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Ausgabe:

1905 Nr. 8

Spalte:

227-229

Autor/Hrsg.:

Kahle, Paul

Titel/Untertitel:

Die arabischen Bibelübersetzungen 1905

Rezensent:

Bacher, Wilhelm

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Theologifche Literaturzeitung 1905 Nr. 8.

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was ihr Verf. fich davon verfpricht: eine neue Ära der
Qohelet-Forfchung! Das vorliegende Heftchen will dem
Kommentar voraneilen.

Straßburg i. E. Georg Beer.

Kahle, Paul, Die arabischen Bibelübersetzungen. Texte mit
Gloffar und Literaturüberficht. Leipzig, J. C. Hinrichs'
fche Buchhandlung 1904. (XVI, 66 S.) gr. 8° M. 4—;

geb. M. 4.60

Eine kurze Chreftomathie aus arabifchen Bibelüber-
fetzungen verfchiedenen Urfprunges. Jüdifcher Herkunft
find die aus Saadjas Bibelüberfetzung aufgenommenen
Stücke: Gen. 1—4 und Exod. 4,20-26 (S. 13—24), Hiob
1—2 (S. 27—29). Aus des Karäers Jephet b. Ali Penta-
teuchüberfetzung erhalten wir Gen. 8, 9, «—88 (S. 29—31).
Die Samaritaner find mit der Überfetzung von Exod. 4,
20-26 vertreten. Den Anfang und den Schluß der Auswahl
machen Proben aus den neueren chriftlichen Über-
fetzungen: Gen. 22,1-19; Richter 11,29-40, II Könige 9,
1-37, Ev. Matth. 6, 9-13 (S. 2—13), und die in der Omaj-
jadenmofchee zu Damaskus gefundene, aus dem Grie-
chifchen gemachte Überfetzung von Pf. 78, 20-31, 56-61
(S. 32—35). Das letztere, zuerft von Violet in der
Orientaliftifchen Literaturzeitung 1901 und auch befonders
(Ein zweifpaltiges Pfalmenfragment aus Damaskus, Berlin
1902) edierte, als ,einzige bisher bekannte Transfkription
des Arabifchen mit griechifchen Buchftaben' befonders
merkwürdige Stück gibt Kahle auch in vokalifierter
arabifcher Ümfchrift. Auch die übrigen Stücke find ganz
oder teilweife vokalifiert und damit zur Einführung in
die Lektüre diefes Zweiges der arabifchen Literatur von
großem praktifchen Werte. Diefen Wert erhöht die
außerordentlicheGenauigkeit und Korrektheit des Druckes,
deffen Vorlagen zumeift gedruckte Texte waren.

Für Saadjas Überfetzung wählte Kahle die Florentiner
Handfchrift vom J. 1245/6, von der er auch die
im Wolfenbütteler Cod. Gud. Gr. 33 befindliche Abfchrift
benützte. Jene Handfchrift ift als arabifch gefchriebenes
Exemplar von Saadjas Tafsir von ganz befonderem ln-
tereffe. Aber Kahle hält fie mit Unrecht für urfprüng-
licher als den durch Derenbourg edierten Text von Saadjas
Pentateuchüberfetzung. Vielmehr ift der Text der
Florentiner Handfchrift, wie man aus den bei Kahle
forgfältig verzeichneten Varianten des Derenbourgfchen
Textes leicht erfehen. kann, eine Bearbeitung der urfprüng-
lichen Saadjafchen Überfetzung mit der Tendenz, diefe
dem hebräifchen Originale möglichft anzupaffen. Wenn
alfo Kahle (S. X) hervorhebt, daß fich die Florentiner
Handfchrift ,fehr genau an den Originaltext hält', fo ift
dies nicht, wie er offenbar annimmt, ein Zeichen ihrer
größeren Urfprünglichkeit, fondern im Gegenteil diefe
Übereinftimmung mit dem Originaltexte beweift, daß fie
eine jüngere, fyftematifche Bearbeitung der Überfetzung
Saadjas ift. Nur zwei Beweife will ich dafür bringen,
daß Kahle mit Unrecht den Text der Florentiner Handfchrift
als echt faadjaniich abdruckt. In der Schöpfungs-
gefchichte (Gen. 1) überfetzt Saadja, wie auch Abraham
Ibn Esra im Komm, zu Gen. 1, 3 hervorhebt, "TDX^I mit
^Li (.wollte1); die Florentiner Handfchrift macht daraus
ftets: JLs. An der Urfprünglichkeit der erfteren Überfetzung
, die aus der rationaliftifchen Exegefe Saadjas
hervorging, läßt fich nicht zweifeln. Die Sätze am Schluffe
jedes Tages der Schöpfungsgefchichte und am Beginne
des folgenden Tages verbindet Saadja zu einem Satzgefüge
. So überfetzt er 1, 5b mit dem Anfange von 6a fo:

. . . XjU! oLil <X=>.P} pyJ) ^Lg-Ül^ jUJJI ^yjO ^£^0 Qj,

d. h.: ,Und nachdem aus der Nacht und dem Tage ein Tag
verfloffen war, wollte Gott. ..' Diefe Überfetzung wiederholt
fich V. 8f., V. 131., V. 10J., V. 22f., V. 31 f. Die
Florentiner Handfchrift gibt eine wörtliche Überfetzung

der betreffenden Worte, alfo: V. 5b: ^bL, L~x> ^r/j
tcVa-l^ Loj..> ^ü-*s; und dann (V. 6): ... xJJI JUi.
Wer Saadjas Überfetzungsweife kennt, wird keinen
Augenblick daran zweifeln, daß nicht diefe wörtliche
Wiedergabe des Textes, fondern die bei Derenbourg
(und auch in der neuen, in Jerufalem erfchienenen Ausgabe
) zu lefende freie Übertragung von Saadja herrührt.
Es gehört nämlich zu den charakteriftifchen Eigentümlichkeiten
der Saadjafchen Bibelüberfetzung, daß er die
Verfe eines Abfchnittes und die Teile der Verfe fyntak-
tifch mit einander in Verbindung bringt, um die Ver-
ftändlichkeit feiner Überfetzung zu erhöhen. Kahle hat
alfo unrecht, es Derenbourg zum Vorwurfe zu machen,
daß er den Text der Florentiner Handfchrift nicht bei
feiner Ausgabe benützt hat. Der ganze Apparat von
Abweichungen, den er den aus der Florentiner Handfchrift
abgedruckten erften vier Kapiteln der Genefis beifügt
, ift ein fortlaufender Beweis für die Richtigkeit des
Verfahrens Derenbourgs. Die Veröffentlichung Kahles
ift aber infofern dankenswert, als fie einen Einblick in
die Befchaffenheit jener Handfchrift gewährt. Es würde
fich verlohnen, von diefem Gefichtspunkt aus die ganze
Handfchrift durchzufehen und zu zeigen, wie der unbekannte
Urheber diefes Textes Saadjas Überfetzung umarbeitete
, um fie dem hebräifchen Originale möglichft
anzupaffen. Kahle will zwar aus der Überfetzung zu
Exod. 4, 20-2G den Beweis dafür bringen, ,daß Derenbourgs
Text nicht der urfprüngliche ift' (p. X). Diefer Beweis
befteht nach S. XII darin, daß Abu Sa ld, der famari-
tanifche Überfetzer des Pentateuchs, in einem Scholion
zu Exod. 4,84 Saadja deshalb tadelt, weil er diefe Stelle
fo erklärt, als habe Gott den Mofes zu töten gefucht.
In diefem Sinne ift aber V. 24 nur in der Florentiner
Handfchrift überfetzt. Denn in dem gewöhnlichen Texte
der Saadjafchen Überfetzung ift als Objekt eingefchoben:

sjJj (fein—Mofes' — Kind). Nun ift es diefe Auffaffung, die
aus dem ganzen Kontext von Saadjas Überfetzung als
die von ihm gemeinte erkennbar ift; diefelbe beruht auf
der alten tannaitifchen Erklärung (b. Nedarim 32a), die
auch von Abulwalid Ibn Ganäh (Wörterbuch, Art. )nn
Ende) zuftimmend zitiert wird. Abraham Ibn Esra zitiert
fie zwar im Namen des Gaon Samuel Ibn Chofni; doch
beweift dies nicht, daß fie nicht auch in Saadjas Überfetzung
zum Ausdrucke kam. Die Polemik Abu Sa'ids
gegen Saadja fcheint alfo fich auf eine bereits im Sinne
des Florentiner Textes berichtigte Überfetzung von V. 24
zu beziehen. Übrigens bezieht fich die Polemik Abu
Sa ids in erfter Reihe auf die Überfetzung des Wortes
hfrUjtt. Diefes bedeutet nach Abu Said nicht .töten',
fondern .erregen, in Unruhe verletzen' (aü^lsel). Diefe
Erklärung beruht aber nicht, wie K. mit Juynboll annimmt
, darauf, daß Abu Sa'id hrö'YOh las und dies als Infin.

Hifil von einer Wurzel HÜi (= arab. ixj, war heiß) ver-

ftand; vielmehr erklärte er das Wort aus der Wurzel
rTüfi und zwar als Subftantiv: Aufregung, das er aber mit
dem Verbum umfehreibt. In den Rouener Gloffen zu
Abulwahds Wörterbuche (f. Kitäb-al-usiil, ed. Neubauer,
Kol. 177, Note 18) wird zur Wurzel nttfi — die von
Abulwalid felbft nicht überfetzt wird — bemerkt:
^Ls.a# y~jüi, d.h.: im Arabifchen entfpricht ^l$c.—

Aus der Einleitung feien befonders die inftruktiven Angaben
über die modernen — katholifchen und prote-
fiantifchen — arabifchen Bibelüberfetzungen hervorgehoben
. Sehr dankenswert ift das forgfältige Gloffar
(S. 36—63), in dem die Wortbedeutungen deutfeh und
englifch angegeben find. — Unberechtigt ift das Verfahren
, in den Texten aus Saadja und Jephet b. Ali einige
.Härten im Arabifchen' zu tilgen, worüber K. auf S. XV
Rechenfchaft ablegt. Es hätte genügt, diefe fprachlichen
Eigentümlichkeiten der jüdifch-arabifchen Überfetzungen