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Ausgabe:

1904 Nr. 6

Spalte:

164-166

Autor/Hrsg.:

Delitzsch, Friedrich

Titel/Untertitel:

Babel und Bibel. Ein Vortrag 1904

Rezensent:

Volz, Paul

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163 Theologifche Literaturzeitung. 1904. Nr. 6. 164

Völkern des Altertums für die Entwicklung der Kultur
gekittet wurden und die zum teil hervorragender feien,
als die von den Babyloniern gegebenen; er hält es für
eine Übertreibung, zu fagen, der Umfang der gefchicht-
lichen Zeit fei durch die Ausgrabungen babyl. Infchriften
für uns verdoppelt worden, bekämpft die Annahme von
dem einheitlichen Weltbild und von der aftronomifchen
Weltanfchauung der Babylonier, ebenfo die Annahme von
der vergeiftigten Religionsauffaffung einzelner Erleuchteter.
Jedenfalls könne man nicht behaupten, daß durch die
Kenntnis des babylonifchen Altertums unfre bisherige
Anficht von der Entwicklung des Menfchengeiftes von
Grund aus geändert worden fei. Was fpeziell an babyl.
Material in Ifrael gefunden werde, das fei entweder erft
fpät in Ifrael eingedrungen oder halte es vor einer
fchärferen Prüfung nicht ftand, und die Entrückung der
ifraelit. Patriarchen in die Sphäre der aftralen Mythologie
entbehre jeglichen Grundes

fchen wie nichts anderes von Gott kündete, die Phan-
tafie des Orientalen erfüllte, fo, daß auch feine Erzählungen,
und daher auch die biblifchen Erzählungen in ihrem Teil,
Zeugnis von dem Eindruck ablegen, den der fichtbare
Himmel auf den Sohn der Erde machen mußte? Im
übrigen aber" hat K. ein gutes wiffenfchaftliches Recht
ausgeübt, wenn er die Aufhellungen Wincklers Satz für
Satz prüfteund die vielen Fragezeichen und Ausrufezeichen,
die dabei entftanden, in offener Ausfprache zufammenftellte.

Leonberg. P. Volz.

Delitzsch, Prof. Dr. Friedrich, Babel und Bibel. Ein Vortrag
. 46—50. und 51—55. Taufend. Leipzig 1903,
J. C. Hinrichs'fche Buchhandlung. (II, 81 S. gr. 8. mit
52 Abbildungen.) M. 2.— ;

kart. M. 2.50; geb. M. 3.—

Die einzelnen Irrtümer, die dem Verf. namentlich im j — Zweiter Vortrag über Babel und Bibel. 36—40. Taufend.

Mit einem Vorwort ,Zur Klärung'. Stuttgart 1903,
Deutfche Verlags-Anhalt. (50 S. gr. 8. mit 17 Abbildungen
u. 3 färb. Taf.) M. 2.— ;

kart. M. 2.50; geb. M. 3.—
Im Lande des einstigen Paradieses. Ein Vortrag.

Aftronomifchen hängen blieben, hat A. Jeremias in feiner
Schrift ,1m Kampf um Babel und Bibel' ausführlich behandelt
. Verf. hatte die Abficht, das Hyperbolifche und
Hypothetifche an allen Ausführungen Wincklers darzutun
und dem gefährlichen Einfluß derfelben auf das größere
Publikum entgegenzutreten. Dabei wird aber doch die

gefchichtsphüofophifche Begabung Wincklers, die den j-jS. Taufend. Ebd. 1903. (58 S. gr. 8. m. 52 Bildern
einzelnen Übertreibungen diefes Gelehrten zu Grund hegt, '

nicht genügend gewürdigt, und ebenfo erfährt die Größe
des babylonifchen Altertums keine unbefangene Anerkennung
. Es ih aber fehr rühmenswert, daß König fleh
nicht mit Delitzfch, fondern mit Winckler befaßt und daher
wie diefer den Streit um Babylonien auf ein viel
wichtigeres und freieres Gebiet hinüberzulenken gefucht hat.

In feiner Schrift über die Babylonifierungsver-
fuche beginnt König mit einem Vorwort zur Auseinan-
derfetzung mit A. Jeremias; nach erneuter Prüfung prote-
hiert er gegen die Annahme einer Stammverwandtfchaft
zwifchen Ifraeliten und Kanaanitern und gegen die Anficht

Karten u. Plänen.) M. 2.— ; geb. M. 2.50

An den neuen Auflagen des erften Vortrags
von Delitzfch find die angehängten Anmerkungen die
wefentliche Veränderung. Sie geben zunächft eine Überficht
über das Wichtigfle aus der Babelbibelliteratur; fo-
dann fpricht fleh D. über verfchiedene im Vortrag berührte
Probleme (aaronit. Segen, Sabbat, Sintflut,Schöpfung,
Tiamat, Sündenfall, Kanaanäer, El, Jahwe, Monotheismus
ufw.), mit vielfacher Berückfichtigung der inzwifchen vorgebrachten
Äußerungen, noch näher aus. Meift hält er
die zuerft verkündigte Anficht gegenüber den Beftreitungen

Wincklers von der aftronomifch fundierten Weltanfchauung j feft (aaron. Segen, Tiamat als Drache, El = Ziel, Deu-

der Babylonier und ihnen nach der Ifraeliten und von den
mythologifchen Gefchichtsdarftellungen der orientalifchen
Völker und auch der Bibel. Im einzelnen bekämpft er
vor allem die Mythologifierung der ifraelit. Könige; weder
die Namen der drei erften Könige, noch die Ereigniffe
ihres Lebens weifen an irgend einem Punkt auf einen
Zufammenhang mit der fiderifchen Welt, und die biblifchen
jahwetreuen Erzähler waren weit entfernt von
jener aftronomifchen Weltanfchauung, auf der auch die
Mythologifierung der Königsgefchichte ruhen foll.

Gewiß wird man dem Verf. in vielem zuftimmen; aber
feine Beweisführung trägt zuweilen allzu fehr einen rationali-
flerenden Zug. Sollte nicht doch manches in der Erzählung
biblifcher Heroen feine letzte Erklärung in der Mythologie
, fpeziell in aftraler Mythologie finden können?
Damit wäre noch nicht behauptet, daß die biblifchen
Schriftfteller bewußt und planmäßig die Gefchichten der
Erzväter und der Könige in das mythologifche Syftem
gefpannt hätten. Es find einige auffallende Refte aus der
aftralen Mythologie in der biblifchen Gefchichtsdarftellung
vorhanden, und um ihretwillen entftand die m. A. nach
jetzt fehr übertriebene Vorftellung von dern Syftem der
aftralmythologifchen Gefchichtsdarftellung der biblifchen
Erzähler überhaupt; wenn nun die letztere abgewiefen
wird, fo dürfen doch wohl die erfteren feftgehalten werden
. Denn auch die biblifche Gefchichtsdarftellung, nicht
bloß der biblifche Bericht von den Urereigniffen der Welt,
enthält unftreitig allerlei Fremdartiges, aus fremder Sagenwelt
, z.B. aus der babyl. Sagen- und Mythenwelt Herübergekommenes
, Refte, die der biblifche Schriftfteller übernommen
hat, ohne daß er dadurch irgendwie feiner geiftig
höhern Gefamtanfchauung etwas vergeben hätte. Ift es
nicht im Gegenteil ein fchöner Gedanke, daß der herrlich
leuchtende Himmel des Morgenlandes, der dem Men-

tung des Jahwenamens, monoth. Erklärung der Namen
mit El); hie und da fucht er feine etwas bombaftifchen
Ausfprüche (wie über den Sabbat) auf das richtige Maß
zurückzuführen. Die polytheiftifche Ausdeutung von
Gen. 127 ift recht gefucht; daß in Gen. 2 urfprünglich
nur Ein Baum genannt war, halte ich für richtig, doch
glaube ich, daß in der urfprünglichen Faffung der Weisheitsbaum
verboten, der Lebensbaum dagegen dem
Menfchen zugänglich war und ihm erft infolge feines
Ungehorfams entzogen wurde. Irrig ift wohl die Auslegung
von Jef. 66 24, denn die dortigen Auslagen beziehen
fich nicht auf die Leichname, fondern auf die
Gehenna; vollends darf daraus kein Schluß auf Feuer-
beftattung im A. T. gezogen werden. Lehrreich ift die
Ausführung über die Kanaanäer (= die Nordfemiten),
die nach D. die Urheber des Monotheismus waren. Die
Mardukftelle, die D. in der letzten Anmerkung als Beweis
des Monotheismus anführt, ift inzwifchen berühmt,
aber auch in ihrer Deutung ftark angezweifelt worden,
jedenfalls gehört fie dem jüngeren Babylonien an.

Der zweite Vortrag über Babel und Bibel ift,
wie D. fagt, durch die Polemik, die gegen den erften
laut wurde, entftanden. Er ift weniger bildend, als der
erfte, und gibt fich als eine lofe geordnete Nachlefe.
Zunächft fucht Verf. noch einiges beizufügen, was die
biblifche Archäologie und die hebräifche Sprachwiffen-
fchaft durch die Ausgrabungen lernen können, auch der
neue Fund des Codex Hammurabi ift gebührend gewürdigt.
Außerdem aber begibt fich D. hier direkt auf das Gebiet
der altteftam. Theologie und der Dogmatik und fucht
feine Gegner zu widerlegen, die den religiöfen und fitt-
lichen Vorzug Ifraels vor den Babyloniern und den Offenbarungscharakter
des A. T. behaupteten. Der Monotheismus
fei um 2500 in Babylonien fo gut zu Haus wie in