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Ausgabe:

1905 Nr. 8

Spalte:

241-244

Autor/Hrsg.:

Hein, Karl

Titel/Untertitel:

Die Sakramentslehre des Johannes a Lasco 1905

Rezensent:

Köhler, Walther

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Theologifche Literaturzeitung 1905 Nr. 8.

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fanner Pfarrer Petrus Caroli wird im Anfchluß an j
Herminjard (Correspond. des reformateurs) und Calvins
Gegenfchrift gegen Caroli (CR. XXXV, 293 fr.) eingehend
dargeftellt und nach allen Seiten hin beleuchtet. Der
äußere Verlauf des Streites hat wenig Erquickliches;
trotz der milderten Beurteilung, um die B. fich bemüht,
und die man Caroli auch gerne angedeihen laffen will,
bleibt er ein unruhiger, fahriger Kopf, dem man alles
eher als Charakter zufchreiben kann. Sein wiederholter
Glaubenswechfel ift nichts weniger als fympathifch, von
der Sucht, eine Rolle fpielen zu wollen, ift er nicht frei.
Auf diefem perfönlichen Gebiete liegt nicht das In-
tereffante des Streites, vielmehr im dogmengefchichtlichen.
In Caroli und Calvin platzen franzöfifcher Ubergangs-
proteftantismus (wenn ich fo fagen darf, er ift von K.
Müller in den preuß. Jahrbb. 1902 zuletzt am treffendften
gezeichnet worden) und Calvinismus aufeinander; zweifellos
— B. deutet nicht darauf hin — bildet die Eiferfucht
des angefehenen Parifers gegen die Uniformierungs- und
und Proteftantifierungstendenzen Calvins in Frankreich
(f. Müller a. a. O.) den Hintergrund des ganzen Streites.
Caroli hält an der Fürbitte für die verftorbenen Seelen
feft, verwirft die reformierte Abendmahlslehre, kann der
M.irienverehrung Gefchmack abgewinnen und wirft gegen
Calvin und feine Freunde den Verdacht des Antitrini-
tarismus, weil fie die kirchlichen Symbole (namentlich
Nicaeuum und Aikanasianum) als folche nicht anerkennen.
Damit wird der Streit wertvoller Beitrag zu dem Thema:
Calvins Stellung zu den ökumenifchen Symbolen. An
der Orthodoxie Calvins in puncto Trinität kann nicht
gerüttelt werden, den Symbolen aber fteht er frei gegenüber
, freier als Luther trotz des bekannten Wortes über 1
das Nicaenum (Weim. Ausg. VII 117). Die Motive Calvins
find verfchieden: einmal, wie ähnlich bei Luther, die
Freiheit des Glaubens, der es auf den Buchftaben nicht
ankommt. Quid coutcntiosius quam ubi de re convenii, de
vocabulis litigare? (CR. XXXV 315, die Worte find aus
Augurtin, der wohl auch die innere Grundlage für Luther
a. a. O. war). Das zweite Motiv Calvins möchte ich ein
äfthetifch-humaniftifches nennen: patres Nicaeni hiserant
supervacuo verborum circuitu. Vides autem in his verbis
esse battologiam. deum de dco, turnen de htm ine, deum
verum de deo vero. Quorsum ista repetitio? Vides ergo
Carmen esse magis cantillando aptum quam formulam con-
fessionis, in qua syllabam unam rcdundare absurdum est.
Endlich fpielt mit. dem vorigen eng fich verknüpfend, ein
hiftorifch-dogmatifches Intereffe, das den Abftand jener
Formeln in ihrer fpezififchen Faffung von der doctrina
Christi empfindet: Quid si negcm lianc formidani, quam
mihi obtrudis, a synodo Nicaena profectam esse? — B.s
Schrift hätte durch prinzipiellere Faffung nach diefer
Richtung hin noch gewonnen, doch find wir auch fo fehr
dankbar für diefelbe.

Gießen. Köhler.

Hein, Hilfspred. Lic. Karl, Die Sakramentslehre des Johannes

a Lasco. Berlin, C. A. Schwetfchke & Sohn 1904. (III,
188 S.) gr. 8° M. 5 —

Die Heinfche Arbeit bedeutet den von reformierter
Seite erfolgten Rückfchlag gegen das Buch Kruskes über
Johannes a Lasco und der Sakramentsftreit', dem ich in I
diefer Ztfchr. 1902 Nr. 8 im wefentlichen zugeftimmt hatte.
Hatte Kruske a Lasco allmählich vom Zwinglianer zum I
Calviniften werden laffen, fo rückt ihn Hein von Anfang j
an möglichft nahe an Calvin heran, die Schärfe der Ent- 1
Wicklung damit abfchwächend — hier redet der Reformierte
, in Kruske der Lutheraner. Die Herausarbeitung
der Theologie a Lascos ift H.s Hauptintereffe, hie und
da (vgl. befonders S. 167 fr.) wird auch der rein gefchicht-
liche Verlauf der Begebenheiten kritifch gewürdigt, wobei
die Würdigung ebenfalls von Kruske abweicht. Die
Polemik gegen Kr. und mich ift temperamentvoll, an

Ausrufungszeichen und (sie!) fehlt es nicht; das nehmen
wir weiter nicht übel, geftehen als Sterbliche auch einige
Irrtümer zu, es fragt fich nur, ob in der Gefamtauffaffung
bei H. das Pendel nicht zu ftark nach der anderen Seite
fchwingt, und Kr. nicht doch im allgemeinen richtiger
gefehen hat. Vor der Kritik fei ausdrücklich der Fleiß
und die Gediegenheit dogmengefchichtlichen Urteils bei
H. anerkannt; man kann aus feiner Schrift viel lernen,
auch wenn man zum Widerfpruch fich veranlaßt fieht.

Meinen Satz a. a. O. Sp. 245: ,in der Epitome (1544)
denkt a Lasco durchaus Zwinglifch in der Abendmahlslehre
' vermag ich angefichts der H.fchen Ausführungen
nicht mehr aufrecht zu erhalten. Es ift kein einheitlicher
Standpunkt in jener Schrift, vielmehr gehen verfchiedene
Gedankenkreife durcheinander. Aber welches find fie,
und wie find fie in ihrem Einfluß abzugrenzen? H. formuliert
: ,a Lasco ift von dem Züricher Reformator ausgegangen
und hat dann unter butzer-calvinifchen Ein-
flüffen die Zwinglifchen Gedanken an einigen Punkten
felbftändig vertieft und in der butzer-calvinilchen Richtung
weitergebildet' (S. 54). Daß der Ausgangspunkt
für a Lascos Sakramentslehre bei Zwingli liegt, ift jedenfalls
richtig, ebenfo, daß er ,in der Marken Betonung einer
objektiven, durch den hl. Geift gewirkten Verriegelung
und damit auch in der rückhaltlofen Anerkennung und
Behauptung der Heilsnotwendigkeit der Sakramente für
diejenigen, welche an ihnen teilnehmen können, endlich
in ihrer Wertung als remedia fidei für das Glaubensleben
eines jeden einzelnen' (S. 50) über Zwingli hinausführt.
Eine Verwandtfchaft mit Bucer liegt gleichfalls vor. Den
Einfluß Calvins aber möchte ich beftreiten. Zum Beweife
dafür, daß a Lasco fchon 1544 Calvins institutio gekannt
hat, beruft fich H. auf einen Brief a Lascos an Hardenberg
, in dem er die letzte Ausgabe der institutio Calvins
und eventuelle fonftige Schriften desfelben fich erbittet.
Daraus foll folgen, daß er auch die er fte Auflage gekannt
hat!? Ein wunderlicher Schluß! Sonft aber zwingt nichts,
wie H. felbft zugibt, zur Annahme einer direkten Beein-
fluffung durch Calvin. Außerordentlich fpröde verhält
fich H. gegen eine Einwirkung des Erasmus auf a Lascos
Sakramentslehre und ganze Weltanfchauung; a Lasco
foll vom Humanismus möglichft abgerückt werden. Aber
die kurzen Bemerkungen S. 44t. überzeugen nicht; es
find Behauptungen, die der Beweiskraft entbehren. Daß
Erasmus die fymbolifche Auffaffung kannte, ift ficher,
desgleichen, daß a Lasco von Erasmus gelernt hat, und
folltc nicht gerade das Nebeneinander von Symbol und
Ma gie auf a Lasco gewirkt haben? Sei es auch durch
Zwingiis Vermittlung? M. E. ift Kruskes Anficht, daß
a Lasco ,damals nicht fowohl fyftematifch gebildeter
Theologe, als vielmehr Humanift, der fich auf theolo-
gifchem Gebiete verfuchte1, war, wenn auch etwas fcharf
pointiert, doch nicht als falfch mit H. abzuweifen. H.
kehrt die Auffaffung um: a Lasco ift fchon 1543/44 Theologe
, der die humaniftifchen Ideen, die H. keineswegs
leugnet, ,als einen fremden Einfchlag in feinem gefamten
theologifchen Gedankenkreife empfunden und ihre prak-
tifche Verwendbarkeit bezweifelt hat' (S. 21). Dem möchte
ich nur die auch von H. (S. 21) angezogenen Briefe an
Bullinger entgegenhalten (opp. ed. Kuyper II 569, 587).
Hier ift ganz deutlich a Lasco bange, zu ftark von Erasmus
und Zwingli abgewichen zu fein; folglich find nicht
fie ein ,fremder Einfchlag', vielmehr fein Hinausgehen
darüber. Das tritt fehr deutlich bei feinem Kirchenbegriff
in die Erfcheinung. Ganz richtig hat H. hier beobachtet,
daß L. mit Zwingiis und Erasmus' Kirchenbegriff, nach
dem der ecclesia invisibilis auch fromme Heiden angehören
, nicht ohne weiteres ftimmt. L. möchte den
Kirchenbegriff univerfal faffen wie jene, er kann fogar
fprechen : quid videtur absurdius quam tanta agmina etiam
excelleutium condita esse a deo ad aeternas miserias?. aber
er gewinnt den Univerfalismus nur durch die Annahme
einer Wirkfamkeit Chrifti ante Christum d. h. einer Rück-