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Ausgabe:

1905 Nr. 8

Spalte:

229-230

Autor/Hrsg.:

Jeremias, Alfred

Titel/Untertitel:

Babylonisches im Neuen Testament 1905

Rezensent:

Schürer, Emil

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229

Theologifche Literaturzeitung 1905 Nr. 8.

230

in diefelbe Reihe mit denen zu (teilen, die er auf S. XVI
anführt. — Auf S. XVI, Zeile 18 heißt es: Jafet hat
bm — Gen. 8, in — von bbn „fing an" hergeleitet'. Statt
b'snl.: bnn. Auf derfelben" Seite, Z. 12 1. DnnKlbiO ftatt

=nrS'CS2; S. IV, Z. 22 1.: l^aliÄXj; S. XV, Z. 4 von
unten L: nsbyai; S. 55, Z. 20, ft. hbn^b 1. bbnpsb (oder
ibn^b); S. 64, Z. 6 v. unten, L h^Ä Sonft ift das fchön
ausgeftattete und als Hülfsmittel für das Studium des
Arabifchen fehr empfehlenswerte Büchlein, wie fchon
oben erwähnt war, durch große Korrektheit des Druckes
ausgezeichnet.

Budapeft. W. Bacher.

Jeremias, Pfr. Dr. Alfred, Babylonisches im Neuen Testament
. Leipzig, J. C. Hinrichs'fche Buchhandlung 1905.
(VI, 132 S.) gr. 8° M. 3 —; geb. M. 4 -

Der Verf. ift ein Gegner der ,religionsgefchichtlichen
Schule'. Er will ,durch pofitiven Aufbau der Auflöfung
des Chriftentums in religionsgefchichtlichen Synkretismus
entgegentreten' (S. 3 Anm.) und daran fefthalten, ,daß
das Chriftentum auf vollkommene Einzigartigkeit Anfpruch
zu erheben hat' (S. 2). Er tadelt es daher, daß nach
jener Schule ,die Perfon Jefu Chrifti wie das Eintreten
des Chriftentums in die Welt durchaus gefchichtlich bedingt
' fein foll, und daß nach ihr ,die Theologie des
Paulus und Johannes den hiftorifchen Jefus mit dem
Prachtmantel orientalifcher Meffias-Mythologie ausge-
ftattet' haben foll (S. 1).

Bei diefem fcharfen Gegenfatz gegen die ,religions-
gefchichtliche Methode' follte man meinen, daß der Verf.
recht vorfichtig fein würde in der Annahme von Entlehnungen
chriftlicher Vorftellungen aus vorchriftlichen
Anfchauungskreifen. Wer auf die Einzigartigkeit des
Chriftentums Wert legt, muß doch möglichft bemüht fein,
beftimmte Grenzen zu ziehen und Entlehnungen nur infoweit
anzuerkennen, als fie eben ficher nachweisbar find.
In dem Buche des Verf. waltet aber durchaus das entgegengefetzte
Verfahren. Man lieft es, nach der Kriegserklärung
der Einleitung, mit wachfendem Erftaunen. Was
hier in der Annahme von Entlehnungen und Parallelen
geleiftet wird, kann fich in bezug auf kühne Phantafie
mit den extremften Leiftungen unferer Religionsgefchicht-
ler vollkommen meffen. Dabei ift der Blick des Verf.
immer nur nach einer Seite gerichtet: Alles flammt aus
Babylonien. ,Wir wiffen jetzt, daß diefer ifraelitifch-
jüdifche Hintergrund [nämlich der neuteftamentlichen
Schriften] nichts anderes als der babylonifche, oder beffer
gefagt, der altorientalifche Hintergrund ift' (S. 3). ,Es ift
unftatthaft, von jüdifchen, perfifchen, alexandrinifchen und
fonft welchen Einflüffen auf die neuteftamentliche Literatur
zu reden, ohne diefen Nachweis im einzelnen Falle auf
die Wurzel einer allgemeinen altorientalifchen Weltan-
fchauung zurückzuführen' (S. 7). Waren denn die Perfer,
Juden und Griechen fo arm an Geift, daß fie überall nur
die Urweisheit der Babylonier weiter tradiert und allenfalls
umgebildet und ergänzt haben?

Zur Begründung unteres allgemeinen Urteils können
hier nur einzelne Beifpiele angeführt werden. Von weitgehendem
und mannigfaltigem Einfluß war nach J. der
Mythus von dem fterbenden und fiegreichen Jahrgott:
,Sofern im Kalendermythus der Jahrgott beide Seiten
des Naturlebens vertritt, heißt er Tammuz. Der fterbende
Tammuz, deffen kritifcher Punkt die Sommerfonnenwende
ift, ift der in die Unterwelt finkende Marduk; der empor-
fteigende Tammuz, deffen Geburtstag die Winterfonnen-
wende ift, ift identifch mit Marduk im eigentlichen Sinne'
(S. 8 f.). Auf den Mythus vom fiegreichen Jahrgott geht
namentlich die Schilderung Apok. 4 zurück. ,Sieg und
Erhöhung [Chrifti] ift hier in den Bildern und Farben des
altorientalifchen Mythus vom Kampf und Sieg des Jahrgottes
gefchildert, der zum Lohn für den Sieg das Buch

der Gefchicke, d. h. das Weltregiment, empfängt und
darum in der himmlifchen Ratsverfammlung gepriefen
wird' (S. 14). Auch das ,Lamm' ift urfprünglich der fieg-
reiche Jahrgott, der früher unter dem Bilde des Stieres,
fpäter unter dem des Widders dargeftellt wurde (S. 16).
Das Gegenftück zum fiegreichen Jahrgott ift der in die
Unterwelt gefunkene Jahrgott der Sommerfonnenwende
(S. 19). ,Aber der ins Elend gekommene Jahrgott wird
nicht nur beklagt, fondern auch verfpottet' (S. 20). An
die Prozeduren diefes Naturfeftes haben ,wie es fcheint'
die Schergen bei Jefu Verfpottung und Kreuzigung gedacht
. ,Der dem Tode geweihte Jefus wird gleich dem
fterbenden Jahrgott im Feftfpiel als Narrenkönig behandelt'
(S. 20). — Die Farben der vier apokalyptifchen Reiter
gehen auf die Farben der fieben Planeten zurück (S.25;
daß es im einen Falle vier, im andern fieben find, fcheint
keine Schwierigkeit zu machen). — Auch die Erzählung
der EVangelien von der jungfräulichen Geburt Jefu Chrifti
fleht in religionsgefchichtlichem Zufammenhang (j/HS.48)
mit dem Mythus von der jungfräulichen Himmelskönigin,
welche den Erlöferkönig gebiert (S. 47, Demeter, die
Mutter des Dionyfos, heißt ja legte Jtagd-evog). Dabei
muß der Verf. fich freilich gegen ein naheliegendes Miß-
verftändnis verwahren. ,Daß die chriftliche Überlieferung
von der Jungfraugeburt Produkt des orientalifchen Mythus
fei, lehnen wir auf Grund des von uns dargelegten Standpunktes
unbedingt ab. Auch hier bietet der orientalifche
Mythus das Schattenbild einer religiöfen Realität, die in
die Erfcheinung trat, als die Zeit erfüllt war' (S. 48). —
Im Rechte dürfte der Verf. fein, wenn er die Vorftellung
von den fiebenHimmeln aus Babylonien ableitet (S.81—83);
eine ftarke Hyperbel ift aber die Behauptung, daß ,der
gefamte alte Orient' die fieben Himmel kenne; auch bleibt
der Sachverhalt unklar, wenn J. fagt, daß die Vorftellung
hergeleitet werde ,von den fieben Kreisftufen, die vom
Umlauf der fieben Planeten über den Tierkreis gebildet
werden' (S. 81). Die Vorftellung, wie fie bei den grie-
chifchen Aftronomen deutlich zu Tage tritt, ift nämlich
die, daß die Planeten fich bewegen in dem Raum zwifchen
dem Fixfternhimmel, der als Kugel gedacht ift, und der
Erde. Diefer Raum wird in fieben konzentrifche Kugeln
(Zonen oder Sphären) geteilt, und in jeder bewegt (ich
je ein Planet. Die Zonen oder Sphären find alfo etagen-
förmig übereinander gefchichtet, wie die fieben Himmel
des jüdifchen Vorftellungskreifes. Die Entftehung der
letzteren Vorftellung aus den Theorien über die Planeten-
Bahnen ift daher in der Tat wahrfcheinlich (vgl. meine
Ausführungen in der Zeitfchr. für die Neuteftamcntl.
Wiffenfch. 1905, S. 63 f.).

Die angeführten Beifpiele werden hinreichend dartun,
daß die Methode des Verf. eine höchft bedenkliche Ver-
wandtfehaft mit der von ihm abgelehnten Religionsgefchichtlichen
' Methode zeigt.

Göttingen. E. Schür er.

Reich, Hermann, Der König mit der Dornenkrone. Mit

5 Abbildungen im Text. Sonderabdruck aus den
Neuen Jahrbüchern für das klaffifche Altertum, Ge-
fchichte und deutfehe Literatur. VII. Jahrgang. Leipzig
, B. G. Teubner 1905. (31 S.) Lex. 8° M. 1 —

Die Gefchichtlichkeit der Erzählung von Jefu Verfpottung
durch die Soldaten als Judenkönig ift in neuerer
Zeit von Einzelnen beftritten worden (W. Brandt, Die
Evangelifche Gefchichte 1893, S. 106—110, Paul Wilh.
Schmidt, Die Gefchichte Jefu II, 1904, S. 396), während
Wendland zur Erklärung die komifche Figur des Saturnalienkönigs
herangezogen hat (Hermes XXXIII, 1898).
Auf ein noch viel näher liegendes Analogon macht Reich
in der hier anzuzeigenden Abhandlung aufmerkfam. Er
ift durch feine umfaffenden Studien über die Gefchichte
des ,Mimus' (vgl. Reich, Der Mimus, 1903, 900 SA) darauf

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