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Ausgabe: | 1904 Nr. 6 |
Spalte: | 169-172 |
Autor/Hrsg.: | Hennecke, Edgar |
Titel/Untertitel: | Neutestamentliche Apokryphen, in Verbindung mit Fachgelehrten in deutscher Übersetzung und mit Einleitungen herausgegeben 1904 |
Rezensent: | Schürer, Emil |
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Theologifche Literaturzeitung. 1904. Nr. 6.
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feinen Lefern die Bevorzugung der Reichen innerhalb
der Gemeinde dadurch als ungeziemend erweifen will,
daß er auf das Verhalten der nicht-chriftlichen Reichen
hinweift. — Bei den Erörterungen über den Verfaffer
wendet fich Gr. namentlich auch gegen Spittas Hypo-
thefe von dem jüdifchen Urfprung des Briefes. — Sehr
eingehend werden die literarifchen Beziehungen unter-
fucht. Benützt ift von Jak. der L Petrusbrief; bekannt
find ihm die Hauptbriefe Pauli, gegen deren Formeln er
polemifiert, ohne fie wirklich zu treffen und ohne in der
Gefetzesfrage ein Gegner Pauli zu fein. Von dem das
apoftolifche Zeitalter fo tief bewegenden Kampfe zwifchen
Paulus und feinen judenchriftlichen Gegnern ,ift hier
nicht mehr der leifefte Ton oder Nachklang zu vernehmen
' (S. 32). Führt fchon dies in eine fpäte Zeit, fo
auch die Verwandtfchaft mit Hebräerbrief, Clemens
Romanus, Hermas und andern, welche alle aus derfelben
geiftigen Atmofphäre flammen, wie der Jakobusbrief. —
Die Adreffe ift dahin zu verliehen, daß ,die zwölf Stämme'
einfach das wahre Ifrael, die Chriftenheit überhaupt find
(S. 42f.). — Die Abfaffung des Briefes fetzt Gr. ,etwa in
das 2. oder 3. Jahrzehnt des zweiten Jahrhunderts' (S. 43).
Den Namen des Jakobus, des Bruders des Herrn, hat
der Verf. feinem Schriftftück vi rgefetzt, weil ,fein ftrenger
fittlicher Geift trotz allem eine gewiffe Verwandtfchaft
mit dem des berühmten Jakobus hatte' (S. 48).
Die Beweisführung, durch welche Gr. feine Auf-
faffung ftützt, ift durchweg eine klare und überzeugende.
Auf eine wichtige Kpnfequenz, welche fich aus feiner
Auffaffung ergibt, hat' auch Gr., wie Andere, die mit ihm
übereinftimmen, nicht hingewiefen; ich meine die für die
Kanonsgefchichte fo bedeutfame Tatfache, daß es auch
in der heidenchriftlichen Großkirche Kreife gegeben hat, I
welche den Paulus und feine Briefe nicht als maßgebende
Autorität anerkannten. Dafür ift der Jakobusbrief ein
Hauptbeweis. Damit ift aber ein Problem gegeben,
welches noch fchärfer, als es bisher gefchehen ift, ins
Auge gefaßt werden muß.
Zu S. 6 möchte ich noch bemerken, daß die Angabe:
,felbft religiöfe heidnifche Genoffenfchaften in Griechenland
werden Gvvaycoycü genannt' nicht ganz genau ift.
Der Ausdruck kommt hier nur für die (jährliche) Feft-
verfammlung einer Genoffenfchaft, aber nicht für diefe
felbft vor (vgl. meine Gefch. des jüd. Volkes IP S. 433;
das hier erwähnte Teftament der Epikteta fleht jetzt auch
in Inscriptiones Graccae insularum maris Aegaei fasc. III
330).
Göttingen. E. Schürer.
Hennecke, Edgar, Neutestamentliche Apokryphen, in Verbindung
mit Fachgelehrten in deutfcher Überfetzung
und mit Einleitungen herausgegeben. Tübingen 1904,
J. C. B. Mohr. (XII, 558 S. gr. 8.)
M. 6.— ; geb. M. 7.50
An diefem Buche ift zweierlei gleich erfreulich: der
ungewöhnlich reiche und gediegene Inhalt und der eben-
fo ungewöhnlich billige Preis. Wenn letzterer um eine
Kleinigkeit höher gefetzt und dafür befferes Papier genommen
worden wäre, fo wäre unfere Freude noch
größer. Vielleicht gibt eine zweite Auflage einmal Anlaß,
auch diefen Wunfeh zu erfüllen.
Die Zufammenfaffung der ,Neuteftamentlichen Apokryphen
' (diefes Wort in fehr weitem Umfang genommen)
in deutfehen Überfetzungen mit Einleitungen in einem
leicht zugänglichen Sammelwerke ift ein höchft dankenswertes
und nützliches Unternehmen. In diefer Literatur
lernen wir erft das vulgäre Cnriftentum, wie es in den
Gemeinden lebte, in feinen mannigfaltigen, zum Teil
häretifch gefärbten Schattierungen kennen, während die
fogenannte ,patriftifche' Literatur doch mehr oder weniger
nur von dem Chriftentum der Theologen Zeugnis gibt.
Das Gemeinde-Chriftentum war viel weniger dogmatifch,
als wir es uns gewöhnlich vorftellen. Um fo üppiger
wuchert hier die Legende und der naive Wunderglaube,
womit fich meift eine asketifch gefärbte Moral verbindet
.
Über die Gefichtspunkte, nach welchen die Grenzen
für die vorliegende Sammlung gezogen find, fagt der
Herausgeber in der Einleitung S. 5*: ,Unter neuteftament-
lichen Apokryphen werden hier diejenigen Schriftftücke
der altchriftlichen Epoche vor Origenes (f 254) ver-
ftanden, die als Hauptbeftandteil der urchriftlichen und
urkirchlichen Literatur neben und nach der neu-
teftamentlichen unter apoftolifchen oder engverwandten
Titeln teils geradezu den Anfpruch
erheben, wie jene als Quellen der Zeit Jefu fo-
wie der Apoftel zu gelten, teils doch formell
eine ergänzende Fortführung der im N. T. vorhandenen
Literaturgattungen darftellen. Sie find
als autoritative und Lefefchriften neben den neuteftament-
lichen in den Kreifen der älteften Kirchen und ihren
Abzweigungen eine Zeitlang gebraucht, zum Teil zurück-
gewiefen und bekämpft'. Hiernach find einerfeits nur
folche ,Apokryphen' aufgenommen, deren Entftehung mit
einiger Wahrfcheinlichkeit noch in die Zeit vor Origenes
zu fetzen ift, andererfeits find auch die fogenannten
,apoftolifchen Väter' aufgenommen, obwohl der Herausgeber
anerkennen muß, daß wenigftens die Aufnahme
der Ignatiusbriefe durch die obige Definition ,nur teilweife
gerechtfertigt' wird.
Zur Bewältigung der großen Aufgabe hat der Herausgeber
fich mit einem Stabe von fünfzehn Mitarbeitern
umgeben, von welchen jeder felbftändig für feinen
Anteil eintritt. Störende Verfchiedenheit in der Art der
Ausführung haben fich dabei nicht ergeben. Am meiften
ift ein gewiffer Unterfchied bei den Einleitungen bemerkbar
. Diefe follten nach dem im Vorwort ausgefprochenen
Grundlatze zwar über den relativen Wert oder Unwert
eines einzelnen Stückes, den Umfang feiner Verbreitung
und das Recht feiner Einbeziehung unter den Gefamt-
titel orientieren, dagegen ein genaueres Eingehen auf
erledigte oder noch fchwebende Diskuffionen der
modernen Forfchung ,bis zu einem gewiffen Grade' vermeiden
, indem diefe gelehrten Erörterungen und Nach-
weifungen einem in Ausficht geftellten ergänzenden
.HandBuche' vorbehalten bleiben. Tatfächlich
haben manche Mitarbeiter diefem Handbuche doch fchon
mehr oder weniger vorgegriffen, während andere fich die
äußerfte Knappheit auferlegt haben.
In einer vorangeftellten, befonders paginierten,Haupteinleitung
'(S. 1*—28*) handelt der Herausgeber über die
Begriffe apokryph und kanonifch, über den religiöfen
Charakter der apokryphifchen Literatur und über die
Gefchichte ihrer Erforfchung. Sehr treffend wird hier
in dem mittleren Abfchnitt die geiftige Atmofphäre ge-
fchildert, aus welcher diefe Literatur hervorgegangen ift
und von welcher fie ihrerfeits Zeugnis gibt. Das vulgäre
Durchfchnittschriftentum, um welches es fich
handelt, ift eine merkwürdige Mifchung aus fehr ver-
fchiedenen Faktoren. Neben dem echten Evangelium
welches die Grundlage bildet, find jüdifch-apokalyptifche'
helleniftifche und orientalifche Einfluffe whkfam. _ Die
Literatur-Angaben S. 22*—28* find reichhaltig; doch nicht
ganz gleichmäßig. Wenn Einleitungswerke wie dievonReuß
und Holtzmann genannt wurden, hätten die zufammen-
faffenden Artikel in den encyklopädifchen Werken nicht
fehlen dürfen, z. B. Acts, Apocalypses, Epistles, Gospels
in: Smith and Wace, Dictionary of Christian biography
(meift von Lipfius), die entfprechenden Artikel in:
Vigouroux, Dictionnaire de la Bible (von Batiffol), Art
Apocalytic Literature und Apocrypha in der Encyclopacdi
Bibhca, Art. ,Apokryphen des N. T.' in der Prot. Real-
Enc. (von R. Hofmann). Einiges davon ift fpäter bei
| den einzelnen Abfchnitten genannt. Zu der Literatur über