammenhange manches Gute.

Görlitz. Johannes Wendland.

Bautz, Prof. Dr. Jofeph, Die Hölle. Im Anfchluß an die
Scholaftik dargeftellt. Zweite, verbefierte und vermehrte
Auflage. Mainz, Kirchheim & Co. 1905. (VIII,

regierung. - Das Buch ift aus Unterredungen mit Kon- 2S° Sn 8" M. 3.20; geb. M. 4.20

Armanden herausgewachfen. S. hofft aber zugleich, In eine fremdartige Welt wird der evangelifche Theo-

folchen, die mit der chriftlichen Wahrheit zerfallen find, j löge hier geführt. Auf 256 Seiten erhalten wir ,im An-
einen Dienft zu leiften. Dies Ziel dürfte er nicht er- fchluß an die Scholaftik' eine bis in die feinften Einzelreicht
haben, da er z. B. Darwin, Ed. v. Hartmann und I heften gehende Befchreibung der Hölle. Wir erfahren,