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Ausgabe:

1904 Nr. 6

Spalte:

166-168

Autor/Hrsg.:

Cooke, M. A.

Titel/Untertitel:

A Text-Book of North-Semitic Inscriptions 1904

Rezensent:

Lidzbarski, Mark

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Theologifche Literaturzeitung. 1904. Nr. 6.

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Ifrael; edle Geifter jenes Landes fahen hinter den Bildern
ftets die jenfeits alles Irdifchen thronende Gottheit; das
fittliche Leben der Babylonier hält in manchen Gebieten
gleichen Schritt mit dem der Ifraeliten, die letzteren find
von fchweren fittlichen Mängeln nicht freizufprechen, und
die Stellung der Frau ift im alten Babylonien unftreitig
höher als in Ifrael. Der Hauptfehaden der ifrael. Religion
ift der ihr anhaftende nationale Partikularismus, von dem
fie zu keiner Zeit völlig frei war. Der alte Offenbarungsbegriff
muß endgiltig aufgegeben werden, an feine Stelle
hat die Anficht zu treten, daß die anfänglich von Gott
in die Menfchheit gelegten Keime fich in allmählichem
Fortfehreiten ohne weiteres Eingreifen der Gottheit entwickelt
haben. Die theologifche Betrachtung des A. T.
ift durch die religionsgefchichtliche zu erfetzen.

Sowohl in den Einzelheiten wie in den prinzipiellen
Ausführungen ift D. von der übertreibenden Manier
nicht frei geblieben. ,Wie fo gleichartig ift alles in
Babel und Bibel', ruft er aus, nachdem er einige kleine
Parallelen zwifchen beiden genannt hatte. Und im
prinzipiellen Teil ift Verf. im Begriff, die vorhandene
Grenze zwifchen der babylon. und der ifraelit. Religion
vollends ganz niederzureißen. Daß der traditionelle
Infpirationsglaube aufgegeben wird, daran hat ja D. durch
feine weithin getragene Veröffentlichung felbft in dankens-
wertefter Weife mitgewirkt, und daß der Höhepunkt der
babylon. Religion und Sittlichkeit höher ift, als der Tiefpunkt
der ifraelit., das ift aus feinen Vorträgen aufs
neue klar geworden; freilich hat das auch nie jemand
ernft bezweifelt. Ahnungen vom einheitlichen und geiftigen
Wefen der Gottheit finden fich überall in der Welt und
deswegen können folche in Babylonien nicht befremden.
Aber in der babyl. Religion find die genannten Höhepunkte
Ausnahmen, in der ifrael. ift der fittliche. gefchicht-
liche Monotheismus und der Geift der Innerlichkeit das
unverlierbare Erbe geworden, das wir heute noch haben.
Mit den heftigen Vorwürfen gegen das A. T. wird D.
in der wiffenfehaftlichen Welt ifoliertbleiben. Endlich iftdie
Offenbarungsanfchauung des Verf. mit dem Glauben an
den lebendigen perfönlichen Gott nicht vereinbar; fie
nivelliert die Menfchen und die Völker in materialiftifcher
Weife. Die göttliche Erziehung, auf deren Händigen
Einfluß das gefamte geiftige Leben der Menfchheit und
die Religion in befonderem Sinn zurückzuführen ift, liebt
es, einzelne Menfchen- und Völkerindividuen zu befonderem
Zweck auszuwählen, fo daß deren befondere
Ausrüftung der Gefamtheit zu gut kommt. So läßt fie
beftimmte Individuen und Völkergemeinfchaften durch
eine befondere religiöfe Schulung gehen, damit die Gefamtheit
durch fie in der Erkenntnis der relig. Wahrheit
und im relig. Leben gefördert werde. Das auserwählte
Volk der Religion ift Ifrael, und das bleibt es trotz allem
was aus Babylonien noch zu Tage gefördert wird, und
feine religiöfe Ausftattung ift nicht als allmähliches Wachstum
aus babylonifcher Anfängen zu verftehen, fondern
als ein in der Gefchichte fortfehreitendes, aber unmittelbares
Gefchenk des lebendigen Gottes.

Zum Schluß fei auf die hübfehen Abbildungen des
Büchleins hingewiefen, namentlich auf die emaillierten
Ziegelreliefdarftellungen, die in Babylon gefunden wurden.

Der dritte Vortrag ,im Lande des einftigen
l'aradiefes' hat mit dem ,Paradies'nichts zu tun, fondern
ift überwiegend die Befchreibung einer Reife, die D. 1902
in Mefopotamien und Babylonien machte, gefchrieben in
dem begeifterten Stil, den wir aus den übrigen Vorträgen
kennen, und mit zahlreichen anfehaulichen Abbildungen
verfehen. Lebhaft tritt durch die Schilderung der Gegen-
fatz zwifchen dem einftigen blühenden Zuftand und dem
heutigen Verfall vor die Augen, und der Lefer gönnt
der türkifchen Regierung das vom Verf. gefpendete Lob,
daß fie in dem fchwiengen Land das Menfchenmögliche
leifte. Manche Einrichtungen und Erfcheinungen von
heute find durch die Jahrtaufende hindurch diefelben

geblieben, fo daß der Gelehrte, hauptfächlich auf dem
Gebiete der Archäologie, durch die perfönliche Berichtigung
felbft einen lehrreichen Anschauungsunterricht
empfängt. Ausführlicher berichtet D. über die Grabarbeiten
der deutfehen Gefellfchaft an der Stätte Babylons,
deffen Stadtplan, Iftartor, Tempelanlagen und dgl. immer
deutlicher erkennbar werden. Alte Tontafeln mit fehr
altertümlichen Schriftzeichen, die im füdlichen Babylonien
gefunden wurden, veranlaffen einen Exkurs über die
Entftehung der Keilfchriftzeichen, und wir erfahren, daß
die urfprünglichen bildlichen Darftellungen der Gegen-
ftände allmählich zu Zeichen vereinfacht wurden. Endlich
wird die Glaubwürdigkeit Herodots in einigen Punkten
der Gefchichte des Cyrus und Darius von D. aufs neue
entfehieden beftritten.

Leonberg. P. Volz.

Cooke, Rev. G. A., M. A., A Text-Book of North-Semitic In-
SCriptions: Moabite, Hebrew, Phoenician, Aramaic, Na-
bataean, Palmyrene, Jewish. Oxford 1903, Clarendon
Press. (XXIV, 407 p. m. XIV Taf.) 16 sh.

Torrey, Charles C, Semitic Epigraphical Notes. (Journal of
the American Oriental Society, Vol. XXIV, 1903, p.
208—226.)

Das Text-Book gibt eine Zufammenftellung der wich-
tigften phöniko-paläftinifchen und aramäifchen Infchriften.
Der Verf. hat das Werk vor langer Zeit unternommen
und konnte fich, als des Ref. Nordfemitifche Epigraphik
erfchien, nicht entfchließen, feine Arbeit aufzugeben. Der
Charakter der beiden Werke ift auch ein wefentlich ver-
fchiedener. Das des Ref. ift in erfter Linie eine fyftema-
tifche Bearbeitung des Materials und die Auswahl der
Texte nur anhangsweife beigegeben, während Cookes
Publikation hauptfächlich ein Text Book fein will. Hier
ift nun den Texten auch eine Überfetzung und ein eingehender
Kommentar beigegeben, leider aber nur wenige
Fakfimiles, wodurch der Wert gerade für den vom Verf.
ins Auge gefaßten Zweck, den Gebrauch bei Vorlefungen,
in Frage geftellt wird. Man merkt es dem Buche an, daß
es eine Frucht langer Arbeit ift, denn C. hat fich in der
einfehlägigen Literatur weit umgefehen und verwertet fie
mit Verftändnis und Umficht. Ich bin bei der Durchficht
nur auf geringfügige Corrigenda geftoßen. orbia (p. 80)
ift in ein Wort zufammenzufaffen, denn nur durch den
engen Zufammenfchluß ift die Affimilation von zu 12
erklärlich. — In Larn. Lap. 2 (p. 82), Z. 6 ift bzn— vielleicht
mit bntJ in CIS I44 zufammenzubringen. — In Pan.
(S. 175 f.) Z. 2 ift nm und in Z. 6 nVQ ganz ficher, fomit
find alle Erklärungen, die fich an die Lefung tWü anknüpften
, hinfällig. Die Nachbildung der amtlichen Publikation
ift äußerlich fehr fchön, aber keineswegs zuver-
läffig. — S. 217 fr. follte entweder El-Hijr oder Hegra
gefchrieben werden, nicht El-Hejra. — S. 244 unt. Aus
IDp OTTBcfflb» Sfibx und snb« O'Ü'nnn darf kein Schluß
für die Vergottung von Herrfchern in Palmyra gezogen
werden, da wir es bei diefem Titel römifcher Kaifer nur
mit einer Überfetzung des lateinifchen dhrus zu tun haben.
— S. 284 Mrfl, ciQda, 'f* nicht ,enchantement fon-

dern ,deaf. — S. 332 iiby, olaiovq (gen.) ift nicht JS,

fondern ein fuail davon mit der hypokoriftifchen Endung
hier vielleicht ai, fo daß der Nominativ zu olcuovq —
'Oliuriq gelautet haben mag. — S. 361, 3. Horus wird
immer "1H gefchrieben. In CIS II, 77 ift der Name "ny~in
zu lefen, vgl. Hoffmann, in ZA XI, p. 228. — S. 362, 7. IDT
ift ein Name, vgl. Ephem. I, p. 141.

Anhangsweife befaßt fich C. mit der auch in der Th
LZ an zwei Stellen (1902, Sp. 633!.; 1903, Sp. 65 f.) von
G. Hoffmann erörterten Infchrift aus dem Esmuntempel
bei Sidon. C. überfetzt: ,King Bocf ashtart, king of the